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Kapitel 14
ОглавлениеMit Beginn ihrer beruflichen Laufbahn merkte Julia sehr schnell, dass auch die Gerichtsmedizin eine Domäne war, in der, damals zumindest, überwiegend Männer arbeiteten, die eine Frau, zumal noch eine Anfängerin wie Julia, mit Misstrauen, Skepsis und vor allem mit Herablassung betrachteten.
Zu Anfang bekam sie nur die niedrigen Arbeiten zugeteilt, wie z.B. Vorbereitung für eine Obduktion, saubermachen des Raumes nach einer Obduktion, Abheften der Berichte etc.
Nach einiger Zeit frustrierte sie das und sie bestand darauf, anspruchsvollere Arbeiten zu bekommen, z.B. bei einer Obduktion assistieren zu dürfen, was jedoch von ihrem unmittelbaren Vorgesetzten, dem Chefpathologen, zunächst abgelehnt wurde, mit der lapidaren Begründung, sie sei noch nicht so weit.
Als Anfängerin musste sie sich gegen ihre meist männlichen Kollegen behaupten und durchsetzen. Aber Julia war zäh und blieb am Ball, überzeugte durch Wissen und Kompetenz. Sie konnte sehr gewinnend sein, sich aber auch wehren.
Langsam gewann sie an Ansehen und wurde mit Respekt behandelt und schließlich wurde ihr erlaubt, an einer Obduktion teilzunehmen.
Mit ihren Kollegen und Vorgesetzten kam sie gut aus, blieb aber dennoch distanziert.
Natürlich wurde sie anfangs auch nach ihrer privaten Situation gefragt, nicht direkt, aber doch schon ziemlich deutlich, aber sie wich diesen Fragen immer geschickt aus und antwortete freundlich aber bestimmt. So wusste niemand etwas über ihr Privatleben.
Einige Kollegen spekulierten darüber ob sie wohl verheiratet sei. Keiner wusste genaueres.
„Ich denke, sie ist verheiratet, denn sie trägt einen Ring am rechten Ringfinger“, meinte Florian Läufer aus der Forensik.
„Das ist mir noch gar nicht aufgefallen“, ließ sich nun ein anderer Kollege hören.
„Warum ist das so wichtig?“, fragte Florian.
Er war groß und schlaksig, hatte feuerrote Haare und etliche Sommersprossen, weswegen er den Spitznamen Pumuckl erhalten hatte. In seinem Fachgebiet, der Forensik, war er eine Koryphäe und es gab nichts, was er nicht herausfinden oder ermitteln konnte. Daher versuchten alle, sich mit ihm gut zu stellen, denn jeder hatte früher oder später einmal ein Anliegen, dass er etwas untersuchen sollte.
Auch Julia hatte ihm schon einige Male ein paar Proben zum Untersuchen gebracht. Sie hatten sich ein wenig unterhalten und sich gegenseitig sympathisch gefunden.
Julia mochte ihn, weil er ein umfangreiches Wissen hatte und auch sonst zurückhaltend und nicht so aufdringlich war, wie manch anderer Kollege.
Sie hatte einmal mit Verena darüber gesprochen.
„Er ist unaufdringlich und nett, man kann sich gut mit ihm unterhalten. Das kann ich so ungezwungen mit den meisten Männern nicht.“
„Vielleicht ist er ja schwul“, hatte Verena gemeint.
„Wie kommst du denn darauf?“
„Ich für mein Teil komme am besten mit schwulen Männern zurecht. Die wollen nichts von mir, baggern mich nicht ständig an. Und sie verstehen die Situation.“
„Hm … vielleicht hast du Recht. Vielleicht stellt es sich früher oder später heraus, dass es so ist.“
Julia hielt die Augen offen und beobachtete Florian aufmerksam, wenn sie ihm Proben zum Untersuchen brachte. Sie konnte aber nicht den kleinsten Hinweis darauf entdecken, dass er schwul sein könnte.
Auch er hielt sein Privatleben unter Verschluss. Sie verstand sich weiterhin gut mit ihm und sie trafen sich oft in der Kantine zu einem Schwatz.
Natürlich blieb das den Kollegen nicht verborgen und entsprechend wurde gelästert.
„Pumuckl und Fridge“, sagte einer, „was findet sie bloß an dem?“
„Sie unterhalten sich doch nur“, meinte Renate, die ebenfalls in der Forensik arbeitete.
„Worüber denn? Der kennt doch nur seine forensischen Untersuchungen.“
„Ach, und Sie kennen mehr, Dr. Vollmer?“, fragte sie scherzend, aber mit einem ernsten Unterton.
„Die Diskussion ist mir zu dumm“, antwortete Vollmer leicht pikiert und marschierte davon.