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Unter dem Mikroskop
ОглавлениеIn den Text wird nun in Form einer mikroskopischen Vergrößerung eine neue Perspektive eingeführt, so als ob es nicht schon komplex genug wäre, den ständigen Metamorphosen zu folgen. Als weiteres Bild für die fortschreitende Ent-Selbstung oder Ent-Menschlichung verwandelt sich Thomas in ein Ungeheuer. Unter dem anonymen Blick durch ein „microscope géant“ stellt er sich als „amas entreprenant de cils et de vibrations“ dar.1 Die Fokussierung durch das riesige Mikroskop bedingt oder bezeugt seine monströse Entfremdung.
Es folgt die dritte Bewegung des „glisser“ weiter in die Tiefe, an eine Art heiligen Ort, der als solcher das religiös semantisierte Ziel der Initiation markiert. Während das erste Gleiten sich vom Ufer ins Meer vollzog und das zweite Gleiten in die Leere führte, ereignet sich das dritte als eines durch den mikroskopischen Blickwinkel „vom Wassertropfen weg“ an einen Ort der Indifferenz.
[L]orsque de la goutte d’eau il chercha à se glisser dans une région vague et pourtant infiniment précise, quelque chose comme un lieu sacré, à lui-même si bien approprié qu’il lui suffisait d’être là, pour être; c’était comme un creux imaginaire où il s’enfonçait parce qu’avant qu’il y fût, son empreinte y était déjà marquée. […] il se confondait avec soi en s’installant dans ce lieu où nul autre ne pouvait pénétrer.2
Dieser Ort lässt sich nur über Paradoxien und vergleichende Annäherungen in Worte umkreisen, ohne dabei erfasst werden zu können. Als „creux imaginaire“ wiederholt er das „centre imaginaire“ des Paratextes als a-zentrisches Zentrum. Die Selbstfindung ist nur qua zerfasertes und depersonalisiertes Materialgemisch möglich und verschließt sich als exklusiver Raum dem Nachvollzug einer Außeninstanz. Dieser markiert einen Endpunkt des Kampfes und der Suche und bildet eine Region der Begegnung von Thomas mit sich selbst am äußersten Punkt der Selbstentfremdung. Doch auch wenn an diesem Ort nicht verweilt werden kann, markiert er als Zone der Grenzerfahrung eine Grenze, sofern es im Text am Ende der Passage heißt: „Finalement il dût revenir.“ Thomas ist an einer inneren wie äußeren Grenze angekommen, jedoch nicht am Ende. Seine Ankunft wird vielmehr den Beginn der nächsten Wiederholung des Ähnlichen als Ausdruck der Entfremdung bilden, wie ich es nach meinen Überlegungen zum 1. Kapitel in den weiteren Kapiteln herauszuarbeiten gedenke.