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Überraschung

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Die DEC war eine der modernsten Forschungseinrichtungen des Landes. Gebaut auf dem Gelände eines alten stillgelegten Stahl­werks, von dem es rund um Markholm Dutzende gab. Jonas Drill hatte mit ihnen ein gigantisches Vermögen angehäuft. Als allerdings die Nachfrage nach Stahl eingebrochen war, entschied sich Drill, einen riesigen Forschungscampus zu errichten, was ein sehr cleverer Schachzug gewesen war. Hunderte der besten Wissen­schaftler der Welt kamen nach Markholm, um hier an supergeheimen Forschungen zu experimentieren. So wie Sues Mutter. Aber was genau in diesen Laboren geschah, das wusste Sue nicht. In den wenigen Momenten, in denen ihre Mutter mit ihr sprach, erklärte sie ihrer Tochter nur, dass es geheim sei und sie zudem noch viel zu jung war, um das alles zu verstehen. Und Sue hatte sich nicht die Mühe gemacht, weiter nachzufragen.

Ihre Mutter sah sie, wenn überhaupt, nur am Wochenende, und auch dann saß sie meistens vor ihrem Computer. Im Urlaub waren sie schon lange nicht mehr, und seit ihre Eltern dieses furchtbar alte Haus in einem Vorort von Markholm gekauft hatten, war ihr Vater hauptsächlich damit beschäftigt, es bewohnbar zu machen. Aber alles, was ihr Vater, der im wahren Leben Vollblutmusiker war und Kontrabass spielte, zustande brachte, waren oberflächliche Schön­heits­repara­turen. Wie oft war sie ­morgens schon aufgewacht, weil Regentropfen ihre Stirn herunter­liefen, da das Dach undicht war.

»Beeil dich. Sie wird jeden Moment kommen. Und wenn wir dann nicht fertig sind, war alles umsonst.« Die Stimme ihres Vaters holte Sue zurück in die Gegenwart.

Sie hatten endlich das Labor der Mutter im vierten Unter­geschoss erreicht. Keine Fenster, nur eiskaltes blaues Licht. High­tech-Computer und Messgeräte surrten mit permanentem leisen Piepen. An der Decke riesige, silbern folierte Lüftungskanäle, und zwischen den Schreibtischen beleuchtete Glaswände mit Formeln und Zahlen in roter Leuchtschrift. Das Licht war gedämpft, einzelne Arbeitsplätze kühl beleuchtet. Alles wirkte wie die Brücke eines gigantischen Raumschiffs.

Menschen waren nicht zu sehen. Anscheinend lief die Presse­konferenz noch. Ihre lang geplante Überraschung konnte also durchaus noch gelingen. Sue stellte das schwarze Paket und die noch nicht ganz aufgetaute Schwarzwälder Kirschtorte auf einem der Tische ab. Während ihr Vater die Kerzen aus der Tasche zauberte und sie in die Torte steckte, holte Sue einen Lappen und wischte die Formeln und Zahlen von der Glaswand ab.

»Ich glaub, das ist keine so gute …«, Christoph sah zu Sue hinüber, die aber bereits die halbe Wand leer gewischt hatte, »… äh … Idee!«

Sue hatte ihn überhaupt nicht gehört und war voll darauf kon­zen­triert, dass ihre Überraschung klappte. Sie liebte ihre Mutter, auch wenn sie das niemals laut sagen würde. Und sie hasste es, dass Maria – sie weigerte sich eigentlich, das Wort Mutter zu benutzen –sie einfach ignorierte oder, wenn sie sie wahrnahm, wie ein Kleinkind behandelte. Aber diese Überraschung heute war ihre Idee gewesen. Sie hatte alles bis ins kleinste Detail geplant und freute sich auf den Gesichtsausdruck ihrer Mutter, wenn die zurückkam und das hier sah.

Mit einem roten Stift wollte sie gerade die Worte »Happy Birthday« an die gläserne Wand schreiben. Sie kam allerdings nur bis »Happy Bi…«, da zündete ihr Vater bereits die Kerzen an. Wobei der Begriff Kerze nicht ganz richtig war.

»Die sieht aber komisch aus, Sue.« Christoph beäugte den großen blauen Gegenstand in der Mitte der Torte argwöhnisch. Vielleicht hätte er auf seine Tochter warten sollen. Vielleicht. Doch sein Feuer­zeug war schneller. Eine Stichflamme schoss aus der vermeintlichen Kerze in die Höhe und Christoph konnte im letzten Moment gerade so ausweichen, sonst wären seine Augenbrauen dahin gewesen. Silberner Rauch und bunte Funken schossen an die Decke und hüllten das Labor augenblicklich in einen dunstigen Schleier.

»Was zum Henker ist das?«

»Ein bengalisches Feuer.« Sue ließ den Stift fallen und rannte zum Tisch hinüber. Ihr Vater sah sie entsetzt an. »Ein was???«

»Von Silvester! Hab ich aufgehoben.« Beide waren hilflos. Mit ohrenbetäubendem Lärm sprangen die Feuermelder an. Das Echo ihres lauten Heulens hallte im Raum.

»Sie wird uns umbringen«, sagte Sue panisch.

Ihr Vater nickt nur. Das würde sie, in der Tat.

Invisible Sue - Plötzlich unsichtbar

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