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Erstmals: die Täufer
ОглавлениеDer Breslauer Bibelkreis geriet um das Jahr 1901 unter den Einfluss eines jungen ostpreußischen Adligen. Eberhard Arnold nennt ihn in seinen Jugenderinnerungen „von Gürten“2. Er war für unbedingte und klare Nachfolge Jesu, zwängte sich selbst und andere aber in ein enges Korsett von Gesetzen. Sein Auftreten war leidenschaftlich, aber auch bedrohlich und gebietend. An anderen Christen ließ er kein gutes Haar. Anfangs bewunderten die Teilnehmer des Bibelkreises den Mann fast vorbehaltlos und empfanden nur unklar, dass seine Haltung ihre eben erst gewonnene Freiheit im Glauben einzuengen drohte. Erst mit der Zeit entzogen sie sich seinem Einfluss. Bei aller Zwiespältigkeit – viele verdankten ihm durchaus wichtige und richtige Impulse. Eberhard Arnold zum Beispiel vertiefte sich auf seine Anregung hin in die Geschichte der frühen Kirche, außerdem sprach er seinen Vater auf die Täuferbewegung3 des 16. Jahrhunderts an.
Das war endlich mal ein Feld, auf dem er mit der Unterstützung seines Vaters rechnen konnte. Carl Franklin Arnold war etwas beunruhigt, dass sein Sohn sich ausgerechnet für eine in seinen Augen erfolglose Seitenlinie der Reformation interessierte. Trotzdem, er machte ihm seine wissenschaftliche Bibliothek zugänglich und stellte sich langen Gesprächen über die Täuferbewegung und Vergleichen mit dem Weg, den die Kirche Martin Luthers genommen hatte.
Durch seinen Vater ist Eberhard Arnold auf einen anerkannten Gelehrten aufmerksam gemacht worden, der über die Geschichte der mährischen Täuferbewegung Jakob Hutters geforscht hatte: den Grazer Geschichtsprofessor Johann Loserth. Eberhard Arnold hat Loserths zweiteiliges Buch über den „Anabaptismus in Tirol“ in der Bibliothek des Vaters vorgefunden. Er erwähnt eine Diskussion mit dem Vater über Loserths Anerkennung der mährischen Wiedertäufer als „gute treue Menschen reiner Sitte und strenger Jesusliebe“. Das Wissen und die Eindrücke, die Eberhard Arnold bei diesen Gesprächen und der entsprechenden Lektüre gewonnen hat, haben mit längeren Unterbrechungen, im Abstand von jeweils sechs bis sieben Jahren, entscheidend weitergewirkt (drei Jahrzehnte später hat er selbst wissenschaftlichen Austausch mit Prof. Loserth gepflegt). Im Augenblick sorgte die Entdeckung der täuferischen Geschichte lediglich dafür, dass dem jungen Mann Zweifel an der preußischen Staatskirche kamen, die seinem Vater so unendlich viel bedeutete. Damit wird ein paradoxer Zug an der Beziehung zwischen Eberhard und Carl Franklin Arnold erkennbar: Sie fanden und verstanden sich im gemeinsamen glühenden Interesse an der Geschichte der Christenheit, zugleich setzten sie sich in der Bewertung dieser Geschichte immer weiter voneinander ab.