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Sie waren noch nicht tief im Berg, als der Schwarze Eiric Spuren eines Kampfes fand – getrocknete Blutspritzer, Stiefelspuren im Staub, Steine, die erst vor kurzem bewegt worden waren. Die Höhle verzweigte sich zu einem Gang, der etwa in die ursprüngliche Richtung weiterführte, und zwei Seitengängen. Einer war kaum mehr als ein Riss, und nur ein schlanker Junge hätte sich hindurchzwängen können. Kiesel bedeckten den Boden des zweiten Gangs; hier war keine Spur von Fußabdrücken zu erkennen, und es gab auch keine anderen Anzeichen, dass jemand hier durchgekommen war.

Varzils Nackenhaare sträubten sich leicht. Als Eiric den Männern bedeutete, den breitesten Weg entlangzugehen, blieb er wie erstarrt stehen. Er schüttelte den Kopf, und sein inneres Widerstreben wuchs.

Varzil konnte seine Reaktion selbst nicht verstehen. Es war nur vernünftig, mit so vielen Männern den breiteren Weg einzuschlagen, denn hier würden sie vielleicht ihre Waffen benutzen können. Er konnte sich nicht vorstellen, wieso Harald, verwundet und vielleicht von den Katzenwesen verfolgt, sich für die langsamere, unangenehmere Strecke entschieden haben sollte.

Nichts davon sprach er laut aus. Eiric fragte, ob sein Laran ihm etwas Neues sagte, aber er hatte nichts anzubieten. »Dann gehen wir weiter«, sagte Eiric. »Passt jetzt gut auf und seid auf alles vorbereitet.«

Sie schlichen weiter, und Varzil ging als Letzter. Eirics Fackel warf flackernde Schatten. Die Geräusche von Stiefeln auf rauem Sand und von Leder, das die Felswand streifte, knirschten über Varzils Nerven. Er lauschte nach einem Katzenfauchen oder dem Stöhnen eines verwundeten Menschen; auf was er sonst noch achten sollte, wusste er nicht.

Als er versuchte, mit dem Geist zu tasten, empfing er nur eine nervöse Spannung, ein sich Häufen unsichtbarer Kräfte, die er nicht benennen konnte. Es kamen keine Bilder mehr, nicht von Harald und auch von sonst niemandem.

Varzils Herz schlug hektisch gegen seine Rippen. Sein Hals wurde trocken, seine Handflächen waren feucht. Sein Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Sie kamen an einer weiteren Abzweigung vorbei, einer dunklen Grube, und dann an einer anderen. Die Luft war abgestanden und muffig.

»Vorsichtig jetzt«, erklang Eirics leise Stimme. »Wir sind nahe an einer Biegung.

Sie gingen weiter, sogar noch langsamer. Der Tunnel zog sich nach rechts und verschwand aus ihrem Blickfeld. Varzil nahm einen moschusartigen Geruch wie von Bergkatzen wahr. Die Fackel, die Eiric hoch über dem Kopf gehalten hatte, fiel plötzlich zu Boden. Ein unmenschliches Heulen brach sich in einem Pandämonium von Echos. Plötzlich brachen alle in hektische Bewegungen aus, die im Licht der niedergefallenen qualmenden Fackel nur schlecht zu erkennen waren. Soeben war da noch eine Reihe von Männern gewesen, die hintereinander hergingen, und nun gab es doppelt so viele Körper, einige von ihnen mit grauem oder gelblichem Fell, und alle kämpften, wichen aus, sprangen.

Ein Schwert, kurz und gebogen, blitzte auf. Ein Mann schrie. Adrenalin und Kampfeshitze hingen in der Luft. Varzil, der hinter den anderen Männern stand, konnte sich keinen Überblick über den Kampf verschaffen. Es gab nur Verwirrung. Die Fackel, die jemand zur Seite getreten hatte, würde jeden Augenblick ausgehen. Er wusste nicht, wie gut die Katzenwesen im Dunkeln sehen konnten. Er selbst jedenfalls würde im Finstern nichts wahrnehmen können.

