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Buch 2
Sechstes Capitel.
Ein Sprung im Dunklen

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Zwei oder drei Tage nach der Ankunft des Ladybird bemerkte der Gefangene auf dem Grummet Felsen ungewohnte Bewegung längs der Küste der Insel. Die Gefangenenboote, welche jeden Morgen bei Sonnenaufgang unterhalb der gezimmerten Ladebrücken auf die andre Seite des Hafens gebracht waren, waren gar nicht zu sehen. Der Bau einer Art von Landungsbrücke, welche von dem westlichen Punkt nach der Ansiedlung hin führte, wurde unterbrochen und alle Hände schienen mit dem neu gebauten Osprey, der noch auf Land lag, beschäftigt zu sein. Abtheilungen von Soldaten kamen täglich von dem Ladybird und halfen bei der geheimnißvollen Arbeit. Rufus Dawes, er täglich seine kleine Runde machte, zerbrach sich den Kopf, was wohl diese ungewöhnliche Bewegung bedeute. Unglücklicher Weise kam Niemand in seine Nähe, um ihn aufzuklären.

Ungefähr vierzehn Tage später, etwa am 15. Dezember bemerkte er eine andre sonderbare Thatsache. Alle Boote der Insel gingen eines Morgens nach der andern Seite des Hafens hinüber und im Laufe des Tages erhob sich ein furchtbarer Rauch längs der Hügel. Am nächsten Tage wiederholte sich dieselbe geheimnisvolle Sache und am vierten Tage kehrten die Boote zurück und schleppten hinter sich etwas her, das wie ein ungeheures Floß aussah. Dieses Floß wurde an der Seite des Ladybird befestigt und war, wie er bald sah, aus Planken, Bäumen, Stangen u.s.w. zusammengesetzt, die alle an Bord gehißt und in der Brigg weggesteuert wurden.

Dies gab Rufus Dawes viel zu denken. Wahrscheinlich gab man das Holzfällen auf und die Regierung hatte etwas Anderes ausfindig gemacht, um die Arbeit der Deportierten auszunützen. – Er hatte schon Bäume gefällt, Boote gebaut, Felle gegerbt und Schuhe gemacht. War es möglich, daß er jetzt wieder ein andres Handwerk lernen sollte? Ehe er noch über diesen Punkt mit sich in’s Reine kommen konnte, setzte ihn schon wieder eine neue Bootfahrt in Erstaunen. Drei Boote gingen die Bai hinab und kamen, nachdem sie einen Tag fortgeblieben, mit zahlreicher Bemannung zurück, brachten vier Fremde, eine Menge Vorräthe und Ackergeräthe mit. Da Rufus Dawes diese sah, schloß er, daß die Boote nach Philips Island, wo der Garten sich befand, gewesen waren und die Gärtner und Gartenprodukte abgeholt hatten. Rufus Dawes entschied, daß der Ladybird einen neuen Kommandanten gebracht hatte, Seine Augen, die durch das halb wilde Leben unendlich geschärft waren, hatten schon Mr. Maurice Frere erkannt und nun glaubte er zu verstehen, daß alle diese Veränderungen mit zu den Neuerungen gehörten. Als er mit seinen Folgerungen so weit gekommen, ging er auch noch weiter und kam zu einem Schluß, der, wenn die Voraussetzung richtig, auch natürlicher Weise sich ergeben mußte.

Leutnant Frere wird ein viel strengerer Kammandant sein, als Major Vickers.

Nun hatte die Strenge, was ihn selbst anbetraf, schon das allerhöchste Maß erreicht und der Unglückliche faßte den Entschluß sich das Leben zu nehmen.

Ehe wir gegen die Sünde solchen Entschlusses angehen, wollen wir auseinander zu setzen versuchen, was der Sünder gelitten haben muß während der letzten sechs Jahre.

Wir haben schon eine schwache Vorstellung bekommen von dem Leben auf einem Deportiertenschiffe und wir haben gesehen, durch welch’ ein Fegefeuer Rufus Dawes schon gegangen war, ehe er noch einen Fuß auf die andern Felsen des Höllemthors gesetzt hatte. Doch um die volle Pein seiner Qualen zu verstehen, müssen wir das Grauen des Zwischendecklebens auf dem Malabar noch steigern. In jenem Gefängnis war wenigstens noch ein Lichtstrahl. Alle waren doch nicht verabscheuenswerth; Alle waren doch nicht der Scham und der Menschlichkeit ledig. So drückend auch die Gefängnisluft, so niederträchtig die Gesellschaft, so traurig die Erinnerung an vergangenes Glück, – so lebte man doch in Unwissenheit der Zukunft, – in der Hoffnung.

