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Pfannkuchengesicht
Оглавление„Jetzt lass mal!“ Ich kann nicht mehr lachen. Auch Botte hört jetzt auf. Dieser Verführer! Immer wieder reitet er mich rein. Lacht in den unmöglichsten Situationen und besonders dann, wenn das Gegenteil geboten ist. Bei einer feierlichen Ansprache zum Beispiel. Immer findet er einen Anlass – eine schiefe Nase, eine Fistelstimme oder eine unfreiwillig komische Situation. Sein ersticktes Lachen ist so ansteckend, der Kontrast zum eigentlichen Anlass so witzig, dass es auch mich nicht mehr hält. Immer wieder schüttelt es unsere Körper, während wir leise japsend nach Luft ringen, bis endlich auch der arme Verlachte was merkt und wir schließlich hustend zu einer ernsthafteren Haltung zurückkehren. Wie oft haben wir uns später geschämt, Botte vielleicht weniger als ich. Auch jetzt wieder.
„Wollt ihr was lernen oder nicht?“ Werner, unser Gitarrenlehrer ist sauer. „Wenn ihr hier nur rumalbert, könnt ihr auch gehen. Ehrlich ,Mann!“
„Ne ne“, beschwichtigt Botte und räuspert sich. „Wir haben nur gerade an was Witziges denken müssen.“
„Dann steckt euren Spaß mal lieber in die Musik. Also ...“ Werner kramt in einer Ledertasche.
Wir sitzen zu sechst an zwei zusammengestellten Schultischen. Die drei anderen Anfänger sind älter als wir. Alle haben Konzertgitarren. Werner teilt Blätter aus, die noch nach Spiritus riechen und wohl frisch aus der Matrizenmaschine kommen. Der blauviolette Liedtext ist an einigen Stellen blass und schwer zu lesen, wofür sich Werner entschuldigt. Gemeinsam gehen wir Zeile für Zeile durch. Oberhalb sind einzelne Buchstaben vermerkt, die Akkorde. Es sind nur drei: G, C und D. Alles Dur-Akkorde. Die haben wir bereits in der ersten Stunde vor einer Woche gelernt und müssten sie eigentlich können. Aber mir fällt das Greifen des G-Akkords immer noch schwer, im Gegensatz zum C- und D-Akkord. Auch der Wechsel könnte schneller gehen. Noch immer müssen sich die Finger für eine kurze Schrecksekunde neu sortieren. Botte geht es nicht anders, was mich auf gewisse Art beruhigt. Schon seltsam: Obwohl wir vorhaben, gemeinsam zu spielen, fühlen wir uns ein wenig wie Konkurrenten.
Werner ist ein geduldiger Lehrer. Er studiert Deutsch und Englisch auf Lehramt in Münster, wohnt aber noch in Doesbeck, spielt hier auch Bass in einer Jazzband. Irgendwie sieht er schon aus wie ein Lehrer. Sein Haar ist nicht allzu lang, meistens trägt er eine braune Wildlederjacke, die er auch im Gitarrenunterricht anbehält. Seine goldgerahmte Brille passt gut in sein rundes, gutmütiges Gesicht. Es ist sein Gesicht, das Botte zum Lachen gebracht hat. Ob ich nicht fände, dass es wie ein Pfannkuchen aussieht, hat er mich nach der ersten Stunde gefragt und dabei heftig gelacht. Auch die Art, wie er nachdenkt, findet Botte lustig, dieses Spitzen und Ploppen der Lippen, während die Augen ins Leere starren. Botte krümmt sich vor Lachen. Er imitiert Werners Eigenart, hält sich die flache Hand vors Gesicht und drückt sie fest dagegen. Dabei lässt er ein Zischgeräusch erklingen. Kschhhhhh – der Pfannkuchen und die heiße Bratpfanne. Was für ein Spinner er doch ist! Und doch muss ich lachen. Als Werner heute wieder mit seinen Lippen geploppt und Botte sich mit seinem stimmlosen, asthmatisch klingenden Lachen andeutungsweise die Hand vors Gesicht gehalten hat, ist der Damm endgültig gebrochen.
Doch jetzt schwitzen wir. Dabei spielt Werner die drei Akkorde extrem langsam, schlägt die Saiten mit seinem langen Daumennagel gleichmäßig, fast monoton nach unten, eiiins, zweiii, dreiii, viiier, wie in Zeitlupe, erst das G viermal, dann das C und das D. Die anderen drei Teilnehmer unseres Kurses kommen besser mit als wir. Sie leisten sich auch keine Albernheiten wie Botte und ich.
Werner wird schneller. Plötzlich beginnt er zu singen. Heute hier morgen dort, bin kaum da, muss ich fort. Hui, erst G dann C dann wieder G. Hab mich niemals deswegen beklagt. Jetzt D. Wir sind raus. Alle. Staunend verfolgen wir fünf Anfänger, wie Werner das Lied von Hannes Wader spielt, seinen Anschlag dabei variiert und schließlich mit einem satten G-Akkord endet. Jetzt lacht auch Botte nicht mehr. Da hat Werner uns mal ganz locker vorgeführt, uns gezeigt, wo der Hammer hängt, Pfannkuchengesicht hin oder her.
An diesem Abend radeln wir schweigend nach Hause, verabschieden uns nur mit einem mürrischen Knurren. Die ganze Woche werde ich üben, schwöre ich mir, als ich mein Fahrrad in den Schuppen schiebe. Ich bin mir sicher, dass Botte gerade dasselbe denkt.