Читать книгу Deportiert auf Lebenszeit - Marcus Andrew Hislop Clarke - Страница 14
Buch 2
Erstes Capitel.
Topographie von Van Diemens Land
ОглавлениеDie Südostküste von Van Diemens Land, von dem einsamen Mewstone bis zu den Basaltklippen von Tasman’s Head, von Tasman’s Head bis zu Cape-Pillar und von Cape-Pillar bis zu der zerrissenen, großartigen Küste der Piratenbai gleicht einem Zwieback, an dem die Mäuse genagt haben. Von der fortwährenden Bewegung des Meeres ausgespült, das immer von Osten nach Westen strömt, ist die Halbinsel von dem Festlande des australischen Continents abgerissen und das Meer hat mit Van Diemens Land das gethan, was es mit der Insel Wight gemacht, – die Küste ist vollständig eingeschnitten und gebrochen. Wenn man die Karte ansieht, so gleichen die phantastischen Formen der Inseln und der Vorgebirge, welche zwischen dem Südwestkap und dem größeren Swan-Port liegen, den sonderbaren Formen, die geschmolzenes Blei annimmt, wenn es in Wasser geworfen wird. Wenn der Vergleich nicht zu übertrieben wäre, so mochte man glauben, daß, als der australische Continent aus dem Schmelztiegel gegossen war, ein Riese den Schmelztiegel nahm und den Rest in die See goß und so Van Diemens Land entstand.
Die Küstenschifffahrt ist eben so gefährlich wie die des Mittelländischen Meeres. Wenn der Schiffer von Cap Bougainville nach dem Osten von Maria Island fährt, und zwischen die zahlreichen Felsen und Untiefen geräth, die zwischen den drei Höhen »Three Thumbs« liegen, so baut sich plötzlich Tasman’s Halbinsel vor ihm auf, die wie ein doppelter Ohrring von dem Festlande aus in die See hineinhängt. Wenn man um den Pillar Rock durch die Stormbay nach Storing Island fährt, so hat man das Italien dieses kleinen Adriatischen Meeres vor sich. Zwischen Hobart Town und Sorrell, Pittwater und dem Derwent, einer wunderlich geformten Landspitze, streckt sich der italienische Stiefel mit aufwärts gewandten Zehen in die Bai hinein. Ein enger Kanal, der diese Landzunge von dem Ausläufer trennt, ist mit Felsen wie besäet und bildet längs des Bruny Island’s zwischen dessen Westseite und den Klippen von Mount Royal die gefährliche Durchfahrt, welche unter dem Namen D’Encastreaux Kanal bekannt ist. An dem südlichen Eingang des D’Encastreaux Kanals liegt eine Reihe von Felsen unter dem Wasser, die unter dem allgemeinen Namen »Actaeon Riff« bekannt sind und die beweisen, daß Bruny Head einst mit der Küste der Recherche Bai verbunden war. Vom Südkap bis zu dem Eingang von Macquarie Harbour warnen die Brandungen der tief liegenden Felsen, oder auch die zerrissenen Spitzen der einzelnen Felsen, die ganz plötzlich mitten aus der See aufsteigen, den Schiffer, daß er sich von der Küste fern hält.
Es scheint, als ob die Natur, eifersüchtig auf die Schönheiten des silbernen Derwent, die Annäherung habe erschweren wollen. Ist man aber ein Mal durch den gefährlichen D’Encastreaux Kanal gelangt oder hat man die weniger gefährliche östliche Fahrt durch die Stormbay gemacht, so ist die Fahrt den Strom hinauf ganz köstlich. Von der tiefen Einsamkeit von Iron Port an bis zu den lachenden Ufern von New Norfolk hin, windet sich der Fluß fortwährend aufs Lieblichste, bis er sich wiederholt zwischen hohen, zerissenen Klippen verengt. Eine Linie vor der Quelle des Derwent nach Norden gezogen trifft einen andern Fluß, der sich nach dem nördlichen Zeit der Insel wendet gerade wie der Derwent nach Süden. Die Kraft der Wogen, welche wahrscheinlich den Isthmus zerstört hat, der vor zweitausend Jahren noch Van Diemens Land mit dem Continent von Australien verband, ist hier weniger stark gewesen. Die rollenden Wogen des Südmeeres, die an der Mündung des Tamar sich trafen, rollten über den Isthmus fort, den sie verschlangen und gegen die Südküste von Victoria drängend höhlten sie hier die Binnensee aus, welche Port Philipp Bai genannt wird. Wenn die Wogen die Südküste von Van Diemens Land ausgezackt haben, so haben sie ebenfalls ein Stück aus der Küste von Victoria gerissen. Die Bai gleicht einem Mühlenteich, mit einem Umfang von neun hundert Quadratmeilen und einem Ausfluß zwischen den »Heads«, der zwei Meilen breit ist.