Aber hier in Macquarie Harbour mußten die Hefen des Bechers aller Leiden getrunken werden. Dies war das Schlimmste und dies Schlimmste blieb für immer, unverändert. Der Abgrund dieser Qualen war so tief, daß man den Himmel nicht mehr erblicken konnte. Keine Hoffnung so lange das Leben überhaupt dauerte. Der Tod allein hielt die Schlüssel zu diesem Gefängniseilande in Verwahrung. Kann man sich überhaupt nur eine Vorstellung davon machen, was ein unschuldiger Mann voller Ehrgeiz und Widerwillen gegen alles Gemeine, voll Sehnsucht nach Liebe und Achtung während einer einzigen Woche solchen Lebens erduldet haben muß? Wir gewöhnlichen Menschenkinder, die wir ein gewöhnliches Leben führen, die wir gehen, reiten, lachen, heirathen und verheirathet werden, können das Elend eines solchen Daseins nicht fassen. Vielleicht haben wir eine schwache Idee davon wie süß Freiheit ist und wie scheußlich die schlechteste Gesellschaft, – aber das ist auch Alles. Wir wissen, daß wenn wir mit Ketten beladen und erniedrigt wären, gefüttert wie Hunde, gebraucht als Lastthiere, mit Flüchen und Schlägen zu unsrer täglichen Arbeit getrieben; – wenn wir mit Elenden zusammen leben müßten, unter denen Alles was nach Anstand oder Menschlichkeit aussah, nur verspottet oder verhöhnt wurde, – dann würden wir – ja – was? Wahnsinnig werden oder sterben! Aber wir wissen nicht und können nicht wissen, wie unaussprechlich abschreckend das Leben für Jemand werden muß, der es mit Wesen zu theilen hat, wie diejenigen waren, welche die Baumstämme nach den Ufern des Gordon schleppten oder fluchend und Gott lästernd ihre Ketten in den trostlosen Sandgruben von Sara Island hinschleppten. Kein menschliches Wesen kann ermessen, zu welcher persönlichen Erniedrigung, zu welchem Abscheu vor sich selbst eine Woche dieses Lebens es bringen würde. Selbst, wenn der Mann die Kraft hätte, dies zu schildern, – er würde es nicht wagen. Wie Jemand, der in einer Wüste nach einem menschlichen Antlitz ausschaut und auf einen Blutpfuhl stoßend, sein eigenes Gesicht darin abgespiegelt sieht – entflieht, so würde auch Jeder die Schilderung seiner eigenen Todesqualen fliehen., Und nun denke man sich, daß diese Qualen schon sechs Jahre dauerten! Unbekannt damit, daß die Zeichen und Töne unter ihm die Symptome der gänzlichen Auflösung der Ansiedlungwaren und daß der Ladybird gekommen war, um die Gefangenen abzuholen, beschloß Rufus Dawes die Last des Lebens von sich zu werfen, welche so schwer auf ihm ruhte. Sechs Jahre lang hatte er Holz gehauen und Wasser getragen; sechs Jahre lang hatte er gehofft wider alle Hoffnung und sechs Jahre lang hatte er im Thal der Todesschatten gelebt. Er wagte sich nicht alle Leiden zurückzurufen, die er durchgemacht. Seine Sinne waren abgestumpft und getödtet durch alle diese Qualen. Er dachte nur noch an Eins: daß er gefangen war, – lebenslänglich gefangen! Sein erster Traum von Freiheit war vergeblich gewesen. Er hatte sein Bestes gethan, um sich durch gutes Betragen, Urlaub zu erwerben, aber die Schurkerei von Vetch und Rex hatte ihn der Frucht aller seiner Anstrengungen beraubt. Statt sich Lob zu erwerben dadurch, daß er die Verschwörung auf dem Malabar zur Anzeige brachte, wurde er selbst für schuldig gehalten und trotz aller seiner Betheurungen verurtheilt. Seine »Verrätherei«, wie seine Gefährten es nannten, brachte ihm nichts ein bei den Vorgesetzten, wohl aber haßten und verachteten ihn nun die Ungeheuer, unter denen er lebte. Bei seiner Ankunft am Höllenthor war er ein Gezeichneter, ein Ausgestoßener unter den Ausgestoßenen, 1 ein Paria unter denen, welche in der ganzen Welt als Parias da standen.

