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DER SOG (PROLOG)

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Ich wache auf und es ist dunkel. Vielmehr ist es grau. Oder düster. Nicht draußen, sondern in mir. Gestern war noch alles in Ordnung und jetzt zieht es mich knallhart runter. Ich liege in Starre. Es gibt nichts, wofür sich das Aufstehen lohnt. Das Essen im Kühlschrank war gestern noch ein Traum, doch jetzt reizt mich nichts. Der Tag ist fad und farblos. Es ist nichts passiert, aber ein unscheinbares Gefühl in mir sagt, dass irgendwas nicht stimmt. Ich finde keinen Sinn mehr. Ich finde keine Motivation. Ich glaube nicht mehr den guten Gründen und schönen Aussichten, die meine Taten mit sich bringen könnten. Ich schaue auf die kleinen Zettel an meiner Badezimmertür, auf denen meine Lieblingsworte und Werte stehen. Unter ihnen Worte, wie Leichtigkeit, Freude, Verliebtsein, Seelenplan, Wunder, Staunen, Frieden, Ruhe und Klarheit und andere Worte von Dingen, die ich mag. Nichts von dem berührt mich. Nichts muntert mich auf. Ich bin niedergeschlagen, deprimiert, melancholisch und down. Grundlos. Es kam einfach aus dem Nichts. Wie so oft schon. Dabei meditiere ich doch schon seit einiger Zeit, habe so oft erkannt, wie schön das Leben ist, wie herrlich ich mich fühlen und wie begeistert ich sein kann. Doch jetzt ist keine Spur mehr von Begeisterung oder Herrlichkeit zu finden.

Dieses Schwere zieht alles runter und beschwört stattdessen finstere Gedanken herauf. Als würde ein Dämon in mir wohnen. Alles verdunkelt sich. Jede Vision von meiner Zukunft ist nun absolut belanglos. Ich sehe keinen Grund und Sinn mehr in den Dingen, die mir eigentlich Spaß machen. Ich habe das seltsame Gefühl, dass das alles nichts bringt. Meditation ist ein netter Zeitvertreib, aber wenn ich mich dennoch immer wieder so down fühle und nur sporadisch gut, dann kann ich es auch lassen. Ich bin wütend, frustriert, am Untergehen und Verbrennen. Wie ein Phönix, nur dass ich keine Lust darauf habe, wieder aufzuerstehen. Die Welt kann mich mal. Ich bin angepisst und weiß nicht, wieso. Alles geht mir auf den Sack. Alles stresst mich. Ich könnte weinen und schreien und alles kaputt schlagen, was ich eigentlich mag. In diesem Modus habe ich das schon immer gern getan. Ich mag es zu meditieren und andere Menschen davon zu überzeugen, dass das »das Ding« ist. Und jetzt denke ich, dass das alles nur Fassade ist, dass das alles im Grunde überhaupt nichts bringt, außer, dass es vielleicht ein netter Zeitvertreib ist. Aber eigentlich bringt es nicht wirklich was. Wenn es was bringen würde, warum finde ich es jetzt scheiße?

Gestern fand ich es super, saß auf meinem Kissen und war eins mit der Welt. Ich liebte mein Sein und hatte tolle Pläne und Visionen für meine Zukunft. Ich war voller Zuversicht, Optimismus, Vertrauen, Mitgefühl und davon überzeugt, dass ich mir ein wirklich schönes Leben aufbauen kann. Doch heute merke ich, wie verblendet ich war. In diesem Leben geht es um nichts, es gibt keinen Sinn und vor allem merke ich eins: Ich kann mich nicht auf das verlassen, was mir Spaß und Freude macht. Warum sollte ich es dann überhaupt noch machen? Ich finde, das Leben ist unfair und ungerecht. Und ich glaube, es hat was gegen mich. Oder ich habe was gegen das Leben. Dabei bemühe ich mich doch. Ich beschäftige mich mit mir, nehme mir Zeit, meine Emotionen und meinen Geist zu ergründen, ich motiviere mich immer wieder neu und versuche doch nur, mich irgendwie zurechtzufinden. Irgendwie Zeit zu finden, für das, was ich gern mache. Doch, wie so oft, habe ich zwar dann die Zeit, doch dann kommt irgendwas dazwischen, irgendetwas passt oder funktioniert nicht richtig, irgendetwas ist kaputt oder stellt mir ein Bein. Es zieht sich wie Kaugummi im Haar. Ich fühle mich allein, verarscht und hilflos.

Der Ohnmacht weicht ein Gefühl des Sarkasmus. Okay, Welt, wenn du meinst, dann lasse ich es eben bleiben. Dann spiele ich eben dein Spiel mit. Was soll’s, scheiß drauf. Dann setze ich eben nicht meine Ideen um, habe eben keine Freude an dem, was ich tue. Ah, okay, du entscheidest also, wann ich etwas machen darf und wann nicht. Du entscheidest also, wann ich mich freuen darf und wann nicht. Heute wollte ich eigentlich etwas Schönes machen, zum Beispiel einen neuen Song schreiben, aber gut, wenn du meinst, dass du mir lieber meinen Computer kaputt machen willst und ich lieber heute nicht das machen sollte, was ich will, gut, dann machen wir eben, was du willst. Vielleicht darf ich ja irgendwann mal das machen, was ich will. Vielleicht war ich nicht artig und brav genug, vielleicht wollte ich einfach zu viel. Wollen ist ja sowieso etwas Schlechtes, sagen die Buddhisten. Weißt du, dann will ich ab sofort einfach nichts mehr. Dürfte dir doch gefallen, oder? Und weißt du noch was? Scheiß auf dich! Scheiß auf den ganzen Mist hier. Ich brauch dich nicht. Wieso bin ich eigentlich hier? Von mir aus kannst du das Ganze hier auch gleich beenden. Mal ehrlich. Wieso denn nicht? Ich gehe arbeiten, verdiene Geld, das zum Leben reicht, aber lebendig fühle ich mich nicht. Montag bis Freitag mache ich im Grunde nur Dinge, um am Leben zu bleiben, schaue Fernsehen oder liege einfach nur rum, weil ich abends einfach zu müde bin. Danke liebes Leben, dass du ein Wochenende für mich hast. Jetzt habe ich ja endlich Zeit für mich und kann tolle Sachen machen. Aber wieso habe ich das Gefühl, dass ich dir dafür etwas schuldig bin? Oh ja, ich sollte dankbar sein, denn anderen geht es viel schlimmer. Andere haben keinen Job, keine Klamotten, kein Essen. Danke liebes Leben, dass du so großzügig bist und mir erlaubst, mich freuen zu dürfen. Wann darf ich eigentlich selbst entscheiden? Warum muss es immer nur nach dir gehen und nie nach mir? Weißt du, immer wenn ich was machen will, kommt irgendwas dazwischen. Immer wenn ich mich auf etwas freue, machst du es mir kaputt. Ist okay, inzwischen kann ich damit umgehen. Es stört mich nicht. Ich nehme es hin. Jetzt nehme ich es hin. Du hast gewonnen. Aber weißt du noch was? Lass mich einfach in Ruhe. Mach du deinen Kram und lass mich einfach hier liegen. Deinen schönen blauen Himmel kannst du dir sonst wohin schieben, ehrlich. Mich verarschst du nicht mehr mit deinen »Schau, wie toll ich bin!«-Illusionen.

Im Grunde mag ich den sanften Windhauch im Gesicht, das Lichtspiel der Sonne in den Blättern der Bäume, den Gesang der Amseln am späten Nachmittag und den Geruch von frisch gemahlenem Kaffee am frühen Morgen. Aber ich habe dich durchschaut. Das ist alles nur Lug und Trug. In Wahrheit bist du einfach nur sinnlos. Ich fühle dich nicht mehr. Ich fühle nichts mehr, außer Leere. Das Leben ist Leere. So sehr ich mich bemühe, das Leben zu lieben, so sehr ich mich bemühe, mich zu lieben, Frieden mit dem, was ist, zu finden, so sehr ich mich wirklich, wirklich bemühe und Bücher von Eckhart Tolle lese, Yoga und Spaziergänge im Wald mache, Joggen gehe, mich gesund ernähre, Visionboards erstelle, Dankbarkeitstagebücher schreibe und weiß der Henker, was noch alles, umso mehr glaube ich, dass das alles nur Selbstverarsche ist. Eine Art Beweihräucherung, oberflächliche Betäubung, Schönrederei und Symptombekämpfung. Aber es bringt einfach nichts. Ich fühle mich trotzdem wieder scheiße und will am liebsten alles verbrennen, was ich habe. Mich eingeschlossen.

Ich habe nicht mal Bock, mich zu betrinken. Gut, vielleicht rauche ich eine Zigarette und lege mich dann einfach wieder hin. Schlafen hilft. Buddha hat gemeint, man solle sich eine halbe Stunde am Tag Zeit nehmen für all seine Sorgen und Ängste. Und in dieser halben Stunde solle man ein Nickerchen machen. Und ich muss sagen, ja, es hilft. Es hilft zumindest insofern, dass ich dich nicht mehr ansehen, erleben und ertragen muss. Und mich auch nicht.

Ich hasse dieses Gefühl, diesen Zustand. Aber ich hasse auch alles andere. Ich hasse meine Musik, die ich mache, ich hasse Meditation, ich hasse meine Lieblingsbücher, ich hasse meine Lieblingslieder. Ich hasse die gesamte gottverdammte scheiß Welt mit ihren dämlichen Vorgaben. Wieso bin ich hier, wenn alles andere über mich bestimmt? Wieso das Ganze? Wieso? Es ist so mühsam. Ich kann nicht mehr. Ich gebe auf. Wir sollen angeblich auf der Welt sein, um unser volles Potenzial auszuleben.

Unsere Seele hat sich dafür entschieden, in unserem Körper zu reinkarnieren, um das Licht meines Herzens in die Welt hinauszutragen. Ich bin göttlich und das Leben ist dazu da, um sämtliche Emotionen zu erfahren, kreativ zu sein und sich zu verwirklichen. Wir sind Liebe, bedingungslose Liebe und wir sind einzig und allein hier, weil das Leben Freude ist. Du musst nur im Jetzt sein und deine Freude wird in dir aufsteigen und das Leben wird ein riesiger Spaßtanz mit Blumen, Feuerwerk und tollen Cocktails. Und vor allem eins: Du bist der Schöpfer deines Lebens. Du kannst alles erreichen und du musst einfach nur fest daran glauben. Emotionen, wie Wut und Frust, sind einfach nur Blockaden in dir. Öffne dich deinem Herzen, verwandle deine Glaubenssätze und transformiere deine Emotionen und schon steht dir die W elt offen.

Hahaha, dass ich nicht lache. Wenn dieses Leben ein Freudenfest meiner Seele sein soll, warum weiß ich davon nichts? Dieser Seele muss doch vorab klar gewesen sein, dass ich absolut keinen Plan von ihr habe. Warum muss ich mich erst selbst erkennen und mich durch Frust und abgefuckte innere Zustände quälen? Wenn die Seele hier ist, um sich kreativ und spielerisch auszudrücken, warum dann erst dieses ganze sinnlose »Sich-befreien-Müssen«? Warum nicht gleich als Schmetterling auf die Welt kommen und fliegen, statt erst die Raupe zu sein, die sich, wenn überhaupt, mit Müh und Not verpuppt, um dann hoffentlich doch noch fliegen zu können? Warum der ganze Schwachsinn? Das ergibt überhaupt keinen Sinn.

Wir haben eine Aufgabe, höre ich sie sagen. Wir sind hier, um unserer Bestimmung zu folgen und Liebe in die Welt z u bringen.