Der Kampf zog sich weiter den Gang entlang. Varzil, der sich an die Wand gedrückt hatte, bemerkte wieder die Fackel am Boden. Ohne nachzudenken griff er danach. Er packte sie, ein Bündel von harzigem Holz. Im plötzlich helleren Licht tauchte das Gesicht eines Katzenmenschen auf. Er sah Augen, grün-golden mit geschlitzten Pupillen, die sich nun zusammenzogen. Große, runde Ohren mit schwarzen Haarbüscheln oben richteten sich auf und wurden dann an den Kopf zurückgelegt.

Varzil spürte eine Wirrnis von Gefühlen.

Hunger ... Verzweiflung ... Hass. Intensiv und wortlos.

Der Katzenmensch fuhr herum – graues Fell, darüber Lederriemen, Krallen, ein kurzes, gebogenes Schwert, Blut lief über einen muskulösen Oberschenkel. Ein weiterer Schrei zerriss die Luft.

An den Höhlenwänden verbanden sich Schatten und entfernten sich wieder voneinander. Einer der Männer war verwundet und drückte die Hände auf die Rippen. Blut, so dunkel, dass es schwarz aussah, quoll zwischen seinen Fingern hervor. Er hatte sich an eine Wand gestützt, stemmte die Füße fest gegen den Boden und hielt das Schwert in der freien Hand. Vor Varzils Augen gaben seine Knie nach, und er begann nach unten zu sacken.

»Ihnen nach!«, schrie Eiric.

Der Verwundete kam wieder auf die Beine.

Sie eilten den Gang entlang. Varzil hielt die Fackel hoch, rannte, so schnell er konnte, und versuchte, auf den Beinen zu bleiben. Der Boden wurde abschüssig und rauer. Einen Augenblick später fiel das Licht der Fackel auf einen pelzigen Rücken. Augen glitzerten, als das Wesen zurückschaute. Jemand hinter Varzil rief: »Wir haben sie!«

Sofort war Eiric in Reichweite des Katzenmenschen. Er schlug mit dem Schwert zu, und der Katzenmensch rollte sich kreischend zusammen. Varzil, von den Männern hinter ihm weitergedrängt, rannte an dem gefallenen Katzenmenschen vorbei. Das Fell auf seinem Bauch schimmerte weiß im Licht. Er war waffenlos; die Lederscheide an den überkreuzten Schulterriemen war leer. Der Geruch von frischem Blut hing in der Luft. Varzil hatte keine Ahnung, wie schwer verletzt das Geschöpf war, oder ob es einen Weg zurück zu seinem Rudel finden konnte, falls es überlebte.

Sie eilten weiter, kletterten über seltsam geformte Felsen, stolperten, rafften sich wieder auf. Der Gang bog scharf nach links und zog sich dann nach oben. Varzil versuchte, mit der wilden Verfolgung Schritt zu halten. Der Geruch des Blutes des Katzenmenschen schien ihm in der Nase zu kleben.

Harald! ...

Einen Augenblick lang spürte er den Geist seines Bruders aus nächster Nähe. Er konnte eine Abzweigung vor ihnen erkennen, einen Gang, so schmal und eng, dass man ihn kaum als Höhle bezeichnen konnte. Hier kreuzten die beiden Gänge vom Eingang der Höhle sich abermals. Dunkle Tropfen rannen über den groben Sand am Boden. Eiric eilte zu der Öffnung des schmalen Ganges, das Schwert bereit. Er blockierte die Sicht auf das, was dahinter lag, aber Varzil konnte seine Verzweiflung spüren. Eiric rief einen Befehl, der die anderen Männer zurückweichen ließ. Varzil hob die Fackel. Ihr Licht fiel in den kleinen Raum.

Harald ... und ein verwundeter Katzenmensch, der ihn mit der Krallenpfote am Haar festhielt und Haralds Kopf in einem quälenden Winkel zurückgerissen hatte, eine gebogene Klinge an seiner Kehle. Hinter ihnen kauerten drei Katzenwesen eng nebeneinander. Sie öffneten die Mäuler und entblößten nadeldünne Reißzähne. Varzil konnte ihre Mienen nicht deuten. Kein Mensch konnte das.

