Читать книгу Haushaltsnahe Dienstleistungen für Familien - Mareike Bröcheler - Страница 14
Familienhaushalte
ОглавлениеIn der vorliegenden Arbeit steht mit den Familienhaushalten eine besondere Form privater Haushalte im Fokus, weshalb Familien und deren Haushalte hier zunächst ebenfalls zu beschreiben sind. Die heute oftmals proklamierte „Pluralisierung von Lebensformen“ beschreibt die quantitativen Veränderungen von Haushalts- und Lebensmodellen – ohne und mit Kind(ern). Bei den familialen Lebensformen (d. h. jenen mit Kindern) unterliegt die über weite Teile des 20. Jahrhunderts wahrgenommene Dominanz der ,,Normalfamilie“ (Kernfamilie aus Elternpaar mit biologischen Kindern, meist verheiratet) als Ergebnis von Trennungen, Scheidungen, Wiederverheiratung, steigenden Zahlen von Alleinerziehenden sowie unverheirateten Paaren oder gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften mit Kindern einem Bedeutungsverlust. Die Variabilität familialer Lebensformen spiegelt stets den soziokulturellen Kontext einer Gesellschaft wider und unterliegt natürlicherweise einem steten Wandel. So gab es auch in vorindustriellen Gesellschaften vielfältige Lebensformen, jedoch mit dem Unterschied einer geringeren gesellschaftlichen Anerkennung, etwa von unehelichen oder gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Veränderte rechtliche Rahmenbedingungen, wohlfahrtsstaatliche Neuerungen oder veränderte Wertvorstellungen, Lebensentwürfe und Lebensverläufe (bspw. Bildungsexpansion, Erwerbstätigkeit von Frauen und Müttern) bedingen und ermöglichen diese dynamischen Prozesse gleichermaßen (vgl. Meier 2000; Nave-Herz 2014; Nave-Herz 2015; Krack-Roberg, Rübenach, Sommer et al. 2016).
,,Familie ist da, wo Menschen kontinuierlich füreinander sorgen und Verantwortung übernehmen“ (Heinrich-Böll-Stiftung 2017: 9). Dieses familienpolitisch hinterlegte Verständnis von Familie bringt eine Annäherung an das familienwissenschaftliche Verständnis des Familienbegriffs. Demnach ist Familie in Folge eines Perspektivwechsels („practical turn“) nicht mehr als natürliche, gegebene Form sondern als Praktik13, d. h. als Ergebnis aktiver Herstellungsleistung, zu sehen (vgl. Jurczyk 2014; siehe Kapitel 2.2.2). Das Konzept der Familien- und Lebensformen im Mikrozensus definiert Familien als Eltern-Kind-Gemeinschaften, zu denen folglich gemischt- oder gleichgeschlechtliche Ehepaare ebenso wie nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kind(ern) zählen (vgl. Krack-Roberg, Rübenach, Sommer et al. 2016). Familien bilden – je nach Perspektive – zwar meistens, jedoch nicht zwangsläufig einen gemeinsamen Haushalt. Das Leben von Familien als soziales Netzwerk kann auch über Haushaltsgrenzen hinweg stattfinden, dies zunehmend auch über mehr als zwei Generationen hinweg. Beziehungen in multilokalen Mehrgenerationenfamilien, etwa zwischen Eltern und ihren erwachsenen, in eigenen Haushalten lebenden Kindern, sind auch überweitere Entfernungen emotional stabil und versprechen intergenerationelle Solidarität und Unterstützungspotenzial. In den letzten Jahrzehnten haben multilokale Familienbeziehungen zugenommen, sodass Alltag in Familien heute als soziales Netzwerk zu verstehen ist, aufgrund des Reziprozitätsprinzips funktioniert und Daseinsvorsorge sichern kann (vgl. Hennig 2014).
Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit sind Familienhaushalte, die aus zusammenwohnenden Eltern-Kind-Gemeinschaften bestehen. Im Sinne einer intergenerationellen Übernahme von Fürsorge sind für den familiären Alltag dabei häufig auch die Beziehungen zu weiteren Haushalten (vorrangig denen von Großeltern) entscheidend, wie im Laufe der Untersuchung deutlich werden wird (siehe Kapitel 8).