Weißt du was du mit deiner Liebe machen kannst? Behalt sie für dich. Ich würde wirklich gern, aber ey, wenn du mir jedes Mal Steine in den Weg legst, dann mach’s selbst. Ich habe mich inzwischen bereit erklärt, an all das zu glauben. An etwas Höheres, etwas Sinnvolles, an etwas, von dem wir nicht wissen, was es ist. An Führung, an Seelen, an das Göttliche, das All-Bewusstsein, die Kraft des Universums, daran, dass wir hier wirklich Freude erfahren sollen und uns quasi austoben können. Daran, dass das Leben unsere Spielwiese ist. Das hört sich alles gut an und ich gebe ehrlich zu, ich konnte es schon hier und da in mir spüren. Doch es ist für mich absolut unlogisch. Warum der ganze Heckmeck mit dem Verstand, dem Ego, den Gefühlen, der Niedergeschlagenheit? Warum dieses eintönige Leben, der Kampf, der Stress, das Rumquälen? Warum die dummen Menschen, die mir ständig begegnen? Warum machst du es mir einfach nur immer wieder so schwer? Es ergibt einfach keinen Sinn.

Ich will ja, und ich habe das Gefühl, ich darf nicht. Als müsste ich dich anflehen und betteln. Wie so ein Shaolin-Schüler, der erstmal einen Winter lang vor der Tür des Klosters warten muss, damit er, so Gott will, doch reingelassen wird und trainieren darf. Ich habe mir das nicht einfallen lassen, mit der Welt, dem Leben und dem Universum. Das war alles deine Idee! Ah, ich verstehe: Das Göttliche ist ja auch in mir und ich bin quasi das Universum. Ich bin Gott. Verstehe ich das richtig? Wieso ist das Leben so? Warum gibt es die Menschheit, die sich selbst vernichtet? Die wie ein Virus die Welt zerstört? Die sich gegenseitig zerstört? Warum sind wir dann alle gefangen in unseren Köpfen und Neurosen, unseren Süchten und Begierden? Warum nutzen wir andere aus, manipulieren uns gegenseitig und hassen uns, wo wir uns doch vorher noch geliebt haben?

Ich habe gelesen, dass es einst ein Paradies gab und da soll es wohl so voller bedingungsloser Liebe gewesen sein. Und dann ist irgendwas passiert und nun sind wir verblendet und haben vergessen, dass wir das Licht der Welt sind. Also sollen wir uns aufmachen, dieses Licht zurückzugewinnen, unseren Hass und unsere Angst ablegen, uns der Liebe öffnen, erwachen und das Bewusstsein in die Welt ausstrahlen, sodass wir befreit ein Leben in Freude, Harmonie und lebendiger Liebe leben können, in der wir frei nach unserem Belieben kreieren können, was uns in den Sinn kommt.

Wir sind hier, weil wir die Erfahrung machen wollen. Da, wo wir herkommen, gibt es keine dreidimensionale Welt mit Dingen zum Anfassen. Dort gibt es keine Emotionen und dort gibt es keine Materie, die sich durch unser Schöpfertum manifestieren kann. Dort gibt es nur Schwingung, Energie und Frequenzen. Im Grunde gibt es dort nichts außer reinem Potenzial, das darauf wartet, zu einem stofflichen Ding zu werden, um das Universum zu vergrößern. Jeder Wunsch, jede Manifestation, die wir machen, vergrößert das Universum und genau das will es ja auch: wachsen, kreieren, schöpfen, gestalten, sich ausdehnen und ein unendliches Spiel von Farben und Formen sein. Das Leben verfolgt keinen Plan, es hat keinen Sinn, es ist einfach da und funktioniert. Aber das Leben ist weder gut noch schlecht. Es ist, wie es ist. Aber das Leben ist auch Liebe. Nahtoderfahrene sprechen von diesem Einssein, dieser nie zuvor gespürten, unfassbar großen Liebe, die alles durchströmt und alles ist. Liebe, die uns mitteilt, dass wir hier aus Freude am Schöpfen sind, dass wir aus Großartigkeit und Herrlichkeit bestehen und dass wir nach dem Tod in diese Liebe zurückkehren, die wir die ganze Zeit schon sind.

