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Die Geschichte der zwei Wölfe neu interpretiert

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Vermutlich kennst du die alte Indianer-Geschichte von den zwei Wölfen. In jedem zweiten Ratgeber wird sie gern aufgegriffen. Ich möchte dir hier aber einmal einen anderen Blick auf diese Geschichte zeigen. Für all diejenigen, die sie nicht kennen, hier eine kurze, unromantische Zusammenfassung der Story:

Ein Indianeropa saß mit seinem Indianerenkel am Lagerfeuer. Da erzählte der Opa eine Geschichte vom ewig währenden Kampf zweier Wölfe, die sinnbildlich für die zwei Seiten in einem jeden Mensch en stehen.

Der eine Wolf ist böse, voller Hass, Missgunst, Neid, Stress, Selbstmitleid, Urteilen, Lügen, Arroganz und Überhe blichkeit.

Der andere Wolf jedoch ist voller Liebe, Mitgefühl, Güte, Selbstlosigkeit, Frieden, Freude, Geduld, Fürsorge und so weiter.

Daraufhin fragte der Enkel den Opa, welcher dieser beiden Wölfe denn den Kampf gewin nen würde.

Der Opa antwortete, dass der gewinnt, den e r füttert.

Tja, so sieht es aus. Und dann wird es gern so verstanden, man solle den bösen Wolf quasi verhungern lassen, ihn ausblenden, nicht beachten und dann würde er schon mit der Zeit sterben. Aber was passiert mit einem aggressiven Wolf, der zudem noch Hunger hat und keine Aufmerksamkeit bekommt? Richtig, er wird noch aggressiver und unberechenbarer. Je mehr wir ihn verdrängen, desto gefährlicher wird er. Denn er wird nicht einfach so sterben. Stell dir mal vor, der Wolf ist auch ein Teil von dir. Das hieße, du würdest einen Teil in dir verachten und abwerten. Da bemühst du dich daraufhin, die positiven Aspekte deines Lebens hervorzuheben und achtest darauf positiv zu denken, machst irgendwas Gemeinnütziges, hilfst anderen und arbeitest an dir, dich gut zu fühlen. Du beginnst vielleicht mit positiven Affirmationen und schreibst Dankbarkeitstagebücher. Und dann, aus heiterem Himmel holt es dich wieder ein und zerreißt dich innerlich, so wie bei meiner kleinen Geschichte im Kapitel zuvor.

Erkennst du, dass du beide Wölfe bist? Dass beide Anteile zusammen erst ein Ganzes ergeben? Und was willst du denn eigentlich wirklich? Ankommen, Frieden, Ganzheit und eins mit dir und dem Leben sein, richtig? Dann frage ich dich, wie kannst du das erreichen, wenn du Anteile in dir verneinst, die zweifelsohne bereits schon ein Teil von und in dir sind? Wie willst du aus der gefühlten Spaltung und Trennung, die du innerlich erlebst, einen friedvollen Ort schaffen, wenn du die Trennung gerade durch deine Ablehnung noch mehr verstärkst und somit auch weiterhin aufrechterhältst?

Der böse Wolf will im Grunde nur Aufmerksamkeit, Liebe und Mitgefühl. Auf seine Weise. Nicht auf die Weise, wie wir meinen, wie Liebe und Mitgefühl zu sein haben. Er ist eben dieser böse Wolf und du wirst ihn nicht zu einem Schoßhündchen transformieren können. Dieser Teil in dir kennt nur den Hass, die Urteile, die Gegenargumente, die Einwände, die Zweifel, Sorgen und Ängste. Und wir können ihn nicht überzeugen sich zu ändern. Das will er nämlich nicht. Und er kann es nicht. Er kann nur das, was ein Wolf tun kann. Es ist seine Natur. Willst du ihn tatsächlich dafür verteufeln, weil er eben so ist, wie er ist? Willst du einen Hai für schuldig halten, weil er kleine süße Baby-Robben tötet, um seinen Hunger zu stillen? Sicherlich nicht. Du weißt, es ist die Natur des Hais. Es wird dich traurig stimmen und dir ans Herz gehen, aber du wirst den Hai nicht zum Vegetarier umerziehen wollen. Du kannst höchstens dafür sorgen, dass er keine Robben mehr bekommt. Aber das würde den Hai töten. Nur weil es seine Natur ist, Robben zu töten, bestimmst du nun darüber, ob der Hai oder die Robben leben sollen? Wäre es nicht gescheiter, den Hai irgendwie zu leiten? Ihn dahin zu bringen, wo er sich in seiner Fresswut vollstopfen kann, ohne dabei Schaden anzurichten?

»Den Wolf füttern« heißt so viel wie, ihm die Energie zu nehmen, nicht mehr gänzlich von ihm aufgesogen zu werden, nicht mehr zu diesem Wolf zu werden, sondern ihn als Teil von uns, aber nicht gänzlich als uns zu erkennen. Wenn uns das gelingt, dann müssen wir den Wolf nicht umerziehen, nicht domestizieren, oder, sollte uns all das nicht gelingen, ihn ausrotten. Wir lenken seine Energie um, kanalisieren sie in etwas, bei dem der Wolf bekommt, was er will, und wir dabei nicht draufgehen. Doch dafür müssen wir das Wesen des Wolfes verstehen und wissen, auf welches Futter er scharf ist und was er alles unternimmt, um dieses zu bekommen.

Der Schattenwolf in dir

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