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Hingabe
ОглавлениеEberhard Arnold hat in den folgenden Wochen fast jede freie Minute zum Lesen und Nachdenken genutzt. Er berichtet später, Jesu Bild sei ihm in blendender Reinheit erschienen. Ihm nachzufolgen sei dringendste Forderung geworden – ein innerer Ruf, der alles andere übertönt habe. Die Eltern, Anfang September zurückgekehrt, bekamen zunächst kaum etwas mit von dem Drama, das sich da im Innern ihres Sohnes abspielte. Er war in sich gekehrt, auffällig war allenfalls, dass er die Jugendstunden eines jungen Pastors besuchte.
Äußerlich änderte sich an seiner Haltung kaum etwas – bis zum 2. Oktober 1899. Da fasste er beim Spazierengehen auf der Hauptstraße unvermittelt einen Entschluss, bog auf die Promenade ab und steuerte die Dienstwohnung des Pastors an. Der war anscheinend nicht überrascht und hörte sich einen Schwall von Fragen und Einwänden an. Unter anderem diese: „Warum höre ich bei Ihnen so wenig vom Heiligen Geist? Ich verlange nach der Wirkung des Geistes Christi.“ – Worauf der Pastor gelassen erwiderte, das sei ja einzig und allein die Wirkung des Heiligen Geistes, dass der „junge Freund“ auf einmal zu ihm gekommen sei. Das leuchtete ein. Mit ein paar behutsamen Ratschlägen wurde Eberhard Arnold entlassen. Er ging rasch nach Hause, schloss sich in den Salon ein, schlug in seiner Taschenbibel das dritte Kapitel des Johannesevangeliums auf und las es laut. Das heißt: Er buchstabierte für sich persönlich die Bedeutung des Begriffs „wiedergeboren“ (Joh 3,3ff), bekannte seinen Glauben an Jesus, den Sohn Gottes (Joh 3,16), und er fasste mit den Worten von Joh 3,21 den Entschluss, mit allen bösen Werken zu brechen und künftig „die Wahrheit zu tun“. Außerdem erwog er bis in die Einzelheiten seiner Lebensführung hinein den Preis und die Veränderungen, die sein Schritt von ihm fordern würde.
Eine weitreichende Entscheidung, zumal für einen 16-Jährigen. Sie wurde belohnt: Als unsagbare Freude habe der Strom der Liebe Gottes sein Herz überflutet, schreibt er mehr als 30 Jahre später. – Als er schließlich den Salon verließ, bis ins Innerste erschüttert von seiner Erfahrung, fand er die Familie zum Abendbrot im Esszimmer versammelt. Mit belegter Stimme wandte er sich an seine Eltern und erzählte ihnen, was geschehen war und was das für ihn bedeute. Der Vater sagte gar nichts, verhielt sich zweifelnd-abwartend. Die Mutter fand einen begütigenden Satz, konnte die Erklärung ihres Sohnes aber nicht so recht einordnen. Die Geschwister schwiegen. Nach einer Pause – peinlich nur für die anderen, nicht für ihn – ging man zur Tagesordnung über.