Читать книгу Invisible Sue - Plötzlich unsichtbar - Markus Dietrich - Страница 15

Laborratte

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Sue war extrem angepisst. Zum einen konnte und wollte sie nicht verstehen, warum sie ausgerechnet heute in die Schule musste. Immerhin war sie gestern dem Tod nur knapp entkommen. Aber ihr Vater war da leider anderer Meinung. Wie Eltern irgendwie immer.

»Du hast einen kleinen Kratzer, mehr nicht«, sagte er.

»Hast du mal was von Spätfolgen gehört?«

»Spätfolgen?« Ihr Vater sah sie prüfend an. »Verschweigst du mir was?«

»Quatsch … Nein«, sagte Sue und umfasste unauffällig ihren linken Arm, der zum Glück gerade sichtbar war.

»Na dann ist ja alles in Ordnung. Solltest du in der Schule merken, dass es partout nicht geht, ruf Mama an. Ich kann dich heute nicht abholen.«

Und das war der andere Punkt, warum Sue mies gelaunt war. Ihr Vater hatte ihr beim kurzen Frühstück mit Rührei und frischen Tomaten erklärt, dass er für ein paar Tage auf Konzertreise nach Prag müsse. Sue war vor Schreck das Ei gleich wieder aus dem Mund gefallen.

»Du kannst mich jetzt echt nicht mit Mama allein lassen. Nicht nach gestern Abend.« Aber ihr Vater hatte nur mit den Augen gerollt, sich seinen großen Kontrabass geschnappt und war nach draußen gegangen. Sue, die sich schnell einen zweiten Schul­ruck­sack besorgt hatte, rannte ihm hinterher.

»Es sind nur fünf Tage«, sagte Christoph und sperrte die Haus­tür zu.

»’ne halbe Ewigkeit«, erwidert Sue.

Ihr Vater ignorierte das Mädchen und ging den kleinen, vom Tau feuchten Pfad durch den Garten hinab zur Straße, wo der blaue Bus parkte. Aber Sue wollte nicht so einfach aufgeben. »Totes Mädchen gefunden«, sagte sie dramatisch, »lag seit Tagen in ihrem Bett, niemand hat sie vermisst.«

Christoph blieb stehen.

»Du übertreibst. Maßlos.«

»Tu ich das? Ich bin gestern mit gefühlt tausend Litern Flüssigkeit überschüttet worden. Keiner sagt mir, was das für’n Zeug war und keinen scheint’s zu interessieren.«

»Mama schon«, erwiderte Christoph und öffnete die Tür vom Bus.

»So’n Quatsch.«

Christoph seufzte. »Sie hat mir versichert, dass die Flüssigkeit für Menschen vollkommen ungefährlich ist.« Er verstaute seinen riesigen Kontrabass im Bus.

»Und das weiß sie, weil sie das Zeug vorher an kleinen süßen Mäusen in ihrem Labor getestet hat?«

»Sue, es reicht!« Christoph stieg in den Bus und wartete, während Sue ihn durch die Windschutzscheibe beobachtete. Er hupte mehrmals ungeduldig, bis Sue sich auf den Beifahrersitz setzte. Sie holte ihren Supermooon-Thermobecher aus dem Rucksack und öffnete den Verschluss. Heißer Dampf stieg aus der kleinen Öffnung, es roch nach Pfefferminz.

»Weißt du eigentlich, dass Mama meine Jacken chippt?«

»Siehst du«, antworte ihr Vater und versuchte mal wieder verzweifelt, den Motor zum Laufen zu bringen. »Sie macht sich eben Sorgen.«

»Ich bin aber kein Haustier, das man einfach so markiert.«

Der Motor erstarb kläglich und Christoph drehte sich genervt zu Sue. »Hör mal. Mama hat mir versprochen, dass sie sich morgen frei­nimmt. Dann könnt ihr was Schönes zusammen machen.«

Sue lachte. »Soll ich dir sagen, wie das wird? Sie hat ’ne coole Idee, wir fahren in die Stadt, dann klingelt ihr Handy und …«

»… ihr stopft euch mit fünf Kilo Popcorn den Bauch voll und schaut kitschige Filme. Klingt doch super.«

»Schön wär’s. Ihr Handy wird sofort klingeln, sie wird sagen: Dauert nur zwei Minuten Schatz, und dann sitze ich für die nächsten zwei Stunden auf einer Parkbank mitten in der Stadt und zähle Taubenscheiße.«

Endlich sprang der Bus an. Gerade als Sue einen Schluck aus dem Thermobecher nehmen wollte, legte ihr Vater den Rückwärts­gang ein, fuhr an und heißer Pfefferminztee schwappte auf ihr neues Captain-America-T-Shirt.

Auch ihr linker Arm bekam ein paar Tropfen ab und ein stechender Schmerz durchzuckte sie. Irgendetwas stimmte nicht mit ihrem Arm, das spürte Sue. Sie wusste nur nicht genau, was. Noch einmal ließ ihr Vater den blauen Bulli ruckartig anfahren.

»Papa!«

»Was?«

»Machst du das absichtlich?«

»Nie im Leben. Ach übrigens, du hast da gekleckert.«

Christoph lachte, gab Gas und rauschte durch den herbstlichen Vorort von Markholm, der sich auf den nahenden Winter vorbereitete.

Invisible Sue - Plötzlich unsichtbar

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