Drei Mal wurden Angriffe auf sein Leben gemacht, aber damals war er noch seines Lebens nicht ganz müde und vertheidigte es. Diese Vertheidigung wurde von einem Aufseher als Ruhestörung angezeigt und die Ketten, die ihm schon abgenommen waren, wurden ihm wieder angelegt. Seine Stärke, diese rohe Eigenschaft, die ihm allein nützte, verschaffte ihm jetzt Achtung und man ließ ihn in Frieden. Niemand sprach mit ihm. Zuerst war ihm diese Behandlung sehr genehm, aber nach und nach ärgerte sie ihn, dann schmerzte es ihn und zuletzt wurde es ihm ganz unerträglich.

Wenn er am Ruder saß, oder wenn er bis Brust im Schlamm arbeitete, oder fast erlag unter seiner Holzlast, schaute er begierig nach einem Vorwande um, mit Jemand zu reden. Er nahm die doppelte Last auf sich, wenn er ein Glied dieser Menschenraupe bildete, auf deren Rücken ein Baum fortgeschleppt wurde, wenn er nur ein Wort von einem Kameraden hörte. Er arbeitete das Doppelte für ein freundliches Wort. In seiner entsetzlichen Verlassenheit schmachtete er nach der Freundschaft von Räubern und Mördern. Dann kam der Rückschlag und er haßte selbst den Ton ihrer Stimmen. Er sprach nicht und weigerte sich selbst zu antworten. Er aß sogar sein ärmliches Abendbrot allein, wenn die Kette es ihm gestattete. Er kam in den Ruf eines finsteren, gefährlichen, halbverrückten Burschen. Kapitain Bartow, der Oberaufseher hatte Mitleiden mit ihm; und machte ihn zu seinem Gärtner. Er nahm dies an, aber nach etwa einer Woche, als Bartow des Morgens herab kam, fand er alle Sträucher ausgerissen, die Beete zertreten und Rufus Dawes mitten unter den zerbrochenen Gartengeräthen sitzend. Für diese rohe That wurde er gepeitscht. Sein Benehmen auf dem Triangel war sonderbar. Er weinte und flehte, man möge ihn loslassen, fiel dann vor Bartow auf die Knie und bat um Verzeihung. Bartow wollte nichts hören und der Gefangene wurde still. Von der Zeit an, wurde er düsterer denn je, und zuweilen bemerkte man, daß er, wenn er allein war, sich auf die Erde, warf und weinte wie ein Kind. Allgemein glaubte man, daß sein Gehirn etwas gelitten.

Als Vickers kam, bat Dawes um eine Unterredung und flehte, man möge ihn nach Hobart Town zurücksenden. Dies wurde ihm natürlich abgeschlagen, aber er wurde zur Arbeit auf dem Osprey kommandiert. Nachdem er einige Zeit dort gearbeitet und man ihm die Eisen abgenommen hatte, verbarg er sich eines Abends auf dem Schiff und schwamm quer durch den Hafen. Er wurde verfolgt, gefaßt und gepeitscht. Nun fing für ihn die ganze Runde der Strafen an. Er brannte Kalk, zog Balken und ruderte. Die schwerste und niedrigste Arbeit wurde ihm immer aufgebürdet. Vermieden und gehaßt von seinen Gefährten, gefürchtet von den Gefangenenwärtern und mit Unfreundlichkeit von den Vorgesetzten angesehen war Rufus Dawes jetzt völlig in den Abgrund des Elends gesunken, in den er sich theilweise allerdings freiwillig geworfen hatte. Von seinen eigenen Gedanken fast zur Verzweiflung getrieben hatte er sich mit Gabbett und den drei andern Unglücklichen vereinigt, – um zu entfliehen, aber wie Vickers gesagt, war er sogleich wieder gefangen worden. Die schweren Eisen, welche er trug, hatten ihn lahm gemacht und obgleich Gabbett, aus Gründen, die sich später erklären werden, eifrig darauf bestanden, er könne weiter kommen, so fiel der Aermste doch nach den ersten hundert Schritten des schrecklichen Wettrennens und wurde von zwei Freiwilligen ergriffen, ehe er sich noch wieder erheben konnte. Seine Ergreifung gab den Anderen die kurze Freiheit, denn Troke, der mit einem Gefangenen zufrieden war gab die Verfolgung auf dem ziemlich beschwerlichen und selbst gefahrvollen Boden auf und brachte im Triumph Dawes nach der Niederlassung zurück. Er brachte ihn gleichsam als Friedensboten zurück, damit die Nachlässigkeit in der Beaufsichtigung der Entflohenen nicht zu scharf bemerkt würde. Dieses wahnsinnigen Unternehmens wegen war der Deportierte nun zu der einsamen Haft auf dem Grummetfelsen verurtheilt.

