Читать книгу Invisible Sue - Plötzlich unsichtbar - Markus Dietrich - Страница 13

Blaues Licht

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»Pflaster bitte.«

Nur langsam kam Sue wieder zu sich. Blaues Licht flackerte vor ihren Augen. Jemand tupfte mit einem Stück Stoff die Haut sauber und klebte vorsichtig ein Pflaster auf die Wunde unter dem Handgelenk.

»Sie ist wach.«

Funksprüche drangen durch die Nacht. Stiefel waren zu hören. Ein Hubschrauber kreiste irgendwo. Sirenen heulten. Sue öffnete die Augen. Sie erkannte ihren Vater. Er stand neben der offenen Tür des Krankenwagens und sah milde lächelnd zu ihr hinüber.

»Ihre Tochter hatte heute mehr als nur einen Schutzengel.« Der Arzt, ein älterer Mann mit schütterem Haar, tätschelte ihr väterlich die Schulter und schüttelte dabei ungläubig den Kopf. So etwas hatte er in all den Jahren noch nicht erlebt. Angeblich war das Mäd­chen Mitten im Zentrum der Explosion gewesen. Aber bis auf eine kleine Schnittwunde war sie komplett unversehrt. Sues Blick fiel auf den Schnitt am Arm.

»Ist nur ein Kratzer. In ein paar Tagen wird nichts mehr davon zu sehen sein.« Der Arzt krempelte Sues Pullover herunter. Sue richtete sich auf und beugte sich zu ihrem Vater. Die Umarmung tat gut. Beide sprachen kein Wort, sie waren einfach nur froh, sich in den Armen zu liegen. Sie spürte den Herzschlag ihres Vaters. Äußerlich wirkte er wie immer ruhig und gelassen, aber tief in ihm drin war er doch ziemlich aufgebracht. Schön, dass wenigstens er bei ihr war. Dabei ließ sie ihren Blick über den kleinen Platz vor dem Haupteingang zur DEC-Zentrale schweifen. Mehr als ein Dutzend Krankenwagen und Feuerwehren standen vor dem Hauptgebäude. Wahrscheinlich alle Einsatzfahrzeuge, die Mark­holm zu bieten hatte. Überall war Blaulicht.

Ihre Mutter sah sie nicht. Typisch, dachte Sue. Die eigene Tochter war gerade haarscharf dem Tod von der Schippe gesprungen, aber Maria hatte nur ihre Arbeit im Kopf. Falls davon nach der Explosion noch etwas übrig war.

»Und du kannst dich an nichts mehr erinnern? Ich meine, was genau ist da drinnen passiert?« Lenia, Mutters Assistentin, trat neben Christoph und sah sie fragend an. Sie wollte Antworten. Jeder hier wollte Antworten. Nur ihr Vater hatte nicht gefragt. Er hatte sie einfach nur in den Arm genommen.

Sue sah Lenia mit großen Augen an und zuckte mit den Schul­tern. Sie konnte sich ohnehin an nichts mehr erinnern. Wann würden die Erwachsenen endlich aufhören, blöde Fragen zu stellen? Sie griff die Hand ihres Vaters und drückte fest zu. Der verstand sofort.

»Wir sollten jetzt besser nach Hause«, sagte er zu Lenia.

»Macht das. Drill wird sich sowieso früher oder später bei euch melden. Ich hab gehört, es soll eine Untersuchungskommission gebildet werden.«

Eine Untersuchung. Das hatte gerade noch gefehlt. Jonas Drill würde sie nicht so einfach davonkommen lassen und fragen, wie eine Torte, matschige Kirschen und ein Haufen Schokoraspel in sein super teures Hightech-Labor gekommen waren.

»Ich fand deine kleine Geburtstagsüberraschung übrigens echt cool«, sagte Lenia, zwinkerte ihr zu und gab Sue das ungeöffnete schwarze Paket. Das Geschenk für Maria hatte den Unfall scheinbar wie durch ein Wunder überlebt. Sue nahm es dankbar an sich.

Christoph schob Sue sanft zum VW-Bus, der etwas verloren zwischen den vielen Feuerwehren parkte. Und dann sah Sue Maria. Ihre Mutter stand direkt am Eingang, ihren Mantel fest um sich geschlungen, direkt neben Jonas Drill. Der schrie laut und machte seinem Ärger Luft, redete auf Maria ein, deutete immer wieder auf das Gebäude hinter sich und schüttelte den Kopf.

Sue stieg in den Bus. Tränen liefen ihr über die Wange. Zorn stieg in ihr auf. Ihre Mutter hatte sich nicht mal erkundigt, ob sie den Unfall gut überstanden hatte. Nichts. Keine Hände gehalten, kein Kuss, keine Umarmung. Ihre Mutter war die schrecklichste Mutter, die man haben konnte.

Christoph sah ihre Tränen und nahm Sues Hand. »Sie war die Erste am Unfallort«, flüsterte er. »Sie ist nicht von deiner Seite gewichen, bis der Krankenwagen kam. Glaub mir.« Sue zog ihre Hand weg. Das änderte gar nichts.

Der Motor sprang diesmal sofort an. Christoph legte den ersten Gang ein und fuhr los. Immer kleiner wurden die blauen Lichter, immer unschärfer die roten Punkte der Feuerwehr. Sue lehnte sich an die Scheibe, wischte ihre Tränen ab und beobachtete die beleuchteten Fenster der vorbeiziehenden Stadt. Auf einmal spürte sie einen stechenden Schmerz. Er kam von ihrer Wunde und zog sich durch den ganzen Arm. Vorsichtig hob sie das Pflaster an und atmete erschrocken ein. Was war das? Die Wunde leuchtete hellblau. Das Licht flackerte, pulsierte kurz und erlosch. »Alles gut?«, fragte ihr Papa.

Sue nickte zögerlich. So hatte sie sich den Geburtstag nicht vorgestellt. Wie so oft wünschte sie sich eine Zeitmaschine, um das Geschehene wieder rückgängig zu machen …

Invisible Sue - Plötzlich unsichtbar

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