Schrecken ... Schrecken und Verzweiflung, pochte es wortlos durch seinen Geist.

Eiric schob sich Zoll um Zoll vorwärts, das Schwert immer noch erhoben. Der Katzenmensch reagierte sofort und riss Haralds Kopf noch weiter zurück. Die gebogene Klinge ritzte die Haut, und ein Blutrinnsal floss über den Hals. Haralds Gesicht war gerötet. Er versuchte, etwas zu sagen. Der Katzenmensch brachte ihn mit warnendem Fauchen und einem weiteren Schnitt zum Schweigen.

Seltsame Gedanken drangen unterhalb der Gefühle des Katzenmenschen heran, die vage Vorstellung von einem Ehrenkodex, den Varzil nicht verstehen konnte.

Eins war jedoch klar: Die Katzenwesen saßen in der Falle, ihr Fluchtweg war versperrt. Sie würden kämpfen bis zum Tod –nachdem sie Harald umgebracht hatten.

Varzil legte Eiric die Hand auf die Schulter, sanft, damit er nicht erschrak und eine rasche Bewegung machte. »Senkt Euer Schwert.«

»Habt Ihr den Verstand verloren. Junge? Was soll sie sonst zurückhalten?«

»Eiric, senkt Euer Schwert.« Varzil sprach mit ruhiger, instinktiver Selbstsicherheit. Die Augen des älteren Mannes schimmerten weiß, als er die Schwertspitze sinken ließ.

Varzil glitt an Eiric vorbei, schob sich über die raue Felsoberfläche. Die Männer hinter ihm murmelten halb protestierend, halb ehrfurchtsvoll.

... Ahnung, was er tut?

... schreckliches Risiko ein ...

... werden Lord Harald und die Hälfte von uns umbringen ...

... keiner lebend hier raus ...

Und ein einzelnes Wort, das im Geist jedes Mannes widerhallte: Laranzu!

Vom Katzenmenschen kam eine Mischung aus Angst ... Hass ... Hunger, und der verzerrte Tanz von Gedankenformen. Sie fühlten sich an wie ein Irrgarten aus Eisen, obwohl Varzil keine Ahnung hatte, woher die Katzenwesen von diesem kostbaren Mineral wussten. Es gab nicht viel Metall auf Darkover, und das Schwert, das der Katzenmensch immer noch an Haralds Kehle hielt, stammte vermutlich aus dem Tauschhandel mit den Trockenstädtern von Shainsa oder Ardcarran.

Vielleicht ist das, woran das Geschöpf denkt, für es so kostbar wie Eisen.

Varzil näherte sich langsam und hielt dabei die Hände tief und vom Körper entfernt. Er ging bewusst nahe genug heran, dass es dem Katzenmenschen, der sich so blitzschnell bewegen konnte, gelingen würde, seinen Gefangenen loszulassen und Varzil selbst die Kehle durchzuschneiden, wenn er das wollte.

In dem trüben orangefarbenen Licht öffneten sich die geschlitzten Pupillen ein wenig weiter. Varzil hatte sich in Gefahr und damit in die Gewalt des Katzenmenschen begeben. Er wünschte nur, er könnte an diesem schlanken, muskulösen Körper etwas erkennen, in diesen Augen, die denen einer Katze so ähnlich waren, irgendeinen Ausdruck, einen Hinweis darauf, was der Katzenmensch dachte. Er musste gegen den Impuls ankämpfen, es mit körperlichem Kontakt zu versuchen, als könnte er sich, wenn er mit den Fingern durch das graue Fell fuhr, auch mit dem Geist des Geschöpfs verbinden. Das hätte der Katzenmensch als Angriff deuten können. Er wagte nicht, es zu versuchen.

Das Bild seiner selbst, wie er die Hand ausstreckte, erfüllte seine Gedanken. Für einen Augenblick sah er den Geist des Katzenmenschen als glitzernden metallischen Käfig mit Edelsteinen und Siegeln, gebaut nach einem unbegreiflichen Entwurf. Es lag Schönheit und Bedeutung in dem Muster, aber es war so weit von Varzils menschlicher Erfahrung entfernt, dass er nur raten konnte, was es bedeutete.

