Читать книгу Soziale Stadtentwicklung und Gemeinwesenarbeit in der Sozialen Arbeit - Martin Becker - Страница 25
Rechtliche Grundlagen der Gemeinwesenarbeit
ОглавлениеAuf europäischer Ebene wurden durch den Maastrichter Vertrag 1992 sowie im Vertrag von Amsterdam 1997 den Kommunen durch die Zusicherung des »Subsidiaritätsprinzips«, Selbstverwaltungsrechte und Gestaltungsfreiheit eingeräumt bzw. zugesichert (Naßmacher 2011). Den Städten und Gemeinden wird in Deutschland gemäß Grundgesetz das Recht eingeräumt
»…, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln«. (Art. 28 Abs. 2 GG)
Diese Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung. Um ihre Aufgaben gewährleisten zu können, wird den Kommunen im Rahmen ihrer Selbstverwaltung zur Sicherung der finanziellen Eigenverantwortung auch die Nutzung von Steuerquellen zugestanden. Hierzu dürfen die Kommunen z. B. über Gewerbesteuerhebesätze eigene wirtschaftskraftbezogene Steuerquellen nutzen. Mit Artikel 72 (2) GG liegt darüber hinaus eine Rechtsgrundlage vor, die mit der »Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet« eine sozialräumlich ausgleichende Orientierung zum Ziel hat. Damit widerspricht eine Polarisierung von Regionen nach unterschiedlichen Lebensverhältnissen dem Grundgesetz nach Artikel 72.
Im Rahmen der allgemeinen Daseinsvor- und -fürsorge obliegt es den Kommunen, Aufgaben in nahezu allen Politikfeldern, von Bauen, Verkehr, Infrastruktur über Wirtschaft und Soziales bis hin zu Bildung, Kultur und Sport, zu erfüllen. Die Kommunen haben eigene Personal-, Organisations- und Finanzhoheit. Ihre Zuständigkeiten werden nur zum Teil durch Bundesgesetze, wie beispielweise im Baugesetzbuch oder in den Sozialgesetzbüchern (z. B. SGB II, SGB VIII und SGB XII) geregelt, denn es gilt der Grundsatz, dass durch Bundesgesetze Gemeinden und Gemeindeverbänden nicht ohne weiteres zusätzliche Aufgaben übertragen werden dürfen (Art. 84 Abs. 1 GG). Aufgaben und Zuständigkeiten ergeben sich insbesondere durch landesrechtliche Vorgaben, die in jeweiligen Gemeindeordnungen konkretisiert werden. Dort sind auch die Gemeindeverfassungen rechtlich geregelt, die sich zwischen den Bundesländern durchaus unterscheiden und grob nach norddeutschen und süddeutschen Ratsverfassungen unterteilt werden können (vgl. Wehling 2006)12.
Im Bau- und Sozialrecht gibt es, wie die nachfolgenden Zitate zeigen, eher allgemeine Aufträge zu einer sozialräumlichen Ausrichtung:
»… nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt …« (BauGB § 1 Abs. (5)) »… positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen.« (SGB VIII § 1 Abs. (3) 4.)
Neben diesen eher grundsätzlichen und allgemeinen gesetzlichen Grundlagen gilt es im Rahmen des Handlungskonzepts Sozialraumorientierung weitere gesetzliche Grundlagen, wie z. B. zur Beteiligung von BürgerInnen an ihren Angelegenheiten, zu beachten. So genießen BürgerInnen Aufenthalts-, Beteiligungs-, Versammlungs- und (Mit-)Entscheidungsrechte, die in Bundes- und Landesgesetzen bzw. den einschlägigen Gemeindeordnungen verankert sind. Im Baurecht sind u. a. Rechte und Pflichten von EigentümerInnen, MieterInnen, PächterInnen, wie z. B. die Auskunftspflicht (§ 138 BauGB) sowie Beteiligungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten der Betroffenen (§§ 137, 138, 139 BauGB), geregelt. Neben den Beteiligungsrechten von BewohnerInnen bei Stadtsanierungsprojekten sind insbesondere die Rechtsgrundlagen von »Bürger- und Einwohnerversammlungen« (z. B. Art. 18 GO Bay, § 20a GO B–W, § 16b GO S–Hol, § 16 GO R–Pf), Anhörungsrechte bei Gemeinderatssitzungen, z. B. durch »Bürgerfragestunden« (vgl. § 16c GO S–Hol, § 16a GO R–Pf bzw. Regelungen durch Geschäftsordnungen der Stadt-/Gemeinderäte), »Bürgerantrag« (z. B. § 20b, 3 GO B–W), »Bürgerbegehren«, »Bürgerentscheid« und auch die Einrichtung von Beiräten sachkundiger BürgerInnen (wie z. B. Integrations-/Migrationsbeiräte, Seniorenbeiräte, Jugendparlament, Quartiersbeiräte etc.) in den Gemeindeordnungen der Länder geregelt. Aufgrund des in Deutschland geltenden Föderalismus und Subsidiaritätsprinzips, können o. g. Regelungen je nach Bundesland und Kommune durchaus unterschiedlich ausfallen.