Und an dieser Stelle frage ich nochmal: Warum dann der ganze Scheiß mit dem Abquälen? Wenn die Seele doch vorher weiß, dass der Typ, in dem sie zu sich kommt, keinen blassen Schimmer davon hat, was hier eigentlich abgeht, warum dann die ganze Mühe? Warum muss ich mein halbes Leben auf einem Meditationskissen sitzen, um das zu checken? Und das ist noch nicht mal gewiss. In einem Zen-Buch habe ich gelesen, dass selbst das Erwachen spontan ist. Alle machen das Gleiche, aber es scheint eher Zufall zu sein, dass es einem geschieht. Es gibt also nicht einmal hier eine Gewissheit. Ich soll darauf vertrauen und hoffen, dass ich vielleicht einer der glücklichen Auserkorenen bin, der die Erleuchtung erlangt und dann endlich schnallt, worum es hier geht. Und dafür wende ich dann die meiste Zeit meines Lebens auf. Das ist fast wie Lotto spielen. Und mal ehrlich: Dann spiel ich lieber Lotto. Da bin ich dann wenigsten Millionär und kann machen, was ich will. Wenn ich da auf dem Kissen sitze, dann bin ich am Ende nur einer, der sich nicht mehr beschwert und auch zufrieden damit ist, nichts zu haben. Einer, der sich allem entsagt hat und sich einfach nur davon überzeugt hat, dass er nichts braucht, um glücklich zu sein. Ich gebe also einfach alle meine Wünsche, Begierden, Freuden und Ziele auf und hoffe dann darauf, den Frieden mit nichts in der Hand zu finden. Und dann kann ich das restliche Leben in meiner Glückseligkeit verbringen. Ist ja wie Rente. Ich schufte und schufte mein Leben lang, vertraue dann darauf, dass nach 40 Jahren mein Geld immer noch etwas wert ist und hoffe dann, dass ich noch etwas von meinem Rentendasein genießen kann, ohne gleich abzukratzen. Also bitte, dein Ernst? Wenn das der Weg ist, warum dann das ganze Gefasel von Schöpfung, Ausweitung, Manifestation und so weiter? Warum gibt es dann leckeres Essen, tolle Orte, geniale Erfindungen, schöne Sachen und fantastische Dinge die man tun kann, wenn all das mich davon abhält, den Frieden mit dir, liebes Leben, und mir, liebes Ich, zu finden? Du hast den Tisch mit den tollsten Speisen gedeckt und nun sagst du, ich solle nicht zugreifen? Und wenn ich es doch tue, bestrafst du mich, damit ich es endlich schnalle, dass mich dieses Verlangen nur unglücklich macht? Was soll dann der Blödsinn mit »Ich bin Gott und der Gestalter meines Lebens«, wenn ich nicht gestalten darf? Warum ist es, wenn ich doch so easy hier meinen Seelenplan verfolgen soll, nur so schwer, so kompliziert und undurchsichtig? Warum sagst du, ich solle mich im warmen Pool erfreuen und packst mir dann Haie rein? Echt jetzt, das ist nicht nachvollziehbar!

Es liegt nur an mir, höre ich dich sagen.

Was ich glaube, ist das, was ich erlebe.

Ja, aber warum hast du mir dann diesen Glauben gegeben, durch den ich mich erst mühsam durchbeißen muss? Warum hast du die Welt so kaputt gemacht, wie sie ist? Ich solle das nicht bewerten? Die Wertung von gut und schlecht macht es erst so leidvoll? Soll ich also einfach mitspielen? Ja, genau, das ist es. Ich spiele einfach mit, akzeptiere, was mir geschieht und wehre mich nicht. Ich bin brav und übe mich darin, einfach mit dem zufrieden zu sein, was ich bekomme. Statt zu nörgeln, dass andere die frischesten Croissants essen, ist doch so ’ne lauwarme Wassersuppe auch okay.

Nur der Vergleich ist es, der mich unglückl ich macht.