Hunger und Angst ... Das kannte er.

Er baute eine Szene in seinen Gedanken, konzentrierte sich auf jedes Element, bis alles so klar war wie in einem Gemälde. Der Hügel – grünes Gras, Felsen, ein paar Büsche. Schafe – zwei, nein, vier –, das verfilzte grauweiße Fell, die schmalen Füße, die immer noch sicheren Halt auf den Felsen fanden, die Mäuler, die nach frischem Grün schnappten, die kurzen, wackelnden Schwänze. Die Gerüche nach Schafdung und taufeuchter Wolle.

Etwas rührte sich ... Aufregung ... Interesse ... Erinnerung.

Varzil stellte sich einen Hirten vor, nicht irgendeinen, sondern einen Mann namens Donny. Der Hirte hockte direkt oberhalb der Schafe, hielt den Hirtenstab gegen die Schulter gelehnt, trug wie immer seine Schaffelljacke und sah sich mit aufmerksamem Blick um. Angst ... Hass ... Hunger. Wenn auch nicht so stark wie zuvor, war die Reaktion doch unmissverständlich. Schafe gut, Mensch schlecht.

Varzil stellte sich vor, wie der Hirte aufstand und langsam den Hügel hinaufging, weg von der Herde. Er versuchte, das geistige Bild so lebendig zu machen wie zuvor. Schatten, die auf die Steine fielen, der schwerere Atem, als der Hirte die Hügelkuppe erreichte, wo er sich gegen den hellen Himmel abzeichnete ... die Schafe, die ungestört weitergrasten ... die weit entfernte Gestalt des Hirten, der über die Hügelkuppe hinweg verschwand.

Nun stellte sich Varzil einen Katzenmenschen vor, genau dort, wo der Hirte gesessen hatte. Die Ohren mit den dunklen Büscheln waren in einer Haltung gespitzt, von der er hoffte, dass sie für entspannte Ruhe stand. Die Schafe grasten unbewacht weiter.

Der echte Katzenmensch in der Höhle erstarrte. Varzil konnte nicht einmal mehr seinen Atem hören. Das letzte Aufzucken von Angst, Hass und Hunger legte sich, wie sich Staub aus der Luft absetzt, und wich einem Gefühl von Wachsamkeit ... Warten.

Der Katzenmensch, den Varzil sich vorstellte, stand auf. Er bewegte sich steif, da Varzil kaum die Möglichkeit gehabt hatte zu sehen, wie sie sich bewegten, wenn sie nicht kämpften. Aber er spürte keine Feindseligkeit, keine Spur von Unglauben von dem echten Katzenmenschen, nur diese Wachsamkeit ... dieses Warten. Näher und näher kam der vorgestellte Katzenmensch den Schafen, bis er ein paar Schritte vor der kleinen Herde stehen blieb. Ein Schaf, ein fettes Mutterschaf, blickte auf und kam ohne jede Angst auf den Katzenmenschen zu, bis das Geschöpf es leicht hätte berühren können.

Wachsamkeit und Warten wurden zu Hunger und Aufregung.

Der vorgestellte Katzenmensch streckte eine Klauenhand nach dem Schaf aus. Das Schaf näherte sich friedlich und gestattete, dass der Katzenmensch es aufhob und es sich auf die Schultern lud, wie Varzil es bei Hirten gesehen hatte, die verletzte Tiere oder Lämmer trugen, wenn sie zu jung waren, um sich über die halb gefrorenen Frühjahrsweiden zu bewegen.

Hunger ... Aufregung! Unglaube ... Hunger! Hoffnung! Hoffnung! Hoffnung!

Varzil hob eine Hand mit der Handfläche zu dem Katzenwesen, die Finger weit gespreizt, um zu zeigen, dass er unbewaffnet war. Der Katzenmensch in der Höhle fixierte seine Aufmerksamkeit auf die Geste. Auch die drei anderen wurden aufmerksamer. Sie schienen auf ein Zeichen zu warten, aber keiner von ihnen versuchte, die Waffen zu ergreifen.

