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2.1 Medien aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht

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Zur Erinnerung: Kommunikations- und MedienwissenschaftMedienwissenschaft beschäftigt sich „mit dem Prozess menschlicher Verständigung, seinen Voraussetzungen, Rahmenbedingungen, Mitteln, Formen, Störungen und Folgen“; dies tut sie vor allem im Bereich öffentlicher, durch Medien vermittelter Kommunikation (vgl. Beck 2006a: 134). Doch welche Medien sind das genau? Die Klärung dieses Begriffes inkludiert eine Klärung des Forschungsgegenstandes dieser Wissenschaften. Alltagssprachlich scheint er relativ klar zu sein. Rein assoziativ verbindet man damit sofort Fernsehen, World Wide Web, Rundfunk usw. Doch schon nach Duden (1999) birgt dieser Begriff eigentlich sehr vielschichtige Bedeutungen in sich: Ein Medium kann hier 1. ein „vermittelndes Element“ sein (z.B. „Gedanken durch das M. der Sprache, der Musik ausdrücken“), 2.a. kann mit Medium oder besser: mit Medien (meist im Plural) eine „Einrichtung, [ein] organisatorischer u. technischer Apparat für die Vermittlung von Meinungen, Informationen, Kulturgütern“ gemeint sein, vielleicht auch „eines der MassenmedienMassenmedien Film, Funk, Fernsehen, Presse“. Es könnte sich aber auch um 2.b. ein „[Hilfs]mittel“ handeln, „das der Vermittlung von Information u. Bildung dient (z.B. Buch, Tonband): das akustische Medium Schallplatte“; oder 2.c. um ein „für die Werbung benutztes Kommunikationsmittel“. 3. könnte dieser Begriff für einen „Träger bestimmter physikalischer, chemischer Vorgänge; Substanz, Stoff“ stehen oder 4.a. für jemanden, „der für Verbindungen zum übersinnlichen Bereich besonders befähigt ist“, oder schließlich 4.b. für jemanden, „an dem sich aufgrund seiner körperlichen, seelischen Beschaffenheit Experimente, bes. Hypnoseversuche, durchführen lassen“.

Zugegeben, einige dieser Bedeutungen lassen sich für die Medien- und Kommunikationswissenschaft bereits dadurch ausschließen, dass sie nichts mit Kommunikation zu tun haben (3., 4b). Dennoch zeigt dieser Einblick in das Wörterbuch von Duden, dass Medium vieldeutig ist und es einer Klärung bedarf, was mit diesem Terminus in den Medien- und Kommunikationswissenschaften – vor allem aber in dieser Arbeit – bezeichnet wird bzw. mit welchem Forschungsgegenstand sich diese Wissenschaften beschäftigen.

Sichtet man in Bezug auf den Begriff Medium die Forschungsliteratur, findet man (nicht sehr überraschend) verschiedenste Definitionen und Klassifizierungsmöglichkeiten. Hickethier (2003: 18) begründet diese Tatsache mit der „Mehrdimensionalität und Komplexität des Gegenstandsbereichs“ sowie mit den unterschiedlichen „Interessen und Fragestellungen“ und damit auch Konzeptionalisierungen der Wissenschaften. Vor allem die Medientheorie/-n befasst/-en sich mit der systematischen Beschreibung von Einzelmedien bzw. der Medien im Allgemeinen. Je nach (psychologischem, kommunikationswissenschaftlichem, kritischem, systemtheoretischem oder sozialwissenschaftlichem) Ansatz werden die Medien jedoch anders charakterisiert.

Es wird hier darauf verzichtet, die verschiedenen Medienkonzepte genauer vorzustellen (Näheres siehe Hickethier 2003: 18–36; Faulstich 2002: 17–26; Saxer 1999: 1–14). Die folgenden Ausführungen zielen darauf ab, eine für die vorliegende Arbeit relevante und brauchbare Mediendefinition zu finden.

Faulstich zitiert in seiner „Einführung in die MedienwissenschaftMedienwissenschaft“ verschiedenste Medienkonzepte – und stellt sie in Frage. Viele Versuche der Klassifizierung von Medien (etwa nach Arten oder Funktionen usw.) seien schlichtweg unbrauchbar oder gar unwissenschaftlich (2002: 20): „All diese Versuche sind ausnahmslos entweder unlogisch, unverständlich, dysfunktional, unvollständig, unbegründet oder banal.“ Sind ihm viele dieser Gruppierungen zu präzise und einschränkend, kritisiert Faulstich aber auch die vielerorts gepflegten, sehr allgemeinen und unwissenschaftlichen Metaphern wie etwa „Das Medium ist die Botschaft“, die von Marshall McLuhan stammt und mit der das Begriffswirrwarr laut Faulstich erst seinen Anfang nahm. Harsche Kritik übt er gegenüber dem viel gelesenen und „heute noch vielfach unkritisch zitierten Text“ McLuhans „Die magischen Kanäle“ („Unterstanding Media“, 1964):

