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Kreisschluss

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Die Ausgangsthese war, dass im 1. Kapitel von TO2 ein Initiationsprozess stattfindet, der sich in drei Stufen gliedert. Thomas befindet sich am Anfang und am Ende am Meeresufer sitzend und betrachtet das Wasser. Dies entspricht dem, was ich Kontemplation I und Kontemplation II genannt habe. Dazwischen findet ein topologisch markierter Wechsel des Denk-und Erfahrungsmediums von der Erde ins Wasser statt, in dem sich die eigentliche Initiation in einem ebenfalls dreistufigen Gleiten bis hin zum „lieu sacré“ als innere Erfahrung im Bataillschen Sinne vollzieht.

Die strukturelle Initiation wird ermöglicht durch verschiedene Transgressionen: das Überschreiten der Grenze zwischen Ufer und Meer (gleitende Bewegung nach unten), das Überschreiten der Grenze zwischen dem Wasser und dem „lieu sacré“, das Überschreiten der Grenzen des eigenen Körpers sowie der Grenze von Subjekt und Objekt und der Grenze von Körper und Geist. Richtet man den Blick durch das „microscope géant“ auf die Ebene der sprachlichen Darstellung, finden sich diese Transgressionen des Textes auch auf der Wort-und Satzebene des Textes. Thomas l’Obscur ist folglich, wie Rainer Stillers in Anlehnung an Jean Pfeifer formuliert, neben einer „langage de l’expérience“ auch eine „expérience du langage“, die den Leser erfasst und von ihm eine aktive Teilhabe einfordert.1 Exemplarisch habe ich versucht, dies am Beispiel der „pensée de l’eau“ zu zeigen. Die Selbsttransgressionen der Sprache ereignen sich jedoch auch in Oxymora, diversen Entkopplungen von Zusammenhängen, einander überlagernden Isotopien sowie der Zirkularität der Sprache. Diese transgressiven Bewegungen bedingen die Initiation von Thomas und ermöglichen ihm am Ende des 1. Kapitels einen anderen Zustand. Sie unterlaufen aber auch das Konzept der Initiation als singuläres Ereignis, das normalerweise von Priestern begleitet und von Ritualen gerahmt ist.

Im 2. Kapitel von TO2 wird Thomas in einen höhlenartigen Ort im Wald hinabsteigen, im 4. Kapitel in die Wörter eines Buches, sodann in die Nacht selbst und dergleichen mehr. Am Ende des Textes wird er wieder auf das Meer blicken und sich schließlich abermals hineinstürzen. Das letzte Kapitel schließt an den Beginn des 1. Kapitels und das Bild des auf das Meer blickenden Thomas an, beschließt den Text mit diesem Bild und öffnet ihn gleichzeitig, denn es gibt keine Entwicklung Thomas’ im Sinne eines Entwicklungsromans, keine einfache Reifung oder gehobene Erkenntnis. Das Ende tritt wiederholend an den Anfang: Der Anfang wird damit rückwirkend seiner Originalität beraubt und in Serie geschaltet. Auf die Differenz in der Wiederholung wird das 12. Kapitel meiner Arbeit eingehen. Während Georges Bataille, wie ich zu Beginn des Kapitels ausgeführt habe, im Wesentlichen das 2. Kapitel von Thomas l’Obscur als literarische Ausformung des il y a versteht, möchte ich es im Folgenden als Erfahrung der ‚autrenuit lesen, welche wiederum als Denkfigur des Unbegreiflichen eine große Nähe zum il y a aufweist.

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