Varzil hörte das Keuchen der Männer hinter sich, das Rascheln von Tuch über Leder. Die wachsende Anspannung des Katzenmenschen traf ihn wie ein körperlicher Schlag. Er betete, dass Eiric seine Leute ausreichend unter Kontrolle hatte und sie sich weiterhin ruhig verhielten. Wenn er seine Konzentration verringerte, würde die brüchige Verbindung abreißen.

Varzil betete zu allen Göttern, die zuhören wollten, schloss die Augen und konzentrierte sich auf das Bild der Höhle, wie er sie einen Augenblick zuvor gesehen hatte. Darin hielt der Katzenmensch immer noch das gebogene Schwert an Haralds Hals, dunkles Blut lief über Haralds Kehle, und die anderen Katzenwesen warteten im flackernden Fackellicht. Nun zeigte Varzil, wie der Katzenmensch die Waffe senkte. Mit so viel Autorität, wie er konnte, wechselte er wieder zu dem geistigen Bild des Katzenmenschen, der das Schaf davontrug. Die Gestalt wurde kleiner, als sie das Tal entlangging. Varzil zeigte sie auf dem gleichen Weg, den die Katzenwesen bei ihrer Flucht genommen hatten. Er machte deutlich, dass das Tal diesmal leer sein würde. Niemand würde die Katzenwesen verfolgen.

Erneut zeigte er das Bild des Katzenmenschen in der Höhle, der sein Schwert senkte und Harald gehen ließ, sofort gefolgt von einer Vision des Katzenmenschen mit dem Schaf.

Lass meinen Bruder gehen, und ihr könnt die Schafe behalten, die ihr genommen habt. Wir werden euch nicht verfolgen.

Er bezweifelte, dass der Katzenmensch diese Worte verstehen konnte, fühlte sich aber irgendwie sicherer, nachdem er sie selbst im Geist gehört hatte.

Das letzte Bild, das er zeigte, war das der Höhle und von Harald, der frei war und vorwärts eilte. Dann verschwammen die scharfen Kanten des Bildes langsam, wie bei einem Spiegelbild in einem Teich, den man mit einem Stock aufrührt. In den kleinen Wellen erkannte er das Aufblitzen verzerrter Gestalten auf dem Hintergrund von feuerbeleuchteter Dunkelheit: Katzenmenschen ... sie duckten sich, huschten so schnell durch die Schatten, wie ein Falke durch die Luft segelt. Sie trugen Schafe, grau und dick, über den Schultern.

Im nächsten Augenblick war das Bild verschwunden. Der echte Harald sackte vornüber, das Schwert nicht mehr an seiner Kehle.

»Junge«, rief Eiric Harald zu. »Kommt hier rüber.«

Varzil blieb steif stehen, als Harald an ihm vorbeistürzte und in die Arme seiner Leute fiel. Er starrte weiter in die Augen des Katzenmenschen. In seinem Hinterkopf schmeckte er abermals Eisen. Die Katzenwesen beobachteten, ob er sein Versprechen hielt.

Eirics Männer zogen sich den Gang entlang zurück und stützten Harald. Sie hatten die Fackel mitgenommen; nur noch ein unstetes Schimmern fiel in die kleine Höhle. Die Augen des Katzenmenschen flackerten rot und verschwanden dann. Schon als Varzil sich umdrehte, um den Männern zu folgen, wusste er, dass er allein in der Höhle war.

Er holte sie nach ein paar Biegungen ein, denn Eiric hatte sie auf ihn warten lassen. Harald war immer noch auf den Beinen, aber er schwankte. Trotz des Fiebers von seiner Wunde waren seine dunklen Augen klar.

»Was ... was ist geschehen?«, fragte Harald.

»Euer Bruder ist ein Zauberer«, sagte einer der Männer.

