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c) Grundrechtsdämmerung?
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Als verfassungsstaatlich besonders sensibel müssen Einschränkungen von Grundrechtsgewährleistungen gelten. So kann man es als ein besorgniserregendes Zeichen verstehen, dass allein seit der deutschen Wiedervereinigung fünf Änderungen im Grundrechtsabschnitt zu verzeichnen sind, von denen einige eine „Absenkung des bisherigen grundrechtlichen Schutzstandards oder dessen Relativierung“ bewirkten.[280] Insbesondere die Asylrechtsnovelle (vgl. Rn. 68) und die Absicherung des so genannten Großen Lauschangriffs (vgl. Rn. 69) waren verfassungsrechtlich äußerst umstritten und sind es partiell heute noch. Die Zweifel an der Zulässigkeit der Verfassungsänderungen kleideten sich – nicht anders als Ende der 1960er Jahre bei der Einfügung von Art. 10 Abs. 2 GG (dazu oben, Rn. 54) – vornehmlich in den Vorwurf einer Verletzung der unantastbar verbürgten und durch die Ewigkeitsklausel des Art. 79 Abs. 3 GG abgesicherten Menschenwürde. Schon das demonstriert das erhebliche Gewicht der Vorwürfe.
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Doch ist trotz dieser Kontroversen nicht zu leugnen, dass der Konfliktstoff und das Ausmaß der gesamtgesellschaftlichen Auseinandersetzungen deutlich geringer waren als seinerzeit bei der Wehr- und Notstandsverfassung. Deren Einschnitttiefe wurde nicht erreicht. Die Änderungen blieben letztlich mehr eine Sache politischer Gruppen und Parteien sowie einschlägig engagierter Juristen, ohne dass sie die ganze Nation aufgewühlt hätten.[281] Auch ist in der Sache festzuhalten, dass von einem generellen Bedeutungsverlust der Grundrechte im Allgemeinen ebenso wenig die Rede sein kann wie von einem solchen der soeben erwähnten im Besonderen.
§ 1 Grundlagen und Grundzüge staatlichen Verfassungsrechts: Deutