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Aufbruch

In grauer Monotonie prasselt der Regen gegen die Scheibe des Schlafzimmerfensters. Mike ist von seinem Traum wach geworden. Nun versucht er sich zu erinnern. Etwas windet sich in ihm, in seinen Gedanken. Es will ausbrechen und ihm von der Wichtigkeit dieses Traumes erzählen. Seine Frau liegt neben ihm. Sie atmet ruhig und gleichmäßig. Sie schläft noch. Vorsichtig steht er auf und geht ins Bad. Ein Schluck Wasser wird ihm vielleicht helfen, etwas klarer zu werden. Sein Blick fällt in den Spiegel und er mag nicht, was er da sieht. Ist er wirklich schon so alt?

Er wendet sich ab und beginnt einen Streifzug durch seine Wohnung. Plötzlich gefällt ihm nichts mehr von dem, was er sieht. Nichts gefällt ihm von dem, was er sich über die Jahre mühsam erarbeitet hat. Wofür der ganze Plunder? Macht ihn das aus? Bilden seine Habseligkeiten seine Persönlichkeit? Sein Traum … Persönlichkeit – dieses Wort geistert durch seinen Kopf. Im Aktenschrank liegen seine Urkunden und Zeugnisse. Nach kurzem Überlegen verwirft er die Idee, darin herumzustöbern. lm Bücherregal stehen die Fotoalben. Wahllos greift er eins heraus und betrachtet die Bilder. Auf vielen findet er sich wieder, doch fällt es ihm schwer, sich mit ihnen zu identifizieren.

Seine Verwirrung führt ihn zurück ins Schlafzimmer. Auf der Bettkante sitzend denkt er an seinen Traum. Bruchstücke fügen sich wie ein Puzzlespiel zusammen. Die Antwort darauf, wer er ist, würde er hier nicht finden. Und die Frage hatte ihm der Traum gestellt.

Dann fasst er einen Entschluss. Er geht zum Kleiderschrank und zieht sich an. Ganz normal – so wie er jeden Tag ins Büro geht. Seine Frau wacht auf und fragt ihn, wo er um diese Zeit hin will. Die Uhr zeigt fünf Uhr.

„Ich geh’ nur eben Zigaretten holen. Ich bin in drei Minuten wieder da.“

Er verlässt das Haus, geht die Straße hinunter, am Zigarettenautomaten vorbei, in die Morgendämmerung.

Gute und Böse Nachtgeschichten

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