»Varzil?«

Varzil nahm einen von Haralds Armen, und Eiric nahm den anderen. »Verschwinden wir von hier. Die Katzenwesen sind kein Problem mehr.«

»Jetzt, wo wir wissen, wo ihr Lager ist oder zumindest die ungefähre Gegend kennen, können wir sie jagen«, sagte Eiric.

»Nein!« Varzil sprach das Wort leise aus, aber er spürte seine Wirkung auf die Männer. »Das dürft ihr nicht tun. Ich habe einen Handel mit ihnen abgeschlossen. Die Schafe und Immunität im Austausch gegen Harald.«

»Handel?«, sagte Eiric, aber seine Stimme verriet ihn. Er war bereit, alles zu glauben, denn es gab keine andere Erklärung für das, was er selbst gesehen hatte. »Ich ... ich habe keinen Handel gesehen.«

»Ich habe ihnen das Wort eines Ridenow gegeben, so gut diese Geschöpfe das verstehen können. Ihr werdet diesen Eid nicht brechen.«

Niemand sagte mehr etwas, bis sie auf dem Sims draußen standen und der Hügelabhang im vollen Morgenlicht vor ihnen lag. Sobald sie die Pferde erreicht hatten, in deren Satteltaschen sich Essen und Wasser befand, hielten sie inne, wuschen und verbanden Haralds Wunden.

Varzil kniete an Haralds Seite und hielt seine fieberheißen Hände. Mit einem Ziehen bedeutete Harald, dass er sich zu ihm beugen sollte.

»Zuerst dachte ich, du wärst nur ein Fiebertraum«, sagte Harald halb im Flüsterton. »Ein Wesen aus dem Delirium. Aber du hast nach mir gerufen, nicht wahr? Und du hast irgendwie den Geist dieses Katzenungeheuers berührt, sodass es sich zurückzog.«

»Ich habe ihm die Schafe und die Freiheit dafür angeboten, dich gehen zu lassen.«

»Die Schafe hätten sie wahrscheinlich sowieso bekommen.« Harald hustete und verlagerte das Gewicht. »Wir müssen uns bald auf den Rückweg machen. Vater wird außer sich sein.«

»Das ist er bereits«, erwiderte Varzil.

»Wie ... wie hast du gewusst, was du tun musstest? Wir haben den gleichen Unterricht erhalten, und ich weiß, ich hätte mich nie mit diesem Geschöpf verständigen können. Dennoch ... du warst nie in einem Turm.«

»Nein, aber ich möchte gerne nach Arilinn.«

Etwas ist in Arilinn mit mir geschehen. Ein Erwachen, ein Öffnen – sonst wäre ich nicht imstande gewesen zu tun, was ich hier getan habe.

Nein, Arilinn lag hinter ihm, ganz gleich, was Auster gesagt hatte. Er hatte seine Entscheidung getroffen; er würde der Sohn seines Vaters sein.

Er packte die Hände seines Bruders fester und ließ dann wieder los, als Harald zusammenzuckte. »Vater denkt ...« Die Worte brachen mit der ganzen aufgestauten Intensität der letzten Stunden aus ihm heraus. »Er denkt, ich habe nicht genug Laran, um die Ausbildung wert zu sein.« Er brach ab. Er würde nicht betteln. Nicht vor seinem Vater und vor niemandem im Ridenow-Clan.

Harald runzelte die Stirn, und seine Augen wurden dunkler. »Nicht genug Laran – nur genug, um zu tun, was nie jemand zuvor geschafft hat: einen Handel mit einem Katzenwesen abzuschließen.« Er schaute seinen Bruder an. »Ich wäre ohne dein Laran nicht mehr am Leben. Eine solche Begabung darf nicht verloren gehen. Du musst nach Arilinn gehen, und wenn ich selbst ihre Mauern stürmen muss. Ich werde mit Vater sprechen. Du wirst deine Chance erhalten.«

Als der Rettungstrupp den Hof von Klarwasser erreichte, war Haralds Fieber gesunken. Er schwankte im Sattel, und sein Gesicht war bleich und teigig, aber er hatte nicht zugelassen, dass sie eine Bahre für ihn bauten. Darin war er seinem Vater sehr ähnlich, dachte Varzil. Sobald man sie entdeckte, kam eine Gruppe von Männern auf sie zugaloppiert, und Dom Felix ritt an der Spitze.

