Читать книгу Deportiert auf Lebenszeit - Marcus Andrew Hislop Clarke - Страница 15
Buch 2
Zweites Capitel.
Der Einsame am Höllenthor
ОглавлениеDas Höllenthor wird von einer Felsspitze gebildet, die plötzlich nach Norden vorspringt und auf der Ostseite fast eine Landzunge berührt, welche den Eingang zum »King’s river« beschützt. In der Mitte des Thores liegt ein natürlicher Riegel, nämlich eine Insel, welche von einer Sandbank gebildet, gerade mitten in dem Strom liegt und so einen Wirbel verursacht, der es bei rauhem Wetter unmöglich macht, hier einzufahren. Einmal am Thor vorüber erblickt der Deportierte, welcher auf dem Deck des einfahrenden Schiffes angekettet ist, vor sich den kahlen Gipfel von Frenchmans Kap, welcher die feuchte Luft in der Höhe von fünf tausend Fuß durchbricht, während die schwarzen Ufer, noch mehr verdüstert durch die überhängenden Felsen und die ungeheuren Wälder, sich an der Mündung des Gordon immer mehr verengen.
Der schäumende Strom hat eine tiefblaue Farbe und wird genährt durch viele kleine Zuflüsse, die sich alle ihren Weg durch faulende, vegetabilische Massen suchen und dadurch wird das Wasser nicht nur untrinkbar, sondern tödtet sogar die Fische, welche von der See bei stürmischem Wetter hineingetrieben werden. Wie man sich denken kann, haben die wüthenden Stürme, denen diese Wüste ausgesetzt ist, eine starke Brandungslinie gebildet. Wenn der Nordwestwind einige Tage geweht hat, so ist das Wasser des Gordon zwölf Meilen weit aufwärts noch salzig. Das Hauptquartier her Ansiedlung lag auf einer Insel, unweit der Mündung dieses ungastlichen Flusses, genannt Sara-Insel. Obgleich jetzt der ganze Platz verlassen ist und einige wenige Pfähle und Pfosten nur noch als stumme Zeugen vorhanden sind von Scenen der Todesqualen, die hoffentlich nie sich erneuern werden, so waren die Gebäude im Jahre 1833 doch sehr zahlreich und ausgedehnt. Auf Philipps Island an der Nordseite des Hafens, lag eine kleine Meierei, auf der Gemüse für die Offiziere der Ansiedlung gezogen wurden und auf Sara-Island waren Sägemühlen, Schmieden, Werfte, Gefängnis, Wachthaus, Barracken und der Hafendamm. Die militairische Gewalt bestand aus sechzig Mann, welche mit den Aufsehern und den Constablern zusammen mehr als dreihundertfünfzig Gefangene bewachten. Diese Elenden, welche jeder Hoffnung beraubt waren, wurden zu der niedriger Arbeit gebraucht. Kein Lastthier wurde in der Ansiedlung gebraucht; Alles wurde von Menschen gezogen und geschleppt. Ungefähr hundert Mann, die sich durch gutes Betragen ausgezeichnet hatten, durften die leichtere Arbeit verrichten, Holz nach der Werft bringen und beim Schiffbau helfen. Die Uebrigen fällten die Bäume, welche das Festland begrenzten und brachten dieselben auf ihren Schultern bis an die Küste. Die Dichtigkeit des Buschwerks und der Sträucher machte es nothwendig, daß ein Weg gebaut wurde, ungefähr eine Viertel Meile lang. Die Stämme der Bäume von Aesten und Zweigen befreit, wurden neben einander gerollt und dann wurde eine Schleife gebaut, um die schweren Stämme bis um Hafen zu bringen. Das Holz, das man so aufsammelte, wurde zu Flößen verbunden, in die Schuppen geschafft oder zum Transport nach Hobart Town zugerüstet. Die Deportierten wohnten auf er Sara-Insel in Barracken, die an ein zweistöckiges Gefängnis stießen, dessen Zellen der Schrecken selbst der verhärtesten Bösewichter war. Jeden Morgen erhielten sie zum Frühstück Mehlsuppe, Wasser und Salz. Dann wurden sie unter Bewachung auf die Holzfäll-Stationen gebracht, wo sie ohne Nahrung bis zum Abend arbeiteten. Das Fällen und Behauen der Bäume zwang sie, oft bis unter die Arme im Wasser stehend zu arbeiten. Manche von ihnen waren mit schweren Ketten belastet. Wenn sie starben, wurden sie auf einem kleinen Platz begraben, der Halliday Insel hieß, nach dem ersten Mann, der dort begraben war. Ein Brett mit den Anfangsbuchstaben ihrer Namen versehen, wurde in die Erde gesteckt und das war Alles, was an sie noch erinnerte.
