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Steinbrecher

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„Dir ist schon klar, dass wir einen Namen brauchen?“ Botte geht unruhig auf und ab. Wie ein Tiger in seinem Käfig. Es sind kaum drei Meter zwischen Bett und Kleiderschrank in seinem Zimmer. Wir sitzen meistens hier. Ich finde es gemütlich bei ihm. Das Haus der Bothes ist älter als unseres und Bottes Zimmer mit der Dachschräge ist nicht nur kleiner als meines, es verströmt auch einen mir nicht unangenehmen Geruch nach Altbau, ähnlich dem im Haus meiner Oma. Ich muss an das Beatles-Buch denken. Ob John Lennons Zimmer in Mendips, dem Haus seiner Tante Mimi auch so gerochen hat? Haben sich John und Paul dort getroffen, um gemeinsam zu komponieren – so wie wir gerade wieder? Oder waren sie bei Paul?

„Quarry Guys“, sagt Botte.

Ich sehe ihn fragend an. Er rollt mit den Augen. „Wär das nicht ein guter Name? Angelehnt an The Quarrymen.“

„Wie die Beatles, bevor sie Beatles hießen?“ Ich bin nicht begeistert. „Da waren ja nur John und Paul dabei.“

„Ja genau, wie wir: Botte und Tom.“

„Hm.“

„Warum nicht?“ Botte sieht mich durchdringend an. „Überleg doch mal: So heißt bestimmt keiner, trotzdem klingt das nach den Beatles, also den ganz frühen – was spricht dagegen?“

„Ich weiß nicht. Wieso sollen wir das denen nachmachen? Außerdem: Was haben wir mit Typen im Steinbruch zu tun? Hier gibt es weit und breit keinen. Nur Felder mit Jauche drauf.“

„Aha, sollen wir uns dann lieber Die Stinker nennen? Oder frei nach den Beatles Die Kartoffelkäfer?“ Botte ist ungehalten. Er mag es nicht, wenn man seine Ideen schlechtredet. Er kann überhaupt sehr schlecht mit Kritik umgehen – und ich nicht mit solchen Streitsituationen. Ich neige dann zum schnellen Einlenken, nur damit wieder Ruhe ist. Später ärgere ich mich, fühle mich wie eine Marionette, mit der man machen kann, was man will.

„Kartoffelkäfer“, sage ich und muss jetzt doch lachen. Botte verzieht den Mund, dann platzt auch er. Beide lachen wir aus voller Kehle, bis uns die Tränen kommen.

„Ist doch wahr“, sagt Botte mit erstickter Stimme.

Später gehen wir in den Schuppen. Botte will den alten Bollerwagen reparieren und anstreichen, mit dem wir schon als Kinder gespielt haben. Eine richtige Westernkutsche haben wir daraus gemacht, mit einem Gestell und Decken drüber. Ein Schönheitsfehler war, dass wir nie selbst in den Genuss einer Fahrt kamen; wir zogen zwar andere Kinder über die Straße, brachten aber niemanden dazu, auch mal uns zu kutschieren. Die älteren Jungs von der Parallelstraße lachten uns deswegen zu Recht aus.

„Der ist ja noch viel besser!“ Botte beginnt einige Bretter beiseite zu räumen, unter denen ein alter Fahrradanhänger zum Vorschein kommt, ein stabiler und geräumiger aus Holz, mit Speichenrädern wie bei einem Fahrrad, dessen Reifen allerdings platt sind.

„Na dann mal los“ Botte reibt sich die Hände. „Hier ist Flickzeug. Ich hab noch hellbraune Farbe vom Bollerwagen. Hoffentlich ist die nicht eingetrocknet.“ Botte macht sich an den Schubladen der kleinen Werkbank zu schaffen, an der sein Vater sonst immer steht.

Zwei Stunden später erstrahlt der kleine Anhänger mit geflickten Fahrradschläuchen in frischem Glanz.