Varzil sah zu, wie sein Vater seinen ältesten Sohn und Erben in die Arme nahm, die alten Augen rot von Tränen. Einen Augenblick lang wünschte er sich, Dom Felix könnte ihn mit der gleichen unerschrockenen Liebe umarmen. Er wusste mit einer seltsamen neuen Sicherheit, die seit dem Besuch in Arilinn in ihm gewachsen war, dass sein Vater ihn tatsächlich liebte und dass es auch mit Liebe zu tun hatte, wenn er seinen schmächtigen Sohn nicht in diese Zaubererhöhle schicken wollte. Ebenso wie der Bewahrer in Arilinn fragte er sich, ob das gut für Varzils Gesundheit wäre.

Anders als Varzil, der sich so seltsame, so unerhörte Dinge wünschte, war Harald ein unkomplizierter Sohn, und seine Wünsche waren für Dom Felix so klar und offen wie seine eigenen. Sie waren sich einig, sie verstanden einander. Felix würde ein Temperament wie das von Varzil nie begreifen können, und kein Maß an väterlicher Liebe konnte sich über diese Kluft hinwegsetzen.

Sobald sie das Haupthaus erreicht hatten, half Varzil dabei, sich um die Pferde zu kümmern. Er erwartete, dass Haralds Versprechen zusammen mit dem Fieber verschwunden war, und er hatte ohnehin kaum Hoffnung, dass sein Bruder imstande wäre, Dom Felix zu überreden.

Also war er ein wenig überrascht, als sein Vater ihn am nächsten Morgen zu einem Gespräch unter vier Augen zu sich rief. Der alte Mann stand vor ihm und bewegte sich kaum merklich von einem Fuß auf den anderen.

»Harald hat mir von den Umständen seiner Rettung berichtet. Er sagt, du hättest mit den Katzenwesen um seine Freiheit verhandelt. Wie bist du dazu imstande gewesen? Kein Mensch beherrscht ihre Sprache, wenn sie denn eine haben.«

Ob er mir nun glaubt oder nicht, ich werde die Wahrheit sagen.

»Ich war imstande, mich durch meine Gedanken mit ihrem Anführer zu verständigen.«

»Durch Laran

Varzil nickte. Durch genau das Laran, das du nicht für ausbildenswert hältst. Ohne es zu wollen, sendete er den Gedanken.

Dom Felix schnappte nach Luft, und seine Augen, verquollen von den intensiven Gefühlen der letzten Tage, leuchteten auf.

»Ich ... ich habe mich vielleicht geirrt. Du warst vielleicht ein verträumter, fauler Junge, aber du warst stets ehrlich. Wenn du sagst, dass du mittels Laran mit den Katzenwesen kommuniziert hast, dann ist das geschehen. Eine solche Gabe darf nicht ignoriert oder verschwendet werden. Du brauchst eine angemessene Ausbildung – wenn nicht in Arilinn, dann anderswo.«

Varzil hob den Kopf, unfähig, etwas zu sagen.

»Wenn du willst, mein Sohn, kannst du noch heute früh nach Arilinn aufbrechen, nicht nur mit meinem Segen, sondern mit meiner untertänigen Bitte, dass sie dich aufnehmen.« Als er Varzils verblüfften Blick sah, fügte er rasch hinzu: »Ich habe dir Unrecht getan, indem ich dich für weniger hielt, als du bist. Und ich möchte das gerne berichtigen.«

Es ist deiner Begabung zu verdanken, dass dein Bruder noch lebt; es wäre so falsch, dich hier zu behalten, als würde ich einen Drachen anketten, um mein Fleisch zu braten.

Varzil brachte kein Wort heraus; er konnte nur auf seinen Vater zugehen und ihn umarmen. Als er sich schließlich von ihm löste, um die wenigen Dinge zu packen, die er mitnehmen wollte, wartete der Luftwagen schon, um ihn zurück nach Arilinn zu bringen.

Zandrus Schmiede

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