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Einkaufen oder beten
ОглавлениеWir haben das Thema alle Jahre, und wir haben es jedes Jahr noch schärfer: Der achte Dezember – soll man beten oder einkaufen? Kardinal Schönborn, der weise Mann, dessen Geist und Gefühl nicht nur in Gott, sondern auch in der himmelsnahen Seelen- und Berglandschaft des Montafons herangereift sind, hat sich gegen die Offenhaltung der Geschäfte an diesem Marien-Feiertag ausgesprochen. Man könne und solle nicht alles den Gesetzen der Marktwirtschaft unterwerfen, sagte er sinngemäß.
Das würde ja eines Tages dazu führen, dass unsere Herzen restlos verloren gehen in den trügerisch belichteten Einkaufspalästen. Den Marien-Feiertag am achten Dezember, den haben die Österreicher ja zum Zeichen und Dank der Freiheit gewählt. Da wäre es ein bitterer Erfolg, diese Freiheit dem Kaufzwang, dem Kaufrausch zu opfern. Das hört man in den Geschäften nicht gerne. Gewiss, man schätzt Schönborn, den hohen Mann Gottes, sehr, man kämpft aber auch mit wachsender Verzweiflung gegen die sogenannte Kaufkraft-Abwanderung. Das sind die Karawanen, die im Stau und Winternebel über die Grenzen ziehen, der Seligkeit nach, die Sonderangebot und Konsumglück heißt. Man versteht die Geschäftsleute sehr, wenn sie also offenhalten wollen, auf dass die Schäfchen, um nicht zu sagen die Konsum-Lemminge, nicht verloren gehen. Wahrscheinlich versteht das sogar Gott, denn sicher weiß er, wie schwer es die Geschäftsleute haben.
Es können also nur die Kunden, nicht der Kardinal und nicht die Händler, die richtige Entscheidung treffen. Sich die Freiheit nehmen, nicht zu kaufen an diesem heiligen Tag. Sich eine kleine Besinnlichkeit zum Geschenk machen. Das wäre doch schöner als diese kranke Einkaufsrallye, die nur Geld und Nerven kostet.
23. September 1995