Читать книгу Deportiert auf Lebenszeit - Marcus Andrew Hislop Clarke - Страница 18
Buch 2
Fünftes Capitel.
Miß Sylvia
Оглавление»Nun,« sagte Frere, als sie hinein gingen, »Sie werden bald fort sein. Sie können Alles bis Ende des Monats zur Abreise bereit haben und ich will dann Mrs. Vickers begleiten.«
»Was sprechen Sie da von mir?« fragte die eifrige Mrs. Vickers von innen. »Sie sind recht böse Menschen, daß Sie mich so lange allein gelassen!«
»Mr. Frere ist so gütig gewesen, uns anzubieten, daß er Dich und Sylvia im Osprey mitnehmen will. Ich muß natürlich mit dem Ladybird gehen.«
»Sie sind sehr gütig, Mr. Frere, wirklich sehr gütig,« sagte Mrs. Vickers, sich an die kleine Courmacherei vor sechs Jahren erinnernd und im Gedanken daran erröthend. »Es ist wirklich äußerst liebenswürdig. Wird es nicht hübsch sein, Sylvia, wenn Du mit Mama und Mr. Frere nach Hobart Town gehen kannst?«
»Bitte, Mr. Frere,« sagte Sylvia, aus einer Ecke des Zimmers hervorkommend. »Es thut mir sehr leid, daß ich das gesagt habe. Bitte, vergeben Sie mir.«
Sie sagte das in so steifer, altväterischer Weise, wie sie so vor ihm stand, – die goldnen Haare über die Schultern hängend und ihre Hände über ihrer schwarz seidenen Schürze gefaltet, (Julia Vickers hatte ihre besondere Art, ihre Tochter zu kleiden,) daß Frere versucht war, wieder zu lachen.
»Natürlich will ich Ihnen vergeben, mein Kind,« sagte er. »Sie meinten es wohl nicht so schlimm?«
»O ja, ich meinte es wirklich so, deshalb thut es mir so leid. Ich bin zuweilen sehr unartig, obgleich Sie das vielleicht gar nicht glauben, (dies sagte sie im Bewußtsein ihrer Schönheit) besonders bei der Römischen Geschichte. Ich halte die Römer für lange nicht so tapfer wie die Karthager. Was meinen Sie, Mr. Frere?«
Maurice, etwas beunruhigt durch diese Frage, sagte nur: »Warum nicht?«
»Nun, ich mag sie nicht halb so gern,« sagte Sylvia mit weiblicher Verachtung aller Gründe. »Sie hatten immer so viele Soldaten, wenn auch die Andern so sehr grausam waren, wenn sie siegten.«
»Waren sie das?« fragte Frere.
»Waren sie das? Mein Gott, ja! Haben sie nicht dem armen Regulus die Augenlider abgeschnitten und haben ihn dann in einem Faß mit Nägeln herum gerollt? Wie nennen Sie das, das möchte ich wissen?«
Mr. Frere, sein rothes Haupt schüttelnd und eine ausgebreitete Kenntnis des Alterthums heuchelnd meinte nur, daß das allerdings nicht hübsch von den Karthagern gewesen sei.
»Sie sind sehr gelehrt, Miß Silvia,« bemerkte er und fühlte, daß dies selbstbewußte Mädchen ihn sehr bald ausgeforscht haben würde.
»Lesen Sie gern?«
»Sehr gern.«
»Was für Bücher lesen Sie?«
»O, eine Menge! »Paul und Virginia« »Das verlorene Paradies« »Shakspeares Schauspiele,« »Robinson Crusoe« »Blairs Predigten«, »Den Tasmania Kalender« und »das Buch der Schönheiten« und »Tom Jones.«
»Eine etwas gemischte Sammlung, fürchte ich,« sagte s Mrs. Vickers mit schwachem Lächeln. Sie machte sich aus; allen diesen Dingen nichts. »Aber unsre Bibliothek ist sehr beschränkt und ich bin kein großer Leser. John, Mr. Frere trinkt gewiß noch ein Glas Brandy und Wasser. O, lassen Sie nur, ich bin eines Soldaten Frau. Sylvia, sage Mr. Frere gute Nacht und gehe zu Bett.«
»Gute Nacht, Fräulein Sylvia, wollen Sie mir einen Kuß geben?«
»Nein.«
»Silvia, sei nicht unhöflich.«
»Ich bin nicht unhöflich,« rief Silvia noch ärgerlich über die Gleichgültigkeit, mit der ihre literarischen Mitheilungen aufgenommen worden. »Er ist unhöflich. Ich will Sie nicht küssen. Sie küssen, das fehlte noch!«
»Willst Du nicht, Du kleine Schönheit,« rief Frere, plötzlich vorspringend und seinen Arm um das Kind schlingend. »Dann muß ich Dich küssen!«
Zu ihrem größten Erstaunen war Miß Silvia in seinen Armen und wurde gegen ihren Willen geküßt. Sie wurde dunkelroth und ihre kleine Faust aufhebend, schlug sie ihn mit aller Kraft auf die Backe.
