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Der Zeitstopper

Der Kuriositätenladen am unteren Ende der Straße hatte am letzten Montag seine Pforten geöffnet. Ein kleines Geschäft mit einer rot-weiß gestreiften Markise und einem eigenwillig dekorierten Schaufenster. Der Ladenbesitzer schien das Klischee zu pflegen.

Neugierig überschritt Elmar die Türschwelle. Mit seinen 36 Jahren fühlte er sich keineswegs erwachsen und er war ständig auf der Suche nach neuen Spielereien für sein Hobby, die Zauberei.

Der Laden war wie er es erwartet hatte: Muffig und schlecht beleuchtet, und Elmar fragte sich, wie es möglich war, dass über allen Exponaten eine dünne Staubschicht lag, obwohl die Sachen erst vor wenigen Tagen in die Regale einsortiert worden waren.

„Kann ich Ihnen weiterhelfen?“ Der Verkäufer passte nicht ganz in das Bild. Er war jung, freundlich und gut gekleidet. Elmar hatte eigentlich so ziemlich das absolute Gegenteil erwartet. „Schauen Sie nach etwas Bestimmtem oder stöbern Sie nur? Ich könnte Ihnen ein paar Raritäten aus dem Ersten Weltkrieg zeigen. Oder lieber Antiquitäten aus der Renaissance?“

„Zauberei!“

„Wie bitte?“

„Ich suche Zaubertricks oder Utensilien, die ich dafür brauchen kann“, sagte Elmar.

Der Verkäufer legte seine überraschte Haltung sofort wieder ab. „Freilich“, antwortete er, „wenn Sie mir bitte folgen würden …“

Sie gingen in ein Nebenzimmer. Der Raum war mit unzähligen kleinen blinkenden Lämpchen, die eine Discokugel anstrahlten, ausgestattet.

Die Regale entlang der Wände waren mit silbernem Glanzpapier ausgelegt. Auf ihnen waren verschiedene Gegenstände sorgfältig, fast liebevoll, arrangiert. In der hintersten Ecke stand eine Schaufensterpuppe, die das Kostüm eines Zauberers trug. In ihrer rechten Hand, die sie vor sich ausstreckte, ruhte ein kleiner silberner Würfel.

„Was ist das?“, fragte Elmar und griff nach dem Würfel, der überraschend schwer in seiner Hand lag.

Der Verkäufer legte ein unverbindliches Lächeln auf, als er sagte: „Das ist ein Zeitstopper. Gehört eigentlich nicht unbedingt in die Abteilung Zaubertricks.“

Elmar fand einen kleinen Knopf auf einer der Seiten des Würfels. Sein Zeigefinger glitt spielerisch darüber hinweg, ohne den Knopf zu drücken.

„Bitte seien Sie vorsichtig“, empfahl der Verkäufer eindringlich. „Das Gerät ist kein Spielzeug.“ Nach den richtigen Worten suchend, unterbrach er sich kurz. Dann versuchte er eine Erklärung. „Wissen Sie, der Zeitstopper war mal in Besitz eines unbedeutenden Zauberers. Nicht besonders talentiert, aber mit diesem Hilfsmittel hat er es ganz gut geschafft, ein Publikum zu unterhalten: Er stellte immer einen leeren Zylinder auf die Bühne, hielt mit dem Gerät die Zeit an, holte ein paar Gegenstände, wie Armbanduhren, Schals und Brieftaschen aus den Zuschauerreihen, legte alles in den Zylinder und ließ dann die Zeit wieder weiterlaufen. Dann ‚zauberte‘ er alles aus dem Hut hervor und alle staunten, wie er das gemacht hatte …“

Ungläubig hörte Elmar zu. Er fühlte sich nach Strich und Faden verarscht. Zum Glück aber gab es einen Test, den Wahrheitsgehalt dieser unfassbaren Geschichte zu prüfen: Elmar drückte den Knopf, als der Verkäufer sagte: „Leider ist das Gerät defekt: Man kann es nicht mehr …“

Unvermittelt schwieg der Verkäufer und stoppte mitten in seiner Bewegung. Elmar schaute sich irritiert um. Die Welt schien regungslos und stumm geworden zu sein.

Der Verkäufer fluchte leise. Der Kunde war vor seinen Augen mit einem Windstoß verschwunden, just in dem Moment, als er sagte, dass man das Gerät nicht mehr abschalten könne …

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