Читать книгу Gute und Böse Nachtgeschichten - Markus Walther - Страница 18
ОглавлениеDie Junggesellenbude
„Plop!“ Es brauchte einige Zeit, bis Achim realisierte, dass die blutunterlaufenen Augen, die ihn aus dem Spiegel anstarrten, seine eigenen waren. „Plop!“ Träge ließ er den Blick sinken, betrachtete die Zahnpastareste auf dem Porzellan des Waschbeckens. Mit einem leisen „Plop!“ fiel wieder ein Wassertropfen vom verkalkten Sieb hinab in die unergründlichen Tiefen des Abflusses, während der nächste Tropfen darüber langsam anschwoll. Achim griff nach dem Hahn und drehte ihn fester zu. Der Wasserflut war somit ein Ende gesetzt.
„Ruhe“, stellte Achim in einer unbestimmten Art der Zufriedenheit fest, um dann zurück zu seinem Bett zu schlurfen. Dabei stolperte er beinahe über einen Haufen müffelnder Klamotten, der sich auf dem Teppich anklagend auftürmte. Im Geiste schrieb er „Wäsche waschen“ auf seine To-Do-Liste; nach ganz unten zwar, aber es war wenigstens schon mal registriert.
An der durchgelegenen Matratze angekommen, kippte er vornüber auf das Kissen und versuchte, sich zurück in das Traumland zu flüchten. Doch noch immer hielt ihn ein Geräusch wach. Es war also nicht das Tropfen im Badezimmer gewesen. Aber was hielt ihn dann vom Schlafen ab?
Tinitus von der lauten Musik gestern Nacht? Achim lauschte angestrengt und beinahe hätte er sich in dieser Vermutung recht gegeben. Doch das Geräusch, welches sich nun in den Vordergrund schob, war kein richtiges Pfeifen oder Piepen. Etwas … summte.
Die Neonröhre über der Kloschüssel. Er hatte das Licht brennen lassen. Also quälte Achim sich nochmal hoch und betätigte den Lichtschalter. „Ruhe“, murmelte Achim.
Wieder im Bett angekommen, wieder mit der Nase das Kissen pflügend, stellte Achim fest, dass noch immer etwas zu hören war. Es kam aus der Kochnische, dieses Brummen. „Kühlschrank“, stellte er fest. Nachdem er die alte Unterhose, die sich an seinem Zeh verfangen hatte, in die nächste Ecke gekickt hatte, ging er mit beinahe entschlossenen Schritten zu dem Küchenmöbel, zögerte kurz und zog dann resolut den Stecker aus der Buchse. Außer ein paar angebrochenen Bierflaschen und einem schimmeligen Käse lag eh nichts mehr drin. Irgendwo rappelte in dem Gerät kurz etwas, als wollte es sich gegen diese Tat aufbäumen, dann war …
„Ruhe.“
Nein. War. Es. Nicht.
Jetzt, wo alle anderen Töne in der kleinen Wohnung ausgemerzt waren, alles stillschwieg und nichts mehr die Ohren ablenkte, konnte Achim es ganz genau wahrnehmen. Leise und doch so kristallklar raunte, flehte und wisperte es. Gequält, geschunden, in stiller Agonie. Kraftlos und sterbend.
Achim näherte sich dem Fensterbrett. Legte den Kopf schief, richtete seine Aufmerksamkeit ganz auf den schrumpeligen kleinen Kaktus, der ihm vor Wochen von seiner Ex zum Abschied geschenkt worden war.
Und Achim hörte die geflüsterten Worte, obwohl er sie kaum zu fassen vermochte: „Wasser! … Wasser! … Wasser!“