In dieser fürchterlichen Einsamkeit war sein Geist, der fortwährend über seinem furchtbaren Schicksal brütete, fast gestört. Er sah Gesichter und träumte wachend. Er lag Stunden lang bewegunslos da und starrte in die Sonne oder in die See. Er sprach mit eingebildeten Wesen. Er lebte die Scene mit seiner Mutter wieder durch. Er redete die Felsen an und rief die Steine als Zeugen auf, daß er unschuldig geopfert. Die Schatten seiner früheren Freunde umgaben ihn und oft hielt er sein gegenwärtiges Leben nur für einen Traum. Aber, wenn er erwachte, befahl ihm stets eine Stimme, in die Wogen zu springen, welche an den Wänden des Felsens sich brachen und diese traurigen Träume für immer aufzugeben.

Mitten in dieser Erstarrung seines Körpers und seiner Seele weckten die sonderbaren Ereignisse längs der Küste der Ansiedlung in ihm einen noch wilderen Haß gegen das Leben. Er sah darin etwas Unverständliches und Unbegreifliches und schloß nur daraus, daß sein Elend wahrscheinlich noch größer werden würde. Hatte er gewußt, daß der Ladybird sich seefertig machte und daß schon der Befehl gegeben, ihn abzuholen, um ihn mit den Andern nach Hobart Town einzuschiffen, er hätte wohl mit der Ausführung seines Entschlusses gezögert, – aber er wußte nichts, als daß die Lebenslast nachgerade unerträglich geworden und daß die Zeit gekommen, wo er diese Last von sich werfen müsse.

Inzwischen war die ganze Niederlassung in großer Aufregung. In weniger als drei Wochen von der ersten Ankündigung an, war Alles zur Abreise in Bereitschaft gesetzt worden. Der Kommandant hatte mit Frere Alles endgültig festgesetzt. Er selbst wollte die Ladybird mit dem Haupttheil der Gefangenen übernehmen. Seine Frau und Tochter sollten zurückbleiben, bis der Osprey segelte, den Frere, sobald er Alles Zurückgelassene zerstört hatte führte.

»Ich will Ihnen eine Korporalswache und zehn Gefangene zurücklassen,« sagte Vickers.

»Sie können ihn mit solcher Zahl leicht regieren.« Worauf Frere, Mrs. Vickers einen lächelnden Blick zuwerfend, erwiderte, daß er, wenn es nothwendig wäre, auch mit fünf Gefangenen genug habe, denn er wisse, wie man die faulen Kerls zur Arbeit anhielte.

Unter den Vorfällen, welche sich während des Aufbruchs ereigneten, ist Einer, der nothwendig berichtet werden muß. Nahe Philips Island, auf der Nordseite des Hafens, liegt Coal Head, wo eine Abtheilung in der letzten Zeit gearbeitet hatte. Diese Abtheilung, welche von Vickers eiligst zurückgerufen war, um bei dem Werk der Zerstörung zu helfen, hatte Holz und Werkzeuge dort zurückgelassen und in der elften Stunde wurde noch ein Boot abgelassen, um diese Reste abzuholen. Die Werkzeuge wurden sorgfältig gesammelt und die Stämme, deren Jeder in Hobart Town fünfundzwanzig Schillinge werth war, zusammengekettet um als Floß eingeschifft zu werden. Die Deportierten ruderten Abends dem Osprey zu, das Floß hinter sich herziehend. Nun er ab es sich, daß in der allgemeinen Unruhe und Eile das Floß nicht gehörig befestigt war, so daß, als der starke Strom dagegen trieb, die Nachlässigkeit der Arbeit sich bestrafte. Die Männer lösten sich und obgleich die Bewegung des Bootes nach vorwärts die Ketten noch stramm hielt, so theilte sich doch die Masse etwas und in dem Augenblick als Troke an der Seite der Ladybird anlegte, sah er, wie ein ungeheurer Stamm sich von den Andern löste und in der Dunkelheit verschwand. Mit ärgerlichem Blick sah er ihm nach, als ob es ein widerspänstiger Gefangener gewesen, dem er nun gern zwei Tage einsame Haft gegeben hätte. Da glaubte er einen Schrei zu hören, der aus der Richtung des verschwundenen Stammes kam. Aber er war viel zu beschäftigt, das übrige Holz zu retten und zu verhindern, daß es dem Boote schaden brächte, als daß er darauf achten konnte.

