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a) Legalitätspflicht und Leitungssorgfaltspflicht des Vorstandes

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Als Ausgangspunkt der Überlegungen, ob die Pflicht zur Einrichtung eines (Tax) Compliance Management Systems auf gesellschaftsrechtliche Vorschriften gestützt werden kann, kommt die Regelung des § 76 Abs. 1 AktG in Betracht. Hiernach hat der Vorstand die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten.

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Aus dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung zu dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich geht hervor, dass zu den allgemeinen Leitungsaufgaben, die dem Vorstand nach § 76 Abs. 1 AktG obliegen, auch die Organisationspflichten gehören.[82] Durch diese Klarstellung wird deutlich, dass den Vorstand (in seiner Eigenschaft als Leitungsorgan einer Aktiengesellschaft) neben den gesetzlich ausdrücklich normierten organisatorischen Vorgaben weitere Organisationspflichten treffen.[83]

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Die Leitungsverantwortung und die daran geknüpften Organisationspflichten des Vorstandes lassen sich in fünf Bereiche aufteilen: die Vorgaben zur Unternehmensplanung, die Festlegung der Unternehmensstruktur/-organisation, die Unternehmenskontrolle, die Vornahme der Führungspostenbesetzung und schließlich die Überwachung der Geschäfts- und Ergebnisentwicklung. Daran anknüpfend ließe sich vertreten, dass zu den Kernpflichten des Vorstandes auch die Überwachung der Einhaltung aller gesetzlichen Regelungen sowie die Einrichtung eines hierzu erforderlichen bzw. geeigneten Compliance-Systems zählen.[84]

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Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass gem. § 93 Abs. 1 S. 1 AktG die Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden haben. Diese gesellschaftsrechtliche Leitungssorgfaltspflicht konkretisiert die generelle Leitungsverantwortung des Vorstandes. Die organschaftliche Legalitätspflicht kann als Unterfall der Sorgfaltspflicht verstanden werden und beinhaltet zwei voneinander zu unterscheidende Anforderungen: einerseits die sog. Kardinalpflicht[85] zur eigenen Rechtstreue und andererseits die Pflicht zur Legalitätskontrolle, um Verstöße gegen externe Pflichten der Gesellschaft durch Mitarbeiter und andere Gesellschaftsorgane zu verhindern. Jedes Vorstandsmitglied ist somit dazu verpflichtet, sowohl sich selbst rechtstreu zu verhalten als auch für ein rechtmäßiges Verhalten der Gesellschaft insgesamt zu sorgen.[86] Gerade am Beispiel des Steuer- und Sozialversicherungsrechts lässt sich verdeutlichen, dass die Legalitätspflicht sowohl intern als auch gegenüber Dritten und für die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten der Gesellschaft gilt.[87]

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Um ein solch umfassendes gesetzestreues Verhalten aller Unternehmensangehörigen zu gewährleisten, wird es als erforderlich angesehen, dass jedes Vorstandsmitglied in seinem Verantwortungsbereich geeignete organisatorische Maßnahmen ergreift, um ein gesetzestreues Verhalten der nachgeordneten Mitarbeiter sicherzustellen.[88] Dazu gehörte bereits nach älterer Rechtsprechung nicht nur die ordnungsgemäße Auswahl sowie Einweisung der Mitarbeiter durch die Geschäftsleitung, sondern auch deren Überwachung.[89] Gleichwohl ist in Teilen des Schrifttums lange eine allgemeine, gesellschaftsrechtlich begründete Pflicht zur Einrichtung und Unterhaltung einer Compliance-Organisation abgelehnt worden.[90]

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Diese Ansicht kann als überholt, zumindest jedoch aktuell als Mindermeinung angesehen werden. Denn in jüngerer Zeit hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass sich aus dem Zusammenspiel von organschaftlicher Organisations-/Überwachungsverantwortung und der Pflicht zur Legalitätskontrolle für den Vorstand ein Pflichtrecht zur Einrichtung eines (Tax) Compliance Management Systems ergibt.[91] Ausgangspunkt dieser Erkenntnis mag nicht durchweg ein originär dogmatischer Ansatz gewesen sein, sondern auch die unter dem Eindruck der Unternehmensskandale der letzten Jahre gewonnene Einsicht in faktische Notwendigkeiten: Lässt sich die Einhaltung der immer zahlreicher werdenden gesetzlichen Pflichten und damit die Vermeidung von Haftungsrisiken nur durch ein Compliance Management System sicherstellen, liegt eine entsprechende Erweiterung/Konkretisierung der Unternehmensorganisationspflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nahe.[92]

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Die herrschende Meinung spiegelt auch die Vorgaben des Deutschen Corporate Governance Kodex wider. Dieser Kodex hat keine Gesetzesqualität.[93] Gleichwohl wird in etwa der Hälfte seines Textes geltendes Recht der deutschen börsennotierten Aktiengesellschaften wiedergegeben.[94] Darüber hinaus enthält er Empfehlungen und Anregungen für eine sorgfältige und verantwortungsvolle Geschäftsführung (best practice),[95] mit Ausstrahlungswirkung – über börsennotierte Aktiengesellschaften hinaus – auf andere Rechtsformen und nicht-börsennotierte Gesellschaften.[96] Keine solche Empfehlung/Anregung, sondern die Wiedergabe geltenden Rechts enthält Ziff. 4.1.3: „Der Vorstand hat für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der unternehmensinternen Richtlinien zu sorgen und wirkt auf deren Beachtung durch die Konzernunternehmen hin (Compliance)“.

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Diese Formulierung spricht für die rechtliche Verpflichtung, organisatorische Maßnahmen zur Sicherstellung gesetzeskonformen Verhaltens im Unternehmen zu ergreifen,[97] mithin ein Compliance Management System bzw. eine Compliance-Organisation einzurichten und aufrechtzuerhalten.

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