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Fühle, was zu fühlen ist

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Es ist nicht der in uns wohnende Wolf an sich oder das störende Kind vor uns, das ein Problem darstellt, weil es uns auf die Palme bringt. Es ist unser eigenes, inneres Erleben, gegen das wir etwas in solchen Momenten haben. Wir haben in Wahrheit etwas gegen uns selbst, weil wir uns anders fühlen, als wir uns fühlen wollen. Und die Wut des Kindes vor uns erinnert uns an unsere eigene Wut, die wir ablehnen.

Wir können nur das in einem anderen fühlen, was wir bereit sind, in uns selbst zu fühlen. Dadurch können wir auch nur das an einem akzeptieren und annehmen, was wir bereit sind, in uns selbst anzunehmen.

Haben wir gelernt, dass einige Emotionen schlecht sind und damit verknüpft, dass wir schlecht sind, dann macht uns das Angst, sobald wir diese Emotionen in uns bemerken. Steht nun so ein böser Wolf vor oder in uns, kommt all das wieder hoch: das Gefühl der Minderwertigkeit, das »Nicht-richtig-Sein«, die Scham, die fehlende Liebe und Zuneigung und der Drang, diesen Zustand schnellstens wieder loszuwerden. Also versuchen wir dem Gegenüber (und uns selbst auch) gut zuzureden, ihm zu sagen, dass er nicht traurig sein soll, nicht zu weinen braucht und es keinen Grund gibt, jetzt so zu reagieren. Und springt er nicht darauf an, werden unsere Maßnahmen drastischer. Und das alles nur, damit wir nicht fühlen müssen, was gerade in uns abgeht. Wir sagen also in Wahrheit nicht: »Gräme dich nicht!«, weil wir wollen, dass es dem anderen wieder besser geht. In Wahrheit sagen wir: »Ändere deine Gefühle, damit ich nicht mehr durch dich gezwungen bin, die gleichen Gefühle zu fühlen, die ich im Grunde verachte und nicht fühlen will.«

Wenn wir keine gesunde Einstellung zu unseren Gefühlen und unserem inneren Wolf finden, dann werden wir ständig versuchen uns und unser Umfeld zu manipulieren. Wir können uns nicht selbst täuschen, denn tief im Inneren wissen wir um die Lügen, die wir uns selbst erzählen. Und aus diesem Grund wird der Wolf dann noch aggressiver. Kinder im Übrigen auch. Wenn du jahrelang deine Emotionen unterdrückst und keinen harmonischen Fluss in deinem Energiesystem mehr hast, dann steigert dies deinen permanenten Stresslevel und deine Grundanspannung. Du wirst verspannt, schneller gereizt, nervös, unzufrieden, argwöhnisch, frustriert, zornig und verbittert. Irgendwie platzt es dann früher oder später immer heraus. Entweder gegen dich oder gegen andere. Bei mir war es immer gegen mich gerichtet. Wenn ich im Außen mit meinem Kampf, meiner Anstrengung, meiner Kontrolle und meiner Wut keine Wirkung erzielen konnte, dann habe ich diese ganze Energie gegen mich und alles, was mir lieb war, gerichtet. Als Kind habe ich mein Spielzeug zertreten, als Erwachsener meine Träume zerrissen. Natürlich immer mit dem Akt des Bedauerns, wenn das Gewitter wieder vorbei war. Dann war ich zwar wieder einigermaßen in Balance, aber ein fader Beigeschmack, der mir sagte, dass mit mir irgendetwas nicht in Ordnung sei, blieb.

Dabei reicht es oft schon, wenn wir das Kind, sprich den Wolf (im Grunde also uns selbst), in den Arm nehmen. Aber wie soll das gehen, wenn ich der zerstörerische Wolf bin und es mir in diesem Moment nicht nur nicht gelingt, den Beobachter-Liebevolle-Eltern-Modus zu aktivieren, sondern ich sogar diesen Modus verachte? Statt mich gegen den Wolf zu stellen, stelle ich mich auf seine Seite. In dem ich zum Beispiel schreibe. Doch das ist ein mutiger Schritt, denn du musst dich deinen Gefühlen stellen. Statt vor dem Schmerz davonzurennen, oder ihn an dir und anderen auszulassen, gehst du in den Schmerz hinein und fühlst, was zu fühlen ist. Und damit meine ich nicht nur die Emotionen, sondern auch den unablässigen Gedankenstrom, den du ebenfalls als eine Art Gefühl im Kopf wahrnehmen kannst.

Der Weg zur Freiheit geht durch die Angst hindurch und führt leider nicht an ihr vorbei.

Der Schattenwolf in dir

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