„In diesem früheren Bestseller der Popularkultur und Zeitungsfeuilletons wird nachweislich ‚getrickst‘: Nach einem deutlichen Schema werden hier 1. Zitate aus aktuellen Pressetexten und 2. Anekdoten mit 3. Zitaten aus wissenschaftlicher Sekundärliteratur praktisch aller Disziplinen sowie 4. Zitaten aus literarischen Klassikern wie Shakespeare, James Joyce, Milton oder Yeats und der Bibel vermischt, 5. mit dunklen Metaphern und 6. mit mehr als 20 verschiedenen Medienbegriffen zur unterhaltsamen Verwirrung des Lesers versetzt und dann mosaikartig 7. zu diffus-unverständlichen, aber hochgelehrt und griffig klingenden Aussagen verdichtet. […] McLuhan war vieles, ein Eklektiker, ein Überflieger, ein Blender, ein Visionär, ein Schwätzer; nur eines war er nicht: ein Wissenschaftler.“ (Faulstich 2002: 21f.)

Nichtsdestoweniger galt McLuhan lange als Vater der Medientheorie und beeinflusste die Medien- und Kommunikationswissenschaft nicht unwesentlich.

Nach all dieser Polemik plädiert Faulstich für eine Rückbesinnung auf kritisches Denken und eine medienwissenschaftlicheMedienwissenschaft Theoriebildung; der Medienbegriff der Wissenschaft muss vom Medienbegriff der Alltagswelt unterschieden werden:

„Viele begreifen im alltäglichen Sprachgebrauch ‚Medium‘ im uneigentlichen Sinn, d.h. einfach als ‚Mittel‘ oder ‚Instrument‘ oder ‚Werkzeug‘ – und da kann prinzipiell alles ein Medium sein. Das meint durchaus auch Metaphern wie ‚Medium Sprache‘, ‚Medium Literatur‘ oder ‚Medium Musik‘. In der MedienwissenschaftMedienwissenschaft dagegen wird Medium als ein fachspezifisches Konzept verstanden, dem verschiedene Merkmale konstitutiv zugeordnet sind.“ (Faulstich 2002: 23)

Wie Faulstich kritisiert auch Hickethier historische Verengungen und gegenwärtige Überdehnungen des Medienbegriffs (vgl. Hickethier 2003: 18f.). Er selbst geht von einem kommunikationsorientierten Medienbegriff aus,

„der die Medien der individuellen und gesellschaftlichen Kommunikation in den Vordergrund stellt. Medien und Kommunikation werden in einem engen Zusammenhang gesehen. Kommunikation bedient sich immer eines Mediums. Die Menschen, die miteinander kommunizieren, verwenden dabei Zeichen, die mit Bedeutungen in Verbindungen stehen. Kommunikation ist wiederum Voraussetzung dafür, dass die Menschen Vorstellungen erzeugen und dass Wissen entsteht.“ (Hickethier 2003: 20)

Medien seien „gesellschaftlich institutionalisierte Kommunikationseinrichtungen“, wobei Hickethier (2003: 20) zwischen „informellen (nicht durch Organisationen, sondern durch Konventionen bestimmten) Medien“ (z.B. das Medium „Sprache“, die Musik, die Literatur) und „formellen (institutionalisierten) Medien“ (z.B. Telefon, Fernsehen, Radio, Presse usw.) unterscheidet.

Demnach wäre der Forschungsgegenstand der vorliegenden Arbeit im formellen Bereich der Medien angesiedelt.

Kommunikationsorientiert ist auch die Definition, die Faulstich vorschlägt. Sie geht ursprünglich auf Saxer (1999: 6) zurück, dessen Definition auch von Burkart, Jarren und Maletzke aufgegriffen wird (Burkart 2003: 187; Jarren 2003: 15; Maletzke 1998: 52) und in der Medien- und Kommunikationswissenschaft anerkannt zu sein scheint: „Medien sind komplexe institutionalisierte Systeme um organisierte Kommunikationskanäle von spezifischem Leistungsvermögen.“

