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HEROINSUCHT 4.Die Konzeptualisierung der Methadon-Behandlung von Heroinabhängigen
ОглавлениеVon Dr. med. Mario Gmür, Oberarzt, Sozialpsych. Dienst der PUK Zürich
Aus: Schweizerische Ärztezeitung, Nr. 32, 8. August 1979
Fallen Menschen bereits in jugendlichem Alter einer Suchtkrankheit anheim, die ihre Entwicklung zu gesunden Erwachsenen durch Verwahrlosung, Gefängnisstrafen oder gar Tod beeinträchtigt, so sind wir aufgefordert, alle möglichen therapeutischen Massnahmen zu erwägen und nötigenfalls zu realisieren. Die Behandlung von Heroinabhängigen mit Methadon ist seit Jahren Gegenstand einer teils heftig geführten Kontroverse, an der sich neben Ärzten ein weiterer Kreis von Drogenfachleuten verschiedener Berufsgattungen beteiligt. Leider ist diese Auseinandersetzung oftmals belastet von überbordenden Emotionen, Vorurteilen und unrealistischen Erfolgserwartungen. Unbiegsames Festhalten an der Abstinenzideologie hier, unreflektierte Methadon-Freudigkeit dort verhinderten die Heranbildung eines fundierten Methadon-Behandlungskonzeptes und hinterliessen mancherorts ein wahres Methadon-Debakel. Das Aufkommen illegaler Methadon-Märkte zufolge unkontrollierter Methadon-Abgabe, die Begünstigung primärer Methadon-Sucht durch zu extensive Indikationsstellung und die Enttäuschung falscher Hoffnungen als Folge mangelhaft formulierter therapeutischer Zielvorstellungen haben bei vielen Therapeuten eine tiefe Verunsicherung hervorgerufen. Eine ernsthafte Behandlungsmethode läuft dadurch Gefahr, um ihre Chance gebracht zu werden. Im Bestreben, einen Beitrag zur Versachlichung der Methadon-Diskussion zu leisten, möchte ich mich daher aus eigener therapeutischer Erfahrung mit Methadon-Patienten und gestützt auf die angelsächsische Methadon-Literatur zu Fragen von Indikationsstellung, Konzeptualisierung und praktischer Durchführung äussern. Es liegt mir fern, von der Warte eines expertenhaften Besserwissertums zu dozieren, wohlwissend, dass ich in einen offenen Meinungsbildungsprozess eingreife und das in einem Stadium, wo stichfeste Erfolgskontrollen noch ausstehen. Ein Entwurf zu einer Konzeptualisierung und Strukturierung der Methadon-Behandlung ist jedoch gewiss nicht verfrüht, wenn es gilt, Entartungen Einhalt zu gebieten, die für den engagierten und aufmerksamen Therapeuten bereits vor dem Eintreffen statistischer Bestätigungen erkennbar sind. Meine untenstehenden Ratschläge und Tips sind als Rezepte zu verstehen, die sich aus meinem eigenen Entwurf zu einer strukturierten Methadon-Behandlung ableiten und von jedem Therapeuten nach eigenem Gutdünken eingelöst oder abgeändert werden müssen.