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Abschied

Nach dem Schlusswort meines Ex-Chefs und Ex-Liebhabers saß ich also schniefend im Auto. Mein Radio lief auf Dauerschleife, ich empfand die Musik als tröstenden Klangteppich für meine Trauer. Während die Perlen des Selbstmitleids meine Wangen hinabliefen, berichtete der Moderator der Sendung etwas über die Carl Duisberg Gesellschaft, einem gemeinnützigen Verein zur Förderung der internationalen beruflichen Bildung und Personalentwicklung. Zwischen Schluchzern und benebeltem Sich-Orientieren im Straßenverkehr sickerten die Worte in mein aufgelöstes Ich.

Damals war die Motivation der Informationsbeschaffung noch eine andere. Als Geheimniskrämerin, oder besser gesagt, ich teile ungelegte Gedankeneier bis heute nicht gleich mit, habe ich mir keine Auskünfte bei meinen Eltern eingeholt, sondern rief bei der Telefonauskunft an, die mir die Nummer aus der Düsseldorfer Zentrale der Gesellschaft gab. Da ich nichts zu verlieren hatte, griff ich mir unseren grauen gebogenen Telefonhörer. Das Telefon hatten wir noch nicht lange. Das hielt erst in unseren Haushalt Einzug, als ich siebzehn Jahre alt war. Davor musste ich eine Verabredung bereits beim letzten Treffen verbindlich vereinbaren oder eine der gelben stinkenden Postzellen nutzen. Ich ließ also die runde Scheibe unzählige Male schnalzen, wartete geduldig auf das Freizeichen, bis sich eine unpersönliche Stimme meldete, die mir relativ zügig mitteilte, dass sie mir Unterlagen zuschicken würde. Nach ein paar Wochen erhielt ich Post mit einer Werbebroschüre der Gesellschaft und den Unterlagen zu dem Work & Study-Programm, das mich interessierte. Das Ganze ermöglichte ein zweijähriges Visum für die USA, d. h. man ging ein halbes Jahr zur Schule, lernte die Sprache und wählte Bereiche wie Business English, Marketing oder Academic Preparation, um anschließend anderthalb Jahre die Möglichkeit zu erhalten zu arbeiten. Hörte sich machbar an. Vorher musste ich allerdings einen psychologischen Test absolvieren und 6000 DM überweisen. Das war mein gesamtes Erspartes und mein geliebter orangenfarbiger BMW 1802, den ich erst vor einem halben Jahr für den Fiat 850 eingetauscht hatte, meine Blechbüchse in die Freiheit, obendrauf. Aber was solls. Ich war bereit. Ich hatte mich im Juli gemeldet, im Oktober bekam ich die Zusage. Dann erzählte ich es meinen Eltern, die natürlich besorgt reagierten, wenn die Tochter so mir nichts dir nichts über den großen Ozean in die weite Welt aufbrach. Zwischen Gabriela und mir herrschte damals Funkstille. Eine blöde Geschichte, fast zu lächerlich, um sie zu erzählen, aber dennoch trug unser Zwist mit dazu bei, den Schritt in die USA zu gehen. Gabriela und Andreas fuhren im Winter regelmäßig in eine Hütte in den Bayerischen Wald. Sylvester´75 war ich mit dabei. Da ich quasi Single war, fühlte ich mich zwar nicht als drittes Rad am Wagen, doch es gab Momente, in denen ich merkte, dass ich alleine bin. Wenn die beiden den Morgen zu zweit in den warmen Federn genossen und lange ausdehnten, während draußen die Schneeflocken Schneeflocken waren, saß ich über Stunden am Küchentisch, strickte und wartete. Zwischendurch verließen wir die Hütte, um in einer Gaststätte einzukehren. Bei einem dieser Ausflüge fuhr ich zurück – und Halleluja, was für ein Segen ist es ein eigenes Auto zu besitzen –, nur dass ich leider für einen vorbeihoppelnden Hasen reflexartig und heftig bremste und mir das nachfolgende Auto ins Heck fuhr. Andreas hatte ein Schleudertrauma, das sah ich nicht als lebensbedrohlich an, gleichwohl mussten wir ein paarmal ins Krankenhaus, so dass es noch langweiliger wurde. Und irgendwann entstand auch öfter Streit zwischen uns. Irgendwann reichte es mir mit diesen Spannungen und ich beschloss, vorzeitig nach Hause zu fahren und ließ die beiden in ihrer dämlichen Hütte mit ihren Problemen zurück. Darauf folgte ein halbes Jahr Sendepause, bis ich einknickte und mich wieder bei ihnen meldete. Allerdings um mich bald daraufhin wieder zu verabschieden. So ist es halt.

Was mir leid tat, war die Kündigung meiner Arbeit. Ich fühlte mich wohl mit meinen Kollegen, und wenn man vierzig Stunden in der Woche miteinander verbringt, wächst man enger zusammen als man vermutet. Als ich kündigte, reagierten sie zunächst befremdet, weil es auch in ihren Augen gut gelaufen war, zeigten aber Verständnis für meine Entscheidung.

Ich war also in der Schule – übrigens im Bereich Business School – eingeschrieben, hatte die Zusage im Oktober erhalten und sollte im Januar in Richtung New York starten. Ursprünglich wäre mein Wunsch Texas gewesen, erhielt für die Südstaaten-Schule jedoch keinen Platz. Weiß auch nicht, was mich damals geritten hatte, mich für dieses konservative Cowboy-Land zu bewerben. Vielleicht hatte ich die Hoffnung, dort auf dem Rücken der Pferde romantisch durch die Prärie zu streifen. Bis Dezember arbeitete ich, um meinen Kontostand aufzubessern. Dann packte ich meinen Koffer – »Raus in die Freiheit« –, der für einen zweijährigen Aufenthalt sehr schmal und lediglich mit ein paar Kleidern gefüllt war. Meine Eltern brachten mich nach Stuttgart zum Flughafen, wo ich mich mit Island Air auf meinen ersten Flug begab. Das Lebewohl war unsentimental, und ich dankte meinen Eltern, mir eine Heul-Arie zu ersparen.

M.E.L.

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