Читать книгу Mitten ins Herz - Marga Swoboda - Страница 6
Vorwort
Оглавление8339 Kolumnen, abgelegt in 25 Bene-Ordnern. Der Gedanke, sie zu lesen, hat mir das Herz zugeschnürt. Ihr erster Text und ihr letzter Text: Was könnte deutlicher machen, dass Marga tot ist? Warum durfte sie nicht einmal 60 Jahre leben?
Zappen durch Jahre, in denen die »Krone« noch schwarzweiß war. Erinnert werden an 9/11 und an den Tag, an dem Natascha Kampusch frei war. An Falcos Tod in der Dominikanischen Republik und den Sprung von Felix Baumgartner durch die Schallmauer.
Eintauchen in Margas Welt, die so weit und bunt und mächtig war wie ihre Gedanken. Und immer wieder: berührt werden von ihrer Poesie.
Wenn sie über den ersten Schnee schreibt oder den Moment, in dem eine Mutter ihr vermisstes Kind wieder in die Arme schließen kann, dann ist es meine Glückseligkeit, meine Dankbarkeit, die sie wie geheimnisvolle Saiten zum Schwingen bringt. Der Abschied von einem geliebten Menschen, die Wucht des Tsunamis, die Rettung der Bergleute in Lassing oder die Geburt einer kleinen Prinzessin – Marga Swobodas Worte können trösten und wärmen bis in die Zehenspitzen. Mitunter sind sie scharf wie Pfeile. Den Wahnsinn auf den Straßen, die Gewalt in den Familien, die Abgründe von Menschen, die das Leben anderer auslöschen, beschreibt sie hart und unmissverständlich und lässt niemals Zweifel aufkommen, auf wessen Seite sie steht. Immer aber treffen ihre Texte mitten ins Herz.
»Sie war die Golden Gate Bridge zwischen Boulevard und Literatur«, sagte eine Schauspielerin einmal über die »Krone«-Journalistin und Bachmann-Preisträgerin. Marga Swoboda bezeichnete sich selbst provokant als »Boulevard-Schlampe« – sie schreibe gerne für ein Publikum, über das manche Kollegen die Nase rümpfen …
Dieses Millionenpublikum hat ihre Texte geliebt. Manchmal schrieb sie für die Fröhlichen, manchmal übte sie Toleranz, wo andere Gift versprühten, manchmal legte sie mit eigenen und fremden Traurigkeiten den Finger in unsere Wunden.
Die »Zeit«, die im Juni 2013 ein hinreißendes Porträt der Susie Haneke unter Marga Swobodas Mädchennamen Margarethe Mark veröffentlichte, schrieb, dass man sie »förmlich Wienerisch sprechen hörte, so weich und voller Schmäh« seien ihre Texte gewesen, »eine Mischform aus Philosophie und Gossenslang«.
Aber Marga Swoboda war alles andere als eine Wienerin. Sie lebte und dachte und schrieb alemannisch. Allein diese Melodie klingt aus ihren Texten. Schmäh? Nein. Ihre Sprache hat nichts Verschnörkeltes, Doppelbödiges, Süßes …
Ihr privater Kosmos war zwischen Wien, Liechtenstein und Paris gespannt. Meistens saß sie irgendwo dazwischen im Zug. Ihre Leser wussten von Marga Swoboda nicht viel, außer dass sie eine Löwenmutter sein musste, dass sie auch Katzen und Lena, diesen ganz besonderen Hund, zu ihrer Familie zählte und dass sie rauchte.
Manchmal schrieb sie ihre Kolumne kurz vor Andruck nach einem Café au Lait in St. Germain. Ein anderes Mal kam sie gerade noch rechtzeitig aus dem Wiener Café Korb nach Grinzing zurück, um die Geschichte aus ihrem Kopf auf Papier zu bringen. Dann lag sie mit 39 Grad Fieber und ihrem Heilkater »König« im Bett ihres Hauses in Planken oberhalb von Vaduz und faxte trotzdem ihren Text. Jeden Tag zwischen 15 und 15.45 Uhr, mehr als 21 Jahre lang.
Ihre letzte Kolumne (Sie können sie auf Seite 255 als Abschluss dieser Sammlung lesen) schickte sie für die Ausgabe des 17. November 2013 aus dem Wiener AKH – sie stand bereits unter dem Einfluss von Morphium. »Wenn ich einmal nicht mehr schreibe, bin ich tot«, hat sie einmal gesagt.
Vier Tage später starb sie.
»Es ist, als hätte man der ›Krone das Herz‹ herausgerissen«, schrieb uns eine Leserin nach Marga Swobodas Tod.
Mit ihrem Abschied ist auch eine Verbindung abgerissen, die sie Tag für Tag hergestellt hat. Die Verbindung mit ihren Leserinnen und Lesern, mit der Welt draußen, mit dem, was man Leben nennt.
Conny Bischofberger
Herbst 2014