„Über den Namen müssen wir dann halt noch reden. Der kommt dann hier hinten drauf. In Schwarz.“ Botte deutet auf eine Farbdose neben dem Schraubstock. „Aber die braune Farbe muss jetzt eh noch trocknen.“

Am nächsten Tag kommt Botte bei mir vorbei. Er hat vorne geklingelt. Der Anhänger ist an der Sattelstange seines Fahrrads befestigt. Unter einer Decke zeichnet sich die Kontur seiner Gitarre ab. Botte wirkt stolz und auch ein wenig fremd. Er trägt eine speckige Wildlederjacke, die selbst ihm zu weit ist und wohl von seinem Vater stammt. Botte will zum alten Sportplatz und dort auf der Wiese Fotos machen. Seine Schwester hat sich erbarmt und kommt gleich mit ihrem Fotoapparat. Wieder hat mein Freund alles perfekt organisiert. Wieder stellt er mich vor vollendete Tatsachen. Ich erschrecke, als ich den Schriftzug hinten am Wagen entdecke. The Quarry Guys steht da in fetten schwarzen Buchstaben. Wieso „Guys“? Was soll denn das heißen?

Botte übergeht meinen Ärger. „Jetzt hol schon deine Gitarre! Meine Schwester müsste gleich kommen. Hast du noch ne andere Jacke als die da?“

Die Fotos, die er mir eine Woche später in die Hand drückt, sind echte Suchbilder. Viel zu verloren wirken wir mit unseren Gitarren und dem Bollerwagen, auf dem man den Schriftzug nur mit Mühe lesen kann. Botte ist auch nicht begeistert, stammelt was von „Herausvergrößern“, aber im Grunde hat er die Bilder schon abgehakt. Ich frage mich ohnehin, was die ganze Aktion sollte, wenn nicht, den Bandnamen durchzusetzen, lasse mich schließlich breitschlagen, einen Quarry-Guys-Schriftzug mit Klebefolie unterhalb des Schalllochs meiner Gitarre anzubringen. Er selbst hat es bereits gemacht und ich muss zugeben, dass es nicht schlecht aussieht.

Das nächste Mal, als wir uns in der Fußgängerzone vor dem Café postieren, fragen uns einige Kinder zwischen zwei Songs, was denn das auf unseren Gitarren bedeuten solle. Botte grinst freundlich und sagt, dass wir die Steinbrecher sind, also Arbeiter aus dem Steinbruch. Die Kinder gucken blöd und lassen uns stehen. Botte ist dazu übergegangen, unsere Lieder anzusagen. Immer wieder schiebt er ein, dass wir die Quarry Guys seien, was so viel heiße wie Kerle im Steinbruch oder auch Steinbrecher.

„Flausen! Geht mal richtig arbeiten!“, ruft uns ein älterer Mann in einem Blaumann zu und sorgt für hämisches Gelächter bei den Umstehenden.

„Wieso? Die tun doch was!“, erwidert ein Mann in Bäckerkleidung. Er kommt aus dem Café gegenüber und hat eine Pappschale mit Kuchen in der Hand. „Hier, Jungs, das ist für euch. Wenn ihr wollt, engagiere ich euch in meinem Café als Salonorchester.“

Der Mann scherzt wahrscheinlich, aber er hat Stil, denke ich, während wir den Bienenstich verputzen. Danach stimmen wir Hey Jude an. Und weil immer mehr Menschen stehenbleiben und sogar mitsingen, wiederholen wir den Refrain etliche Male. Am Ende kriegen wir sogar richtigen Applaus.

„Beim nächsten Mal stellen wir einen Hut auf“, raunt mir Botte zu. Und wie auf Kommando streckt ihm ein kleines Mädchen eine Münze hin.

„Aber das wär doch nicht nötig gewesen.“ Botte lacht geziert, bedankt sich artig bei dem Mädchen und dessen Vater, der mit seiner Tochter weiterzieht.

„Fünfzig Pfennig. Immerhin. Wirst sehen: In der Adventszeit machen wir richtig Knete.“

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