Читать книгу Invisible Sue - Plötzlich unsichtbar - Markus Dietrich - Страница 18

Auf Sue, lauf!

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Sie war ein Freak. Gut. Das war sie vorher auch schon. Aber jetzt war sie noch viel freakiger, wenn es da überhaupt eine Steigerung gab. Sie musste jederzeit damit rechnen, unsichtbar zu werden. Ganz oder teilweise. Man würde sich über sie lustig machen, sie meiden, sie ignorieren. Okay, auch das tat man jetzt bereits. Trotzdem war nun alles noch viel schlimmer. Niemand würde es jetzt noch auf ihre »Pubertät« schieben und entschuldigen. Niemand!

Man möchte meinen, dachte Sue, wenn man unsichtbar ist, sei alles viel einfacher. Die Leute sehen einen nicht, man kann bei Rot über die Ampel rennen, man könnte sogar nackt durch die Stadt laufen. Aber die Realität ist leider deutlich komplexer. Eben weil man unsichtbar ist. Die Leute sehen einen nicht und nehmen natürlich auch keine Rücksicht.

Sue rannte schnell wie ein Blitz durch die Straßen, krachte mit drei oder vier Leuten fluchend zusammen, hatte Glück, dass die es auf ihre eigene Blödheit schoben und weitergingen.

Sie sprang in die 23. Im letzten Moment, kurz bevor der Fahrer die Tür schloss. Einen Fahrschein brauchte sie nicht, einer der Vorteile von Unsichtbarkeit. Nur hinsetzen traute sie sich nicht. Was, wenn sich jemand genau da hinsetzen wollte, wo sie unsichtbar saß? So blieb sie lieber stehen und hoffte inständig, nicht plötzlich sichtbar zu werden. Keine Ahnung, was sie dann sagen sollte. Glücklicherweise aber blieb sie unsichtbar und musste nur aufpassen, dass sie den ein- und aussteigenden Fahrgästen genügend Platz machte, sodass diese sie nicht anrempelten. Der Bus fuhr in die Innen­stadt, rauschte vorbei an den gläsernen Hochhäusern des Finanz- und Bankenviertels, passierte die endlosen Betonbrücken und Stahlaufbauten am internationalen Flughafen und bog dann durch einen Tunnel in das vorgelagerte Industriegebiet ab.

Gleich hinter dem Tunnel floss der breite Strom der Laar. An manchen Tagen sah man hier eines dieser riesigen Containerschiffe, die sich beinahe unwirklich, einer schwimmenden Stadt gleich, durch den engen Fjord schoben und den Hafen von Markholm ansteuerten. Am gegenüberliegenden Ufer stapelten sich seit Jahrzehnten gigantische Schiffswracks, die hier teilweise zerlegt und dann sich selbst überlassen wurden. Vergessen und mit wilden Büschen und Bäumen überwachsen. Früher war Sue hier oft mit ihrem Vater unterwegs gewesen, hatte sich verbotenerweise zwischen den leblosen Schiffskörpern herumgetrieben und sich Ge­schich­ten ausgedacht. Geschichten, die auf anderen Planeten spielten oder in einer geheimen Unterwasserwelt.

Sue sah zu den kleinen Monitoren, die an der Busdecke hingen und auf denen es nur ein einziges Thema gab: der Unfall in der DEC.

»Guten Morgen Markholm, hier ist Lisa Wells von News24 mit den neuesten Entwicklungen zur Havarie in der DEC am gestrigen Abend.«

Scheinbar gab es eine Nachrichtensperre, denn zumindest Lisa Wells, die charmante Moderatorin von News24, konnte nur spekulieren. Es hieß, es habe ein Feuer in der Heizungsanlage gegeben. Vielleicht sei auch ein Tankwagen explodiert. Man wisse es nicht genau. Direktor Jonas Drill schwieg und ließ über sein Büro ausrichten, dass man alles unter Kontrolle habe und sich die Bürger Markholms keine Sorgen machen müssten.

»Nächste Haltestelle Drill Enerschie Koporäschen«, nuschelte der Busfahrer, was übersetzt Drill Energy Corporation heißen sollte.

Sue drückte auf den Halteknopf.

Zischend öffnete sich die Tür. Sue sprang hinaus. Leider übersah sie dabei einen Dackel, stieg dem armen Hund volle Kanone auf den Schwanz, sodass dieser laut bellend und jaulend aufsprang.

Sue ignorierte die verwunderten Fahrgäste und lief weiter. Direkt auf die DEC zu, wo noch immer Feuerwehrautos, Polizei- und Krankenwagen standen.

Invisible Sue - Plötzlich unsichtbar

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