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#3 Gibberish und Katharsis

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Mithilfe dieser »Techniken« kannst du dich noch intensiver mit deinen Gefühlen beschäftigen bzw. diese ausleben und somit aus dem Sog heraus und in den Raum eintreten, der um diese Gefühle und Zustände herum existiert und der du in Wahrheit bist.

Gibberish ist eine Möglichkeit, bei der du deinen Gefühlen durch Worte, Laute und Klänge Platz machst. Dabei nutzt du aber keine dir bekannten Worte, sondern redest Kauderwelsch. Was auch immer du in dir empfindest und spürst, verleihst du Ausdruck durch deine Sprache. Aber du nutzt eine dir nicht bekannte Sprache. Du nutzt eine ausgedachte Fantasiesprache. Das können wahllos aneinandergereihte Klänge und sinnlose Worte sein, die dein Gefühl unterstützen. Du stehst am besten in einem sicheren, geschützten Raum und fängst an, zu reden, zu schreien, zu singen oder zu blubbern. Du kannst dabei große Rede schwingen, dich richtig aufregen, schimpfen, beleidigen, anklagen, bellen wie ein Hund, brüllen wie ein Löwe oder diskutieren ohne Ende. Nimm deinen Körper mit dazu und gestikuliere wild. Lass den ganzen Körper sich ausdrücken und unterstütze ihn durch den Sound deiner Stimme. Es geht nicht um die Worte selbst, sondern um die Energie dahinter.

Ich weiß noch wie ich einmal durchgedreht bin, als mich meine Partnerin auf die Palme gebracht hatte. Sie hatte einen wunden Punkt in mir getroffen, bei dem es mir nicht möglich war, die Kontrolle und den offenen, wahrnehmenden Raum beizubehalten. Ich konnte nicht die in mir aufsteigende Wut halten. Sie übermannte mich. Zum Glück waren wir räumlich getrennt und ich konnte meine Wut ausleben. Normalerweise sitze ich sonst da, spüre die Wut in mir und habe denjenigen als meinen Feind im Kopf, der mich wütend gemacht hat. Normalerweise bleibe ich auch im Kopf und diskutiere mental mit demjenigen. Ich werfe ihm Sachen an den Kopf, beleidige ihn, verachte ihn und rege mich innerlich so endlos auf, dass ich nicht mehr davon ablassen kann. Immer wieder bringen mich meine Gedanken zu den Gefühlen und die Gefühle zu den Gedanken. Eine nie enden wollende Endlosschleife. Doch mit dieser Übung kannst du diese Schleife durchbrechen.

Ich stellte mich hin und fing an, den ganzen Streit nicht nur mental auszuleben, sondern jetzt wirklich körperlich zu werden. Ich murmelte irgendeinen sinnlosen Kram. Dabei sind es oft Explosivlaute, die mit meiner Wut richtig gut resonieren. Normalerweise sind es Schimpfworte, die mit »F« beginnen. Doch statt mich dieser Worte zu bedienen, erfand ich einfach Worte, die mit »F« begannen, wie »Fifufa«. Die Energie, die dieses »F« bei mir auslöst, ist enorm. Anfänglich sah ich meine Partnerin noch vor mir und richtete meine Wut auf sie. Doch mit der Zeit genoss ich die Intensität meiner Wut und die dahinterliegende Energie. Je mehr ich den Blick auf mein Innenleben und meine Energie richtete und darauf, wie diese Energie ins Fließen kam, desto mehr verschwand meine Partnerin vor meinem geistigen Auge. Nun war es nur noch ich, der mit seinen Gefühlen im Raum stand und diese nur für sich und gegen niemanden auslebte. Ich wollte nur noch diese Gefühle spüren und ihnen den Raum geben, den sie sich suchten.

Ich wehrte mich nicht mehr gegen diese Gefühle und verurteilte sie nicht mehr. Ich wehrte mich auch nicht mehr gegen den, der sie ausgelöst hatte. Ich sprach meine Partnerin frei und klagte nicht mehr. Ich sprach meine Gefühle frei und klagte auch diese nicht mehr an. Das war magisch. Denn ich konnte feststellen, wie dieses Freisprechen mich entspannte. Und das während ich in wilder Raserei war. Diese Befreiung von dem Widerstand gegenüber dem Auslöser (meine Partnerin) und den Gefühlen (die Wut) brachte Frieden mit sich, ja, sogar etwas wie Freude. Ich konnte mich tatsächlich an meinem Zustand erfreuen. Dieser Zustand hinderte mich jetzt nicht mehr an irgendetwas. Er nahm mir nichts mehr weg oder hielt mich von etwas fern.