Der Schlag war so plötzlich und der augenblickliche Schmerz so groß daß Maurice in seiner natürlichen Rohheit einen derben Fluch ausstieß.
»Liebe Sylvia,« rief Vickers vorwurfsvoll.
Aber Frere lachte, faßte beide Hände des Kindes in eine der Seinen und küßte sie wieder und wieder trotz ihres Sträubens. »Da,« sagte er mit einer Art von kindischem Triumph »Du hast nichts dadurch erreicht, – siehst Du?«
Vickers stand auf, sehr ungehalten, was deutlich in seinem Gesicht zu lesen war und zog das Kind fort und als er das that, machte sie, schluchzend vor Wuth und ganz athemlos ihre Hand los und in einem Anfall kindischer Leidenschaft schlug sie ihren Quäler wieder und wieder.
»Mann,« schrie sie mit blitzenden Augen, »lassen Sie mich gehen. Ich hasse Sie, ich hasse Sie!«
»Das thut mir sehr leid, Frere,« sagte Vickers, als die Thür hinter ihr geschlossen war. »Ich hoffe, sie hat Ihnen nicht weh gethan.«
»Nein, nein, ich mag solche Wuth. So sind die Weiber auf der ganzen Welt. Man muß ihnen nur zeigen, daß man ihr Herr ist.«
Vickers änderte schnell den Gegenstand der Unterhaltung und unter allen Erinnerungen und Plänen für die Zukunft war bald der kleine Vorfall vergessen. Aber als Frere eine Stunde später über den Gang ging, der zu seinem Zimmer führte wurde er von einer kleinen Gestalt aufgehalten, die in ein großes Shawl gewickelt war. Es war sein kindlicher Feind.
»Ich habe auf Sie gewartet, Mr. Frere,« sagte sie. »Ich bitte sie um Verzeihung. Ich hätte Sie nicht schlagen sollen, ich bin ein schlechtes Mädchen. Sagen Sie nicht nein, denn es ist so und wenn ich nicht besser werde, kann ich nie in den Himmel kommen.«
Indem sie sprach, nahm sie ein Papier heraus, wie ein Brief zusammen gefaltet und übergab es ihm.
»Was ist das?« fragte er ganz bestürzt. »Geh zu Bett, Kind, du wirst Dich erkälten.«
Es ist eine geschriebene Entschuldigung und ich erkälte mich nicht, denn ich habe meine Strümpfe an. »Wenn Sie es nicht annehmen,« fügte sie hinzu und zog ihre Brauen ein wenig zusammen, »ist es nicht mein Fehler. Ich habe Sie geschlagen, aber ich bitte um Verzeihung. Da ich eine Frau bin, kann ich keine andre Genugthuung geben.«
Mr. Frere unterdrückte den Wunsch in lautes Gelächter auszubrechen und machte seinem höflichen Gegner eine tiefe Verbeugung.
»Ich nehme ihre Entschuldigung an, Miß Sylvia,« sagte er.
»Dann,« sagte Sylvia sehr förmlich, »habe ich also nichts mehr zu sagen und ich habe die Ehre, Ihnen gute Nacht zu wünschen, mein Herr.«
Sie zog ihr Shawl fester um ihre Schultern und ging mit solcher Würde und Ruhe den Gang hinab als ob sie Amadis von Gallien selbst gewesen wäre.
Frere eilte auf sein Zimmer, fast erstickt von Lachen, öffnete das Papier beim Licht seiner Talgkerze und las in steifer, kindischer Schrift geschrieben Folgendes:
»Mein Herr, ich habe Sie geschlagen. Ich bitte schriftlich um Verzeihung.
Ihre ergebene und dienstfertige Dienerin
Sylvia Vickers.«
»Aus welchem Buch mag sie das abgeschrieben haben?« sagte er. »Bei meiner Seele, sie muß ein wenig verdreht sein. Es ist ein sonderbares Leben für ein Kind hier. Das ist gewiß.«