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1.2 Der Niedergang der arabischen Welt

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Der Niedergang der arabischen Welt begann mit der mongolischen Invasion im 13. Jahrhundert und setzte sich mit den Eroberungen der türkischen Osmanen im 16. Jahrhundert fort. Zwar wurden die überwiegend muslimischen Araber von einem muslimischen Sultan regiert, doch saß er im fernen Konstantinopel, seine Beamten und Soldaten verhielten sich vor Ort oft autokratisch, nahmen wenig Rücksicht auf die arabische Kultur und forderten von den Bewohnern hohe Abgaben.15

Ein erster, tiefgreifender Schock war der Einfall des französischen Generals Napoléon Bonaparte in Ägypten und Palästina in den Jahren 1798 bis 1801, auch wenn das kühne Unternehmen schon bald scheiterte. Er führte den Arabern das immer größer werdende Machtgefälle gegenüber dem Abendland vor Augen. Versuche der osmanischen Vizekönige in Ägypten, ihr Staatswesen aus eigener Kraft zu reformieren, wurden von den europäischen Mächten geschickt vereitelt, indem sie Ägypten in die Staatsverschuldung trieben.

Mit der französischen Eroberung Algeriens ab dem Jahr 1830 setzten sich die Europäer in der arabischen Welt als Kolonialmächte fest. Ab 1882 kontrollierte Großbritannien das Schlüsselland Ägypten, durch das die geostrategisch wichtige Suezpassage nach Britisch-Indien verlief.

Im Ersten Weltkrieg gewann Großbritannien arabische Bundesgenossen unter Führung der Haschemiten-Dynastie in Mekka. Doch wurde ihnen nach dem Sieg der versprochene arabische Großstaat verweigert. Stattdessen wurden die arabischen Gebiete des Osmanischen Reichs den europäischen Siegermächten als »Völkerbundsmandate« übertragen. Sie zerschnitten sie durch neu gezogene Grenzen und richteten sie auf die Bedürfnisse der externen Mächte aus. So unterblieb eine Industrialisierung, wie sie z. B. die unabhängige Türkei durchführte. Denn die arabischen Mandatsgebiete sollten Agrarprodukte und Rohstoffe liefern und im Gegenzug Fertigwaren europäischer Mächte importieren. Frankreich, Großbritannien und Italien stützten sich auf gefügige arabische Eliten, die auch nach der Gewährung einer formalen »Unabhängigkeit« (Ägypten 1922, Irak 1932, Libanon 1943) bereitwillig die europäischen Interessen förderten.

Damit noch nicht genug: Mit offizieller Unterstützung des Völkerbunds und der Mandatsmacht Großbritannien wurde in dem 1918 zu fast 90 % arabisch besiedelten Palästina durch großzügige Einwanderungsförderung eine »jüdische nationale Heimstätte« begründet. 1948 rief die zionistische Bewegung einen neuen Staat Israel aus, erweiterte einseitig dessen Grenzen und vertrieb über 700 000 arabisch-palästinensische Bewohner in die Nachbarstaaten.

Die Abschaffung des Kalifats durch den türkischen Staatspräsidenten Mustafa Kemal Atatürk im Jahr 1924 beraubte die (überwiegend muslimischen) Araber eines letzten einigenden Bandes und akzentuierte den Macht- und Identitätsverlust des Morgenlands gegenüber dem Abendland. Als Reaktion auf diese Entwicklungen wurden säkular-nationalistische und islamistische Bewegungen gegründet, die beide den Europäern den Kampf ansagten.

Der Zweite Weltkrieg eröffnete den Arabern eine neue Chance. Frankreich, Großbritannien und Italien wurden erheblich geschwächt, während die USA und die Sowjetunion zu Weltmächten aufstiegen und die Entlassung der europäischen Kolonien in die Unabhängigkeit betrieben. Die Entkolonialisierung unterstützten auch die 1945 gegründeten Vereinten Nationen. In drei Artikeln der UN-Charta wird das »Selbstbestimmungsrecht der Völker« hervorgehoben.16

Getragen von einer Welle überregionaler Begeisterung konnten in Schlüsselstaaten wie Ägypten, Algerien, Irak und Syrien nationalistische und sozialistische Massenparteien die Macht erobern. Bewegungen wie die »Nasseristen« (benannt nach dem ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser) und »Baathisten« (von baath, d. h. Wiedergeburt) versprachen eine rasche und gerechte Wirtschaftsentwicklung, den Aufbau einer starken und geeinten großarabischen Nation sowie die Befreiung Palästinas. Im Interesse einer schnellen Modernisierung von oben wurden Demokratie und Freiheitsrechte geringgeachtet oder auf später verschoben. Liberale oder sozialdemokratische Strömungen konnten sich nicht durchsetzen. Ihnen haftete auch der Makel an, Annexe ihrer europäischen Vorbilder zu sein und deren Interessen zu vertreten.

Die politischen und ökonomischen Versprechungen wurden allerdings nicht erfüllt. Es wurden autoritäre Regime etabliert, die den Volkswillen für sich vereinnahmten, aber nicht umsetzten. Militärs,


Abb. 1: Gegenspieler: Der progressive ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser (links) und der konservative saudische König Faisal (Mitte), rechts Palästinenserführer Jassir Arafat, September 1970.

hohe Polizei- und Geheimdienstoffiziere, Beamte, vom System begünstigte Händler und Unternehmer sowie kooptierte Intellektuelle, Geistliche und Stammesführer bildeten die neuen Eliten. Außerdem geriet die arabische Welt im Kalten Krieg in neue Abhängigkeiten: Das progressiv-linksnationalistische arabische Lager wurde von der Sowjetunion vereinnahmt, das konservativ-traditionalistische Lager von den USA.

Repression und Korruption, sozioökonomische Ungleichheit sowie Armut und Arbeitslosigkeit nahmen insbesondere in den rohstoffarmen arabischen Staaten seit den 1970er-Jahren stetig zu. Auch vergrößerte sich der Abstand zu den westlichen Industriestaaten, wie die seit 2002 veröffentlichten Arab Human Development Reports des Weltentwicklungsprogramms (United Nations Development Programme/UNDP) aufzeigen.

Arabischer Frühling ohne Sommer?

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