Oft wollen wir das ultimative Glücklichsein empfinden, weil wir meinen, das Leben sei vergebens und verschenkt, wenn wir es die meiste Zeit mit Qual verbringen. Wir wollen nicht eines Tages an der Schwelle des Todes stehen und rückblickend sagen müssen, dass wir unser Leben verkackt haben, weil wir nicht das bekommen oder erreicht haben, was wir wollten und uns mehr geärgert haben, als dass wir glücklich gewesen waren. Und alles, was auch nur annähernd uns davon abhält Glück zu empfinden, wird sofort von uns bombardiert. Doch in Wahrheit hält uns nur unser Widerstand davon ab, glücklich zu sein. Nur unsere Idee, wie Glück sein soll, schreibt uns vor, was alles auf dieser Liste steht und was alles unser Feind ist. Jetzt, da ich aber mit der Wut auf einmal Frieden empfand, war sie kein Feind mehr. Jetzt, da ich die Wut nicht mehr als Feind betrachtete, wich auch meine Partnerin von der Liste der Feinde. Das, was sie in mir auslöste, war nichts mehr, was mich geißelte. Ich befreite mich selbst von mir und meinen alten Wunden. Ich befreite mich von der Anklage und davon, es »anders haben zu wollen«. Ich erkannte, dass ich allein den Schlüssel zur Veränderung in mir trage und dass, egal was im Außen passiert, ich die Macht in mir habe, mich und damit mein Leben zu transformieren. Und das, in dem ich den Weg durch die Angst ging.

Du kannst diese Übung noch ausweiten und anfangen in Kissen zu schlagen, zu stampfen wie ein Gorilla, zu treten, zu schreien, zu boxen und dich auf dem Boden zu wälzen. Die Befreiung von mentalen Konflikten und emotionalen Spannungen durch das Ausleben dieser bezeichnet man als »Katharsis«. Ein äußerst effektiver Weg, den ich dir sehr ans Herz lege. Oftmals konnte ich auch hier die darunter liegenden Gefühle entdecken, die mir gerade fehlten und nach denen ich mich sehnte. Wenn die Wut abgeklungen war, so nahm ich mir meist noch die Zeit, mich diesen Gefühlen zu widmen. War da zum Beispiel Traurigkeit oder Einsamkeit, so saß ich auf dem Boden, nahm mich gefühlt in den Arm und hörte mir zu, indem ich auch diese Gefühle fühlte. Da ich durch das Losund gleichzeitige Zulassen der Wut eine Art friedvolle Entspannung in der Anspannung wahrnahm, konnte ich mich diesen Gefühlen auch liebevoller zuwenden. Ich war im Frieden und wollte auch diese Gefühle nicht mehr anders oder weghaben. Auch diese Gefühle, so erkannte ich, nahmen mir nichts weg und hielten mich von nichts ab.

Gefühle drücken sich gern in Bedürfnissen aus. Wir fühlen uns einsam und haben das Bedürfnis nach Nähe. Doch es ist gar nicht vonnöten, jedem Bedürfnis hinterherzurennen und sich sofort an das Lösen des Problems zu machen. Die Gefühle sind keine Probleme. Und ein Bedürfnis auf Teufel komm raus umzusetzen oder erfüllen zu wollen, lässt dich wieder nur im Außen nach Heilung suchen. Findest du dort aber nicht die erhoffte Erlösung, wirst du nur noch frustrierter, bis du am Ende womöglich noch kapitulierst, verbitterst und dir einredest, du kannst in dieser Welt nichts bewirken, du bist falsch hier auf diesem Planeten, das Leben ist gegen dich und du bist es nicht wert, dass du bekommst, was du willst. Du machst dich abhängig von einem Erlöser außerhalb von dir. Doch du bist dein eigener Erlöser und du trägst die Macht in dir, dich besser um dich zu kümmern, als es ein anderer jemals tun könnte. Das heißt nicht, dass du keine deiner Bedürfnisse mehr erfüllen solltest. Das heißt nur, dass du dein Leben selbst in die Hand nimmst und dich aus der Abhängigkeit befreist. Sinnbildlich gesprochen heißt das, wenn du Hunger und das Bedürfnis nach Nahrung hast, gehst du nicht los und hoffst, in einem Restaurant Essen zu bekommen. Das kannst du tun, doch wenn du keins findest, dann kochst du dir einfach selbst etwas. Du regst dich nicht über den Koch auf, der dein Essen versaut hat, und nicht über überfüllte Restaurants, die keinen Platz mehr für dich haben. Ist dem so, kümmerst du dich selbst um dich. Und gelingt es dir nicht gleich beim ersten Mal, dir ein gutes Essen zuzubereiten, dann hast du eben etwas weniger Appetitliches gegessen und gehst mit etwas Hunger ins Bett. Auch das wird dich nicht umbringen. Du wirst merken, dass auch Hunger nichts ist, weswegen du zum Tyrann mutieren musst.

Der Schattenwolf in dir

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