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1.7. »Ich weiß, was gut für dich ist!« – die andere Seite der Medaille

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1.7.»Ich weiß, was gut für dich ist!« –

die andere Seite der Medaille

Eltern und Erzieher müssen wissen, was gut für ihre Kinder ist! Das Baby und Kleinkind muss sich darauf verlassen können, dass seine Eltern in den vielen alltäglichen Situationen die richtigen Entscheidungen treffen, wie auch der Gärtner wissen muss, welche Maßnahmen zu welcher Jahres- und Entwicklungszeit zu treffen sind.

Kinder brauchen einen geschützten Rahmen

»Ich weiß, was gut für dich ist!« ist vor allem eine Haltung, die Eltern ausstrahlen müssen. Sie gibt dem Kind Sicherheit und Geborgenheit und bildet zusammen mit Liebe und Annahme den Boden zur Festigung des Urvertrauens. Nur in einem geschützten und von Eltern verantworteten Rahmen können Kinder unbeschwert ihr Kindsein ausleben.

Kinder nicht mit Freiheit überfordern

Schon früh beginnen Kinder, nach Freiheit und Autonomie zu streben und Dinge für sich selbst entscheiden zu wollen. Es beginnt mit »Selber, selber!« und hört sich später vielleicht so an: »Von dir lass ich mir nichts mehr sagen! Ich weiß selbst, was gut für mich ist!« Manche Kinder fordern sehr vehement, auf eigenen Beinen zu stehen, und trauen sich in diesem an sich gesunden Impuls oft mehr zu, als sie dann tatsächlich bewältigen können. Wenn Eltern in falsch verstandener Freiheitsideologie nicht lenkend und Grenzen setzend eingreifen, führt das beim Kind nicht zur Stärkung der gesunden Willenskraft, sondern zu Labilität, Launenhaftigkeit, Willkür und Aggression. Auch die soziale Eingliederung kann durch das zu starke Ausleben des kindlichen Eigenwillens und natürlichen Egoismus erschwert werden.

Autoritätsverlust führt zu elterlicher Verunsicherung

Nach Jahrzehnten oder Jahrhunderten restriktiver Erziehungskultur ging die Tendenz der letzten Jahrzehnte eher dahin, Kindern sehr viel eigene Entscheidungsfreiheit zuzugestehen. Daher wurde in bester Absicht zu viel elterliche Autorität abgegeben. Das hat bei der heutigen Elterngeneration große Unsicherheit und oft auch Hilflosigkeit verursacht, welche erst recht zu elterlicher Unberechenbarkeit und nicht selten zu offener oder unterschwelliger Aggression ihren Kindern gegenüber führt. Was als kindliche Freiheit und Eigenständigkeit gepriesen wird, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung oft als Trend zur Verwahrlosung. Erwachsen gewordene Kinder sagen dann rückwirkend: »Ich konnte machen, was ich wollte. Ich hatte den Eindruck, meinen Eltern war es sowieso egal!«

Kinder in die Krise

Bei Kindern und Jugendlichen wiederum hat der Selbstbestimmungs- und Freiheitskult dazu geführt, dass sie sich immer weniger von Erwachsenen sagen lassen. Wenn Erziehende die Steuerung abgeben, führt dies zu mangelnder Selbstdisziplin, Charakterschwäche und fehlendem Verantwortungsbewusstsein. Es verleitet dazu, dass junge Menschen immer jünger Entscheidungen treffen und Erfahrungen machen, für die sie noch nicht reif sind. Das führt zu Überforderung und Entwicklungsstörungen, zu schwerwiegenden Krisen und verpatzten Lebenschancen. Wie viele Umwege und Leid könnten unserer Jugend erspart bleiben, wenn sie auf gut gemeinte und fundierte Ratschläge von Eltern und Pädagogen/innen hörte!

Eltern mit Führungskompetenz

Erziehung gelingt am besten dann, wenn beide Seiten aufeinander hören und einander ernst nehmen und wenn Eltern und Erzieher fähige Berater und Mentoren sind, die auf Basis von Liebe und Annahme Kinder bei der Entscheidungsfindung unterstützen, mit Widerstand umgehen und Einsicht fördern können. Die kompetente Anwendung der Coaching-Formel »Verstehen, Klären, Lösen« ist hier die erforderliche Schlüsselqualifikation. Kinder brauchen gefestigte Persönlichkeiten, die ihnen Interesse und Aufmerksamkeit schenken und die sie als Vorbilder achten können.

Entwicklungschance für beide Seiten

Der Weg in die Eigenständigkeit ist ein Prozess lebendiger Entwicklung, der beide Seiten emotional fordert. Die Verantwortung bleibt aber bei Eltern und Pädagogen/innen. Sie müssen Einfühlungsvermögen und Führungskompetenz beweisen, um die wahren Bedürfnisse ihrer Kinder Bescheid wissen, sie liebevoll auf ihrem Reifungs- und Loslösungsprozess begleiten und die täglichen Herausforderungen auch als Chance für ihre eigene Entwicklung sehen.

Gewaltfrei, aber nicht machtlos

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