Saxer (1999: 5) will damit ein medienwissenschaftliches Konzept schaffen, „das dieser scientific community Identität verleiht, dem expansiven Gegenstand gerecht wird und die medienbezogenen Beiträge unterschiedlicher Disziplinen integriert“. Ziel ist es, einen gemeinsamen Fragehorziont bzw. ein kohärentes Forschungsfeld festzumachen (vgl. Saxer 1999: 5). Die Beschreibung allgemeiner Medien-Charakteristika soll dies ermöglichen. Saxer (1999: 5f.) nennt fünf Medien-Merkmale, die schließlich zu seiner Medien-Definition geführt haben:

1 Medien sind Kommunikationskanäle. Diese Kanäle stellen je nach technischer Beschaffenheit bestimmte Zeichensysteme, Inhalte usw. bereit.1

2 Medien sind Organisationen, d.h. Sozialsysteme. Organisation ist notwendig, damit ein Medium seine Produkte bereitstellen kann.2

3 Medien sind komplexe Systeme, da sie etwa aus „Herstellungs-, Bereitstellungs- und Empfangsvorgängen“ bestehen.3

4 Medienkommunikation wirkt sich in allen gesellschaftlichen Bereichen funktional und dysfunktional aus. Sie haben ein spezifisches Leistungsvermögen, z.B. wird durch sie zu etwas aufgefordert (Werbung) oder es werden räumliche, zeitliche und soziale Distanzen überwunden (World Wide Web).4

5 Medien sind institutionalisiert. Sie sind „ins gesellschaftliche Regelsystem eingefügt“ und werden zum Teil über Marktmechanismen, zum Teil über die Politik geregelt.5

Nun aber zurück zu Faulstich: Auch er führt fünf konstitutive Medien-Merkmale an, die sich jedoch teilweise von Saxers Merkmalen unterscheiden (2002: 23f.):

1 Ein Medium ist ein „Bestandteil zwischenmenschlicher Kommunikation“, wobei diese Kommunikation vermittelt ist (im Gegensatz zur face-to-face-Kommunikation).

2 Ein Medium ist dementsprechend also ein „Kanal“.

3 Jeder dieser Kommunikationskanäle hat ein spezifisches Zeichensystem, „das die Vermittlung und das Vermittelte prägt oder zurichtet“ (z.B. Radio – auditives Zeichensystem, Zeitung – Druckmedium, Fernsehen – audiovisuelles Zeichensystem, World Wide Web – digitales Medium).

4 „Bei jedem Medium handelt es sich um eine Organisation.“ D.h., das Medium ist institutionalisiert.

5 Jedes Medium entwickelt sich, unterliegt daher einem „geschichtlichen Wandel“ und kann zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche gesellschaftliche Bedeutung haben.

Nach Faulstich (2002: 25) gibt es zwar bisher noch keine umfassende, allgemein anerkannte Definition von „Medium“ „im Sinne einer komplexen Medientheorie“. Saxers Definition (s.o.) erscheint ihm allerdings als die bisher gelungenste, wobei er diese um eine Komponente erweitert, mit der er die Bedeutung der Medien für die Gesellschaft betonen will (Faulstich 2002: 26): „Ein Medium ist ein institutionalisiertes System um einen organisierten Kommunikationskanal von spezifischem Leistungsvermögen mit gesellschaftlicher Dominanz.“MassenmedienMassenmedien

Blicken wir zurück auf die Dudendefinitionen von „Medium“: Saxers bzw. Faulstichs Medienbegriff scheint alle Bedeutungen auszuschließen, ausgenommen die Bedeutung 2.a, nach der ein Medium eine „Einrichtung, [ein] organisatorischer u. technischer Apparat für die Vermittlung von Meinungen, Informationen, Kulturgütern“ bzw. „eines der Massenmedien Film, Funk, Fernsehen, Presse“ ist.

Für die vorliegende Arbeit wird Faulstichs (bzw. Saxers) Medienbegriff übernommen. Demnach ist etwa die Sprache kein Medium (bei Hickethier wird sie als informelles Medium bezeichnet), auch I-Pods, Computer als Geräte oder gar die Schrift – all diese Dinge sind keine Medien (wie noch bei Marshall McLuhan; vgl. hierzu Faulstich 2002: 216), sondern vielmehr Instrumente, derer sich Medien allenfalls bedienen. Ein Medium wird erst zu einem Medium, wenn es zu einem institutionalisierten System wird, das bestimmte gesellschaftliche Aufgaben löst. Dies trifft vor allem auf die sogenannten Massenmedien zu, also auf „technisch produzierte und massenhaft verbreitete Kommunikationsmittel […], die der Übermittlung von Informationen unterschiedlicher Art an große Gruppen von Menschen dienen“ (Hickethier 2003: 24). Eines dieser Massenmedien steht im Fokus der vorliegenden Arbeit: die Tagespresse.Massenkommunikation

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