Wüsste ich nichts von den Croissants, wäre alles in Ordnung. Ich soll also glücklich sein mit dem, was ich habe, und nicht ständig auf die andere Seite des Zauns schauen. Da sieht es ja eh immer viel schmackhafter aus. Bleib mal schön auf deinem Teller. Sag mal, bist du meine Mutter? Ich denke, ich bin du und du bist ich? Wieso schreibst du mir dann allerhand solchen Blödsinn vor? Wenn ich Croissants essen will, dann darf ich das doch, oder? Und wenn ich sie heute essen will und nicht erst dann, wenn du es mir gestattest, dann sollte das doch drin sein, oder etwa nicht? Aber ja, ich verstehe, der Wunsch ist der Feind.

Ein gesunder Mensch hat tausend Wünsche, ein Kranker nur einen.

Je mehr Wünsche ich habe, desto unzufriedener bin ich. Hier nimm, du kannst alle meine Wünsche haben. Ich brauch sie ohnehin nicht, wenn sie sich nicht verwirklichen. Oder wenn sie es doch tun, dann will ich sie trotzdem nicht mehr. Ich will nicht betteln und beten, will dir nicht etwas schuldig sein müssen. Gib mir einfach meine lauwarme Pissesuppe und hin und wieder mal ein Stück Schokolade, ganz wie du magst. Ich verspreche dir, ich werde mich darin üben zu gehorchen und mich nicht zu beschweren. Macht sowieso keinen Unterschied. Wenn ich mich bemühe, etwas Tolles in meinem Leben zu erschaffen, dann ist es anstrengend und am Ende fühle ich mich nur ausgelaugt. Kennst du den Begriff »Pyrrhussieg«? So fühlt es sich an. Ich kämpfe, gewinne die Schlacht, doch ich habe am Ende selbst so viel Schaden davongetragen, dass ich nichts von meinem Sieg habe.

Was ich damit sagen will, ist, dass ich mich einfach nur verarscht fühle. Ich lege mich jetzt wieder schlafen. Ich weiß ja, dass nach jedem Regen Sonnenschein kommt. Also warte ich einfach wieder darauf, bis sich die Wolken verzogen haben. Ist schließlich nicht das erste und ganz bestimmt auch nicht das letzte Mal. Wahrscheinlich gewöhne ich mich noch daran. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Also mache ich die Augen wieder zu und habe eben diesen Tag vergeigt. Gern hätte ich heute irgendetwas Tolles gemacht. Aber was soll’s. Lege ich mich halt wieder hin. Ich habe keinen Bock mehr zu kämpfen oder an mir zu arbeiten. Trägt doch sowieso keine Früchte. So lebe ich eben wahllos und gebe mich deiner Willkür hin. Du entscheidest, wann es mir gut geht und wann nicht. Du entscheidest, wann ich was machen darf und wann nicht. Und du entscheidest auch, was ich machen darf und was nicht. Hab’s verstanden. Aber dann lass ich den ganzen »An-mir-arbeiten-Scheiß« sein. Wenn ich dem Ganzen nur ausgeliefert bin, dann kann ich mich auch anders unterhalten, als an mir zu arbeiten, irgendwas aus mir zu machen, mein Herz zu öffnen, ein positives Mindset zu entwickeln und so lange zu hören und zu lauschen, was meine Seele doch so unbedingt durch mich ausdrücken möchte, bis ich es verstanden und endlich leben kann. Ich habe es satt, dich um Gnade anzuflehen. Ich habe dir nichts getan, also tu du mir auch nichts. Lass mich einfach in Frieden hier liegen. Morgen wird schon alles wieder besser sein. Und so lebe ich einfach mit diesen Aufs und Abs, bin himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt, baue etwas auf, um es am nächsten Tag wieder zu vernichten, und gehe einen Schritt vor und einen wieder zurück. Ich bleibe also auf der Stelle stehen. Genauso fühlt es sich an. Oder wie im Kreis laufen. Probieren, scheitern, probieren, scheitern. Ohne Ergebnis.