Den Schrei hatte Rufus Dawes ausgestoßen. Von seinem einsamen Felsen aus hatte er gesehen, wie das Boot der Ladybird zusteuerte und er hatte mit kindischer Wunderlichten, die oft in solchen Augenblicken den Menschen erfaßt, beschlossen, daß wenn das Boot gänzlich für ihn in der Dunkelheit verschwände, er sich in die Tiefe stürzen wolle. Das schwer arbeitende Boot wurde undeutlich und immer undeutlicher, sowie die Ruderschläge es weiter führten. Nur die Gestalt von Troke auf der Hinterbank war noch sichtbar. Auch diese verschwand und als das Floß auf die nächste Welle gehoben, ebenfalls für ihn unsichtbar wurde, stürzte sich Rufus Dawes in die See. Schwer mit Ketten beladen, wie er war, sank er wie ein Stein. Er hatte beschlossen, nicht zu schwimmen und im ersten Augenblick hielt er seine Arme hoch über den Kopf, um schneller zu sinken. Aber als die kurze, scharfe Angst des Erschreckens ihn faßte, als der Schauer des eisig kalten Wassers den geistigen Nebel zerstreute, der ihn umfangen hielt, da griff er verzweifelt aus und gelangte, trotz des Gewichtes seiner Ketten schnell an die Oberfläche. Als das geschah, bemerkte er trotz der Verwirrung, in der er sich befand, daß eine ungeheure, schwarze Masse gerade auf ihn losschwamm. Einen Augenblick kämpfte er gegen den Strom, einen Moment versuchte er, dem Zusammenstoß zu entgehen, – dann fühlte er, daß das Gewicht an seinen Füßen ihn hinunter zog und daß der große Stamm ihn unfehlbar mit seinen rauhen, zerrissenen Seiten zerquetschen würde. Da verschwand in diesem höchsten Augenblick der Gefahr jeder Gedanke an Selbstmord und mit jenem schwachen Schrei, den Troke gehört hatte, breitete er die Arme aus, um sich an dem Ungethüm festzuhalten, das ihn sonst in den Tod stoßen würde.

Der Stamm ging ganz über ihm fort, ihn tief in das Wasser hinab drückend, aber seine Hand, an dem Holz entlang fahrend, griff in das Ende Tau, das noch an dem Stamme befestigt hing und er hielt sich mit Todesangst daran fest. Im nächsten Augenblick war sein Kopf wieder über dem Wasser und es gelang ihm, mit ungeheurer Anstrengung sich auf den Stamm zu schwingen. Einen Moment sah er in der Entfernung die hellen Fenster der Stern Kajüte in dem Schiff das vor Anker lag, dann verschwand der Grummet Felsen zu seiner Linken und erschöpft und athemlos schloß er die Augen. Der treibende Stamm führte ihn schnell und still in die tiefe Finsterniß hinaus.

* * *

Bei Tagesanbruch am nächsten Morgen, als Troke an dem Felsen des Gefangenen landete, fand er denselben verlassen. Die Mütze des Gefangenen lag am Strande der Klippe, aber der Gefangene selbst war verschwunden. Nach der Ladybird zurück rudernd, dachte der kluge Troke darüber nach, wie er dem Kapitain Vickers diese Nachricht überbringen sollte. Er erwähnte des sonderbaren Schrei’s, den er am Abend vorher gehört und sagte:

»Ich glaube, Sir, daß er sich durch Schwimmen hat retten wollen, aber er muß untergegangen sein, denn er hätte nicht fünf Ellen weit mit den Eisen schwimmen können.«

Vickers der sehr beschäftigt war, um auszulaufen, nahm diese anscheinend sehr natürliche Erklärung der Sache ohne Weiteres an. Der Gefangene hatte den Tod, entweder durch einen Unfall oder durch eigene Schuld gefunden. Es war entweder Selbstmord oder Fluchtversuch und das frühere Betragen des Rufus Dawes rechtfertigte die letztere Vermuthung durchaus. In jedem Falle war er todt. Wie Troke ganz richtig meinte, konnte Niemand mit den Ketten belastet, durch die Bai schwimmen und als die Ladybird eine Stunde später am Grummet Felsen vorüber kam, glaubten Alle an Bord, daß der Körper eines letzten Bewohners tief unter den Wellen läge, die seinen Fuß bespülten.

Deportiert auf Lebenszeit

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