Ungefähr ein hundert und siebzig Meilen südlich von diesen »Heads« liegt Van Diemens Land, fruchtbar schön und reich, bewässert von den fruchtbringenden Wolken, die sich um Frenchmans Kap, Wyld’s Cray oder um die hohen Spitzen von Mount Wellington und Dromedary zusammen ziehen. Kein glühend heißer Wind, die Qual auch der Gassenkehrer des Continents, dörrt das Korn und versengt die Ernten. Der kühle Südwind kräuselt sanft die Gewässer des Derwent und fächelt die Vorhänge in den offnen Fenstern der Stadt, die sich im breiten Schatten von Mount Wellington angesiedelt hat. Der heiße Wind, welcher in den glühenden Sandebenen des großen australischen Continents entsteht, weht über die verbrannten ausgedörrten Ebenen, um die Ströme aufzusaugen und das Gras zu versengen, bis er auf die Wogen der großen Südbai stößt. In seiner Wanderung über die Meerenge aber wird er seiner Gluth beraubt und sinkt zu den Füßen des bergansteigenden Launceston nieder.
Das Klima von Van Diemens Land ist eins der lieblichsten in der ganzen Welt.
Launceston ist warm geschützt und feucht und Hobart-Town, das durch Brany-Island und den Archipel vom D’Encastreaux Kanal und Storm-Bai vor den riesigen Wellen des Südmeeres geschützt ist, hat die mittlere Temperatur von Smyrna; der Distrikt aber zwischen diesen beiden Städten umfaßt eine Menge von schönen Thälern, durch welche klare, blitzende Ströme fließen. Aber an der Westküste von den Steeple Rocks von Kap Grim bis zu dem von dichtem Gebüschen umfaßten Sandy Kap und dem düstern Eingang von Macquarie Harbour ändert sich die Natur der ganzen Gegend. Längs der eisenfesten Küste, von Pyramid- Island und der tiefen Waldeinsamkeit von Rocky Point bis zu dem großen Ram Head und dem bewegten Hafen Port Davey ist Alles düster und trostlos. An dieser rauhen Küste vollenden die ungeheuren Wogen des Südmeeres ihren Umlauf um die Welt und der Sturm, der das Kap hier verwüstet hat und sich im östlichen Lauf mit den eisigen Winden vereinigt, die aus den unbekannte Breiten des Südpols nordwärts brausen, stürzt sich hier ungehindert auf die Huonfichtenwälder und wäscht mit strömendem Regen die Abhänge von Monat Direction.
Wüthende Orkane und plötzliche Windstöße erschrecken die Eingeborenen an dieser Küste. Die Schiffahrt ist gefährlich und die Hinfahrt in das »Höllenthor« von Macquarie Harbour, das zu der Zeit von der wir schreiben (1833) auf der Höhe seines schrecklichen Rufes als Deportierten-Ansiedlung stand, nur bei ruhigem Wetter möglich.
Die Rhede ist mit Wracks bezeichnet. Die unterseeischen Felsen tragen die Namen der Schiffe, die an ihnen gescheitert. Die Luft ist feucht und kühl, der Boden fruchtbar an hornigem Gebüsch und schädlichen Pflanzen, während die fauligen Dünste, die Sumpf und Moor aushauchen, dicht über dem schwammigen, nassen Boden hinziehen. Alles rings umher athmet Verlassenheit und auf dem Antlitze der Natur ruht ein ewiges Düster. Der schiffbrüchige Matrose, der mühsam auf die Basaltklippen sich rettet, oder der gefesselte Deportierte, der seinen Baumstumpf mit sich bis auf eine Höhe zieht, blicken nur hinab auf ein Meer von Nebel, aus dem einzelne Bergspitzen sich wie Inseln erheben, oder sie erblicken durch den beißenden Dunst nur eine Wüste von Buschwerk und Felsspitzen zu den Füßen von Mount Heemskirk und Mount Zeehan, die gleich zwei Schildwachen über die Seeküste Wache halten.