So ist das Leben. Geburt und Tod. Und wenn ich mich ganz stark zusammenreiße, dann akzeptiere ich das Ding mit der Wiedergeburt. Dann geht der ganze Prassel wieder von vorn los. Und auch hier muss ich einfach spöttisch fragen: Karma also? Ich werde so lange wiedergeboren, bis ich alle meine Blockaden gelöst habe, mir meines Egos bewusst geworden bin, um dann in das göttliche Reich aufgenommen zu werden und den Leidensweg der ewigen Reinkarnationen ein für alle Mal zu durchbrechen. Hier beißt sich aber deine Theorie selbst ganz schön in den Schwanz. Bin ich nun hier, um die Freude und Liebe, was meine Seele ist, auszuleben, zu schöpfen und zu kreieren, was das Zeug hält? Ist meine Seele hergekommen, um die wundervolle Erfahrung von Manifestation und Emotionen machen zu können? Ist das hier nicht alles bedingungslose Liebe und wenn wir das erst einmal erkannt haben, dann wird die Welt wieder zu dem Paradies, was sie einst war? Oder ist das hier eher so etwas wie eine Art Rehabilitationsstation für kriminelle Seelen, die irgendwann Scheiße gebaut haben und nun den Samsara Kreislauf des leidvollen Lebens so lange durchlaufen müssen, bis sie endlich geschnallt haben, was sie falsch gemacht haben, und sich so lange reinigen, bis sie wieder zu Mama und Papa dürfen?

Jesus, Buddha, Krishna und wen es sonst noch so gab, haben es irgendwie verstanden. Es gibt unzählige Bücher. Wer soll die alle lesen? Und hast du selbst mal einige davon gelesen? Weißt du überhaupt, wie schwammig, märchenhaft oder einfach unverständlich sie sind? Da sitzt ein Avalokiteshvara vor einem Shariputra und erzählt ihm, dass alle fünf Skandas leer sind und Leere nichts anderes als Form ist und umgedreht. Und das soll mir jetzt weiterhelfen? Dein Ernst? Ich frage dich nochmal: Wenn wir hier sind, um das Leben zu genießen, als eine Art Playstation-Spiel, bei dem Super Mario die hübsche Prinzessin rettet und nebenbei ’nen Haufen Goldmünzen einsammelt, warum muss ich dann erst ein halbes Leben damit zubringen, die Anleitung zu diesem Spiel zu studieren, welche dazu noch auf Chinesisch geschrieben, schlecht kopiert und mit rausgerissenen Seiten geliefert wurde? Und da darf ich mich noch glücklich schätzen. Denn immerhin haben viele gar keine Anleitung bekommen und wundern sich, warum sie ständig von den Schildkröten abgeschossen werden.

Und ja, ich weiß, Super Mario ist Nintendo, nicht Playstation. Hmpf.

Also wenn es nach mir ginge, dann würde ich endlich mal sagen, was hier wirklich Sache ist und nicht ständig nur so vage drum herumreden. Dann würde ich mehr als nur alle 2000 Jahre mal einen Menschen schicken, der uns aufklärt. Dann würde ich dafür sorgen, dass es klar, deutlich und verständlich ist. Und auch, dass man nicht erst sein halbes Leben damit verbringt, sich abzuquälen, so lange, bis es unerträglich ist, um dann vor der Entscheidung zu stehen, sich umzubringen oder sich durch Spiritualität zu erlösen. Wählt man dann den zweiten Weg braucht es dann auch noch das restliche halbe Leben, um (und das ist nicht mal sicher!) wenigstens kurz vor dem Tod noch irgendwie ins Reine zu kommen. Also wenn es nach mir ginge, dann soll die Seele als Seele hierherkommen und gleich anfangen mit ihrem Seelenzeugs und dieses Katz und Maus Spiel einfach stecken lassen. Aber, wie du mir heute wieder einmal zu verstehen gegeben hast, geht es nicht nach mir. Also mach dein Ding einfach weiter und lass mich mein Leben leben. Und nimm deine schönen Wolken und tollen Aussichten und zeig sie jemanden, der dir noch glaubt. Ich tue es jedenfalls nicht mehr. Ich bin raus. Gute Nacht. Da ist die Tür! Und mach das Licht gefälligst aus, wenn du gehst.

Am liebsten … für immer!

Der Schattenwolf in dir

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