Читать книгу Mediation am Bau - Wirkung und Methode - Martin Jung - Страница 5
Vorwort der Herausgeber
ОглавлениеKonflikte in der Bau- und Immobilienwirtschaft sind komplex und schwierig. Viele Beteiligte, die oft lange Dauer der Verfahren und dichte Problemfelder sind typisch für diese Streitigkeiten. Exorbitante Kostensteigerungen und zeitliche Verzögerungen gibt es nicht nur bei großen Bauvorhaben. Konflikte um Mängel, Nachträge, Baustopps oder Honorare vor staatlichen Gerichten auszutragen lohnt sich allerdings nicht. Oft dauern solche Verfahren mit aufwändiger Beweisaufnahme in jeder Instanz mindestens zwei Jahre. Auch die Akteure der Branche finden Bauprozesse zu langwierig, zu teuer, zu ressourcenaufwändig und zu wenig prognosesicher.
Eine Studie der TU Berlin hat ergeben, dass es sich selbst bei Streitwerten von 100.000 Euro nicht auszahlt, in Bausachen vor Gericht zu ziehen. Zu den Gerichtsgebühren, Anwaltskosten und Honoraren für Sachverständige im Prozess oder außerhalb müssen Transaktions- und Opportunitätskosten hinzugerechnet werden, also die Aufwendungen, die ein Unternehmen hat, um das Verfahren zu betreiben, und die Einnahmen, die durch damit beschäftigte Arbeitskraft verloren gehen. Die Kosten übersteigen vor allem bei geringeren Beträgen den Streitwert bis zu einem Urteil in zweiter Instanz oft ganz erheblich. Selbst wenn man einen Prozess zumindest teilweise gewinnt, sind die Kosten dafür meist deutlich höher als das, was dabei herauskommt.
Es macht daher Sinn, über Alternativen nachzudenken. Tatsächlich setzt sich die Branche mit neuen Ansätzen sowohl für die Vertragsgestaltung und Projektbegleitung als auch für die Konfliktlösung auseinander. Beim AHO (Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung e.V.) wurde ein Arbeitskreis für Konfliktmanagement eingerichtet.
Neben den anderen außergerichtlichen Streitbeilegungsmethoden sind mediative Kompetenzen und Mediation eine gute Alternative für die Auseinandersetzung bei Konflikten in der Bau- und Immobilienbranche. Denn Mediation schont wichtige Ressourcen, nämlich Zeit und Geld, und außerdem werden die Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien erhalten oder sogar verbessert. Mediation ist erfolgreich in Konflikten um Bau und Immobilie, und zwar sowohl bei privatwirtschaftlichen Vorhaben als auch in der öffentlichen Planung. Gerade bei Vertragsverhältnissen, die über einen längeren Zeitraum funktionieren und gelebt werden müssen, können Störungen zwischen den Beteiligten großen Schaden anrichten, wenn sie nicht schnell, kooperativ und nachhaltig gelöst werden. Mediative Kompetenzen und Mediation können das leisten.
Mit diesem Ratgeber möchten wir den Praktikern in der Bauwirtschaft zeigen, wie und in welchen Bereichen Mediation in einer Branche angewendet werden kann, die zu Recht als besonders konfliktträchtig gilt, und betrachten die Möglichkeiten der Mediation aus verschiedenen professionellen Blickwinkeln. Als Rechtsanwälte, Mediatoren, Projektsteuerer und Bauingenieure bringen die Autoren ihre Erfahrungen aus der Praxis ein und setzen dabei ganz unterschiedliche Akzente in der Beschreibung und Beurteilung von Mediation aus ihrer jeweiligen Sicht:
Dr. Sabine Renken, Prof Dr. Martin Jung, Klaus Heinzerling und Ernst Wilhelm engagieren sich beruflich und im Rahmen ihrer Vorstandstätigkeit im MK BauImm – Mediation und Konfliktmanagement in der Bau- und Immobilienwirtschaft und im Verein zur Zertifizierung partnerschaftlichen Verhaltens am Bau e.V. für die Konfliktprävention und das Konfliktmanagement unter Einsatz mediativer Kompetenzen am Bau.
Dr. Sabine Renken hat eine allgemeine Einführung in die Methoden und das Funktionieren von Mediation geschrieben. Prof. Dr. Martin Jung beleuchtet die Besonderheiten der Bau- und Immobilienwirtschaft für das Konfliktmanagement, indem er Mediation und mediative Kompetenzen für Bau- und Projektleiter im Allgemeinen erläutert und in einem gesonderten Kapitel für die Anwendung im Rahmen der Vertragsgestaltung, während der Projektdurchführung und zur Konfliktbearbeitung untersucht. Klaus Heinzerling analysiert die Kommunikation der Projektbeteiligten als Ursache für Konflikte und die Wirkung von Mediationskonzepten auf Kommunikation und Rollenbilder von Baubeteiligten. Ernst Wilhelm beschäftigt sich mit der Wirkung der Haltung von den am Bau Beteiligten auf den Erfolg eines Projektes und untersucht in diesem Zusammenhang die Möglichkeiten einer kooperativeren Haltung im Rahmen von Mediation.
Dr. Tillman Prinz, Prof. Dr. Bernd Kochendörfer und Marcus Becker bringen ihre Erfahrungen mit der Wirkungsmacht mediativer Kompetenzen für die Praxis des Planens und Bauens in diesen Ratgeber ein:
Dr. Tillman Prinz, Bundesgeschäftsführer der Bundesarchitektenkammer, berichtet über die Mediation aus der Sicht der Architekten und beschreibt besonders Verfahren zur allseitigen Interessenoptimierung. Prof. Dr. Bernd Kochendörfer, Geschäftsführer der KVL Bauconsult GmbH mit langjähriger Expertise in allen Bereichen des Projektmanagements, beschreibt die Anwendbarkeit von Mediation und mediativen Kompetenzen im Berufsbild des Projektmanagements. Marcus Becker, Geschäftsführer der Kondor Wessels Bouw Berlin GmbH und Vizepräsident Wirtschaft des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie e.V. beleuchtet den Einsatz mediativer Methoden aus Sicht des Bauunternehmers und teilt seine Erfahrungen mit dem Partnerschaftlichen Bauen nach dem Bauteamverfahren.
Wir verwenden in diesem Buch für die bessere Lesbarkeit bei Nomen und Pronomen das generische Maskulinum.
Darüber hinaus wünschen wir Ihnen viel Vergnügen und Gewinn bei der Lektüre. Fühlen Sie sich ermutigt, mediative Kompetenzen zu erwerben und für und in Ihren Projekten einzusetzen.
Hamburg und Berlin im September 2021
Dr. Sabine Renken und Prof. Dr. Martin Jung