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1.1 Forschungsobjekt

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Medien sind „Weltbildapparate“, so Winfried Schulz in Anlehnung an Konrad Lorenz, der mit dieser Bezeichnung den Einfluss des menschlichen Informationsverarbeitungssystems auf die Weltbild-Konstruktion hervorhob. Auch die Medien wählen – wie das menschliche Informationsverarbeitungssystem –

„aus der unendlichen Fülle von Zuständen und Vorgängen in der Welt einige wenige aus, unterziehen sie einem Verarbeitungsprozeß und entwerfen daraus ihr Weltbild. Dieses hat für die Gesellschaft einen ähnlich ‚objektiven‘, verbindlichen Charakter wie es die individuelle Weltwahrnehmung hat. So wie wir unseren Augen trauen, verlassen wir uns auch auf die Berichterstattung der Medien“ (Schulz 1997: 49; vgl. auch Abschnitt 2.3 Kommunikatorforschung).

Manchen Kirchenmitgliedern ist genau das ein Dorn im Auge. Sie sorgen sich, dass die Menschen, die die Kirche nur mehr aufgrund der Medienberichterstattung und nicht aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen mit der Kirche kennen, ein negatives Bild von Kirche vermittelt bekommen und dieses mediale Bild für real halten.Bewertung

Wissenschaftlich gesehen kann ein mediales Weltbild jedoch ohnehin „niemals ein Abbild der Wirklichkeit“ sein (Burkart 2002: 275). Nach konstruktivistischer Sicht ist die Wahrnehmung und Abbildung einer objektiven RealitätRealität, objektive nicht möglich, da die menschliche Informationsverarbeitung unweigerlich eine Reduktion dieser Realität mit sich bringt. Die Frage lautet also nicht „‚Wie (gut oder schlecht) bilden die Medien die Wirklichkeit ab?‘, sondern ‚Wie [re-]konstruieren die Medien die Wirklichkeit?‘“ (Burkart 2002: 274f.) (vgl. auch Abschnitt 2.4.1).

Die vorliegende Arbeit will dieser Frage auf den Grund gehen. Sie nimmt ein konkretes medial rekonstruiertes Weltbild genauer in Augenschein: das Bild der römisch-katholischen Kirche, wie es von den österreichischen und französischen Tageszeitungen geschaffen wird. Dazu werden Zeitungsartikel hinsichtlich der berichteten kirchlichen Themen sowie hinsichtlich ihrer inhaltlichen und sprachlichen Darstellung und der getätigten Bewertungen analysiert. Für die Untersuchung wurden je drei österreichische und französische Tageszeitungen mit nationaler Reichweite (je zwei QualitätszeitungenQualitätszeitung und eine BoulevardzeitungBoulevardzeitung) ausgewählt. In Österreich sind das Die Presse, Der Standard und die Kronen Zeitung; in Frankreich Le Figaro, Le Monde und Aujourd’hui en France. Berücksichtigt wurden informations- undPressetextsorten, informationsbetonte meinungsbetontePressetextsorten, meinungsbetonte TextsortenPressetextsorten, die die katholische Kirche zum Thema hatten und die Linie der jeweiligen Redaktion widerspiegelten.

Seit Beginn meiner Untersuchungen im Jahr 2008 riss die Berichterstattung über die Kirche nicht ab. Es mag dazwischen Zeiten gegeben haben, wo es ruhiger um die Kirche geworden ist, doch über weite Strecken war das Thema Kirche kontinuierlich präsent. Immer wieder tauchten neue Diskursereignisse auf, die eine Riesenwelle an medialer Berichterstattung auslösten; im Jahr 2009 waren es päpstliche Aussagen zum Kondom während seiner Afrikareise oder auch die aufgehobene Exkommunikation der Bischöfe der Piusbruderschaft (einer von ihnen leugnet annähernd zeitgleich den Holocaust); in Österreich folgten im Jahr 2010 der Skandal der zahlreichen aufgedeckten Fälle von Kindesmissbrauch innerhalb der österreichischen Kirche oder im Jahr 2011 der Aufruf zum Ungehorsam gegenüber der Kirchenleitung von der österreichischen Pfarrerinitative (ein Verein von österreichischen Pfarrern, der für die Reform der Kirche eintritt) – um nur einige Beispiele zu nennen. Es stellte sich bald heraus, dass es unmöglich war, alles abzudecken. Das Korpus musste stark eingeschränkt werden. Um dennoch allgemeine Aussagen treffen zu können, wurde nicht ein einzelnes diskursives EreignisDiskursives Ereignis (z.B. Kondomdebatte) untersucht, sondern die Berichterstattung über einen längeren Zeitraum verfolgt, indem eine StichprobeStichprobe (s. a. Künstliche Woche) der zwischen Jänner und Juni 2009 zum Thema „katholische Kirche“ erschienenen Artikel gezogen wurde. Insgesamt wurden 212 Artikel untersucht (Genaueres siehe Abschnitt 11.1, außerdem Abschnitte 12.1 und 13.1).

Die katholische Kirche im Pressediskurs

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