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Nacht-Sehen

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Thomas, der im Kryptaraum weiter fortschreitet – was bedeutet, dass er sich gerade nicht linear nach vorne bewegt, sondern physisch wie gedanklich durch seine Negation vorangetrieben wird – gelangt in einer Verdopplungsbewegung des Ortes an einen neuen Ort, der sich nicht vom vorherigen unterscheidet. In einem ereignishaften Augenblick ändert Thomas seine Wahrnehmung ein wenig, schwenkt vom Fortschreiten bzw. Starren zum Blicken. Dies eröffnet das Gewahrwerden der Nacht.

A cet instant, Thomas commit l’imprudence de jeter un regard autour de lui. La nuit était plus sombre et plus pénible qu’il ne pouvait s’y attendre. L’obscurité submergeait tout, il n’y avait aucun espoir d’en traverser les ombres, mais on en atteignait la réalité dans une relation dont l’intimité était bouleversante. Sa première observation fut qu’il pouvait encore se servir de son corps, en particulier de ses yeux; ce n’était pas qu’il vît quelque chose, mais ce qu’il regardait, à la longue le mettait en rapport avec une masse nocturne qu’il percevait vaguement comme étant lui-même et dans laquelle il baignait.1

Die Nacht zeigt sich in ihrer Omnipräsenz der Dunkelheit weitaus dunkler und schmerzhafter als gedacht. Das Vordringen zur Realität der Nacht geschieht über den Schmerz und die Dunkelheit. Je dunkler die Nacht wird, desto intensiver ist auch die Nähe zwischen Thomas und ihr bzw. ihren Repräsentationen. Thomas beobachtet, dass er nach wie vor mittels seines Bewusstseins Zugriff auf seinen Körper, insbesondere auf die Augen, hat. Er kann nicht sehen, aber über die Augen mit seiner Umgebung in Verbindung treten und über den Blick eine Berührung herbeiführen. Dabei wird zwischen „voir“, „regarder“ und „percevoir“ unterschieden: Nicht sehend, setzt ihn das Betrachtete mit einer „masse nocturne“ über das Betrachten (regarder) in Verbindung, die er als sich selbst wahrnimmt (percevoir) und in der er schwimmt. In einem Akt der Immersion kommt es zur Ununterscheidbarkeit zwischen dem Betrachter und der nächtlichen Masse. „[E]n dehors de lui se trouvait quelque chose de semblable à sa propre pensée que son regard ou sa main pourrait toucher.“2 Außerhalb von ihm gibt es etwas, eine Art Gedankenverkörperung, die er über den Blick oder die Hand taktil greifen kann. Eine Möglichkeit wäre, dieses Außerhalb schlichtweg als Realität zu bezeichnen, die nicht komplett deckungsgleich mit seinen Gedanken ist, ihnen jedoch gleicht, da sie, konstruktivistisch betrachtet, als Realität erst durch seinen Blick oder durch seine Berührung entsteht. Die Frage wäre hier, wie es um die anderen Sinneswahrnehmungen und ihren Stellenwert steht. Im zitierten Text gibt es jemanden (den man vielleicht als Thomas bezeichnen könnte) und etwas außerhalb von ihm, was in einer Beziehung zu ihm steht. Es ist hier von einer gewissen Innen-Außen-Differenz die Rede, wenngleich über eine Ähnlichkeitsbeziehung von Innen und Außen die Differenz sogleich wieder porös gemacht wird.

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