Die Sara-Insel im Südostwinkel des Hafens gelegen, ist lang und niedrig.
Das Haus des Kommandanten lag in der Mitte. Das Haus des Pfarrers und die Baracken lagen zwischen der Kommandantur und dem Gefängnis. Das Hospital lag auf der Westküste und in einer Linie damit standen die beiden Zuchthäuser.
Reihen von hohen Palisaden umgaben die Ansiedlung und gaben ihr fast das Ansehen einer befestigten Stadt. Die Palisaden waren gebaut, um vor der Wuth des Sturmes ein wenig zu schützen, der durch die lange, enge Bay wie durch das Schlüsselloch einer Thür pfeifend, in früherer Zeit oft Dächer abgedeckt und Brotschuppen zerstört hatte. Die kleine Stadt war so zu sagen im Kampf mit der Natur gebaut, – auf der äußersten Grenze der Civilisation und die Bewohner lebten in fortdauerndem Kriege mit Wind und Wellen.
Aber das Gefängnis von Sara-Island war nicht das Einzige in dieser Region.
In einer kleinen Entfernung von dem Festlande ist ein Felsen, über dessen Westseite bei rauhem Wetter die Wogen sich brechen.
Am Abend des dritten December 1833, als die Sonne hinter den Baumspitzen auf der linken Seite des Hafens sank, erschien ein Mann auf der Spitze dieses Felsens. Er war in die grobe Kleidung der Deportierten gehüllt und trug an seinen beiden Knöcheln zwei Eisenringe, durch die eine kurze schwere Kette lief. An der Mitte der Kette war ein lederner Riemen befestigt, der sich theilend um seine Taille befestigt war und vermittelst dessen er die Kette so hoch ziehen konnte, daß er nicht beim Gehen darüber stolperte. Sein Kopf war bloß und sein grobes, blaugestreiftes Hemde am Halse offen, zeigte seinen braunen, muskulösen Nacken. Aus einer Art von Zelle oder Höhle heraustretend welche Natur oder Kunst an der Seite der Klippe gebildet hatte, legte er auf ein schwaches Feuer, das zwischen zwei Felsstücken brannte, ein kleines Stück Holz auf und dann brachte er aus seiner Höhle einen eisernen Topf, der anscheinend Wasser enthielt und mit seinen harten, verarbeiteten Händen stellte er ihn in die Asche oder setzte ihn auf das brennende Scheit. Augenscheinlich war die Höhle zugleich sein Vorrathshaus und seine Speisekammer und die beiden Felsstücke waren seine Küche.
Nachdem er so seine Vorbereitungen zu einem Mahle getroffen, stieg er einen Pfad hinauf, der zu dem höchsten Punkte des Felsens führte. Seine Fesseln gestatteten ihm nur kurze Schritte und wenn er ging, so zuckte er schmerzlich zusammen. Wahrscheinlich schnitten die Ringe in seine Beine ein. Bei genauerer Prüfung konnte man auch sehen, daß ein Tuch oder ein Lappen zwischen den Ring und den Knöchel gesteckt war, als ob ihn der Ring schon wund gerieben hatte. Mühsam und langsam erreichte er sein Ziel und sich niederwerfend blickte er um sich. Der Nachmittag war stürmisch gewesen und die Strahlen der untergehenden Sonne fielen roth auf die bewegten, schäumenden Wellen der Bai. Zur Rechten lag Sara-Island, zur Linken das schwarze Ufer der jenseitigen Küste und die hohe Spitze von Frenchman’s Kap. Ueber den kahlen Hügeln des Ostens hingen noch die dunkeln Wolken des letzten Sturmes. Unter ihm war das einzige Zeichen von Leben zu bemerken. Eine Brigg wurde in den Hafen hineingezogen von zwei Booten, die mit Deportierten bemannt waren.
Der Anblick der Brigg schien in dem Einsamen auf dem Felsen eine ganze Kette von Erinnerungen wach zu rufen. Er stützte sein Kinn in die Hand und blickte stark auf das hereinkommende Schiff, tief in Gedanken versunken. Mehr als eine Stunde verging, er bewegte sich nicht. Das Schiff ging vor Anker, die Boote verließen es, die Sonne sank und die Bai tauchte in nächtliche Dunkelheit. Lichter fingen längs der Küste an zu blinken. Das kleine Feuer ging aus und das Wasser im eisernen Topf wurde kalt; doch der Wachende auf dem Felsen bewegte sich nicht. Seine Augen starrten in die Finsterniß und seine Blicke verließen das Schiff nicht. Er lag neben dem kahlen Felsen seines einsamen Gefängnisses ebenso bewegunslos wie der Felsen selbst, auf dem er sich ausgestreckt hatte.
Dieser Mann war Rufus Dawes.