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Roboter

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Wie Sue richtig vermutet hatte, war die Schule um diese Uhrzeit so gut wie ausgestorben. Der lange, hohe Kreuzgang im Erdgeschoss, wo vor zweihundert Jahren noch schweigend Mönche flanierten, war zur Hälfte in dunkle Schatten getaucht. Irgendein Putzmann schob seinen quietschenden Wagen müde und gedankenversunken Richtung Feierabend.

Wieder klingelte Sues Handy. Sie ignorierte es und legte einen Schritt zu. Bei den grauen Spinden in der Haupthalle blieb sie abrupt stehen.

Das konnte doch nicht wahr sein. Was war heute los? Aus­ge­rech­net vor ihrem Schrank wartete der schlimmste Alptraum ihres Lebens. Na gut, der zweitschlimmste, gleich nach ihrer Mutter.

Evil Eileen, das scheinbar beliebteste Mädchen der Schule mit ihrer lauten und affektiert lachenden Clique. Eileen war in etwa so schlimm wie Carol. Für einen Moment wünschte sich Sue, Super­moon zu sein. Dann könnte sie Eileen und diese gackernden Hühner mit einem Wimpernschlag und einer kräftigen Welle einfach aus dem Weg räumen. Bei dem Gedanken musste sie kurz grinsen.

Aber sie war eben nur Sue, oder Susanne, das graue unschein­bare Mäuslein aus der vierten Reihe, das am liebsten dunkle Pullis trug, ihre langen rotbraunen Haare unter einer großen Kapuze versteckte, Lippenstift und Make-up hasste, keine Freunde hatte und jede freie Minute nutzte, um sich mit Superhelden-Comics in wilde Abenteuer zu stürzen.

Sue atmete kurz durch. Es half ja alles nichts, dieser Haufen geballter Mädchendummheit in Plüsch musste den Weg freiräumen. Jetzt!

»’tschuldigung?«

Die Mädchen zuckten nicht mal mit den Augen. Eileen verteilte irgendwelche grünschwarzen Flyer und sagte: »DJ Goblin wird ebenfalls auflegen. Ist das nicht mega? Mein Vater ist mit seinem Manager befreundet. Die kennen sich noch von der Schule. Er hat das alles für uns geregelt. Wir müssen nur noch die Flyer für die Halloween-Party …« Sie fand es einfach supercool, unablässig zu reden.

Sue entschied sich, diesmal nicht klein beizugeben. »Ent­schul­digung«, sagte sie laut und eindringlich, »Dürfte ich kurz an meinen Schrank?« Sie wartete kurz und ergänzte dann: »Bitte!«

Eileen, wie immer viel zu stark geschminkt, drehte sich langsam um und blickte Sue an. Also nicht wirklich. Sie sah durch Sue hindurch, so als wäre die eine graue Wolke Nichts und fragte: »Kennen wir uns?«

Was für eine dämliche Frage. Natürlich taten sie das.

»Ja. Wir sind …«, setzte Sue an. Aber wie immer beendete jemand anderes ihren Satz. In diesem Fall Chrissi, Eileens beste Freundin – wobei das Wort beste und Freundin nur oberflächlich zusammenpassten.

»… in der gleichen Klasse. Wir sind in der gleichen Klasse.« Chrissi hatte die unschlagbare Begabung, nicht nur grammatikalisch falsche Sätze zu sagen, sondern zudem auch noch alle In­for­ma­tionen immerfort zu wiederholen. Vielleicht dachte sie, dass ihre Sätze dadurch an Bedeutung gewannen.

Sue konnte es sich nicht verkneifen, sie musste das arme Mädchen verbessern. »Korrekt müsste es heißen: In derselben Klasse. Nicht der gleichen.« Sie grinste kurz und überlegte, ob sie diese Feststellung ebenfalls wiederholen sollte, ließ es dann aber sein.

Die Clique starrte Sue an, als hätte die gerade die Urformel für die Entstehung des Universums vorgetragen. Ein schmalziger Pop­song unterbrach die peinliche Stille. Eileen hob ihr rosa Plüschhandy ans Ohr und säuselte mit zuckersüßer Stimme »Hi Gwen«. Dabei gab sie den anderen Mädels ein Zeichen zum Abgang. Wie Roboter, deren Programmierung eben das Wort EXIT verstanden hatte, drehten sich alle zeitgleich um, setzten ein künstliches Lächeln auf und folgten ihrer Meisterin Eileen.

Sue blickte der Gruppe noch kurz hinterher, verdrehte die Augen, öffnete dann ihren Schrank und fand in dem Chaos das gesuchte schwarze Paket. Ihre Mission konnte beginnen und würde hoffentlich ihr Leben verändern. Zumindest heute.

Invisible Sue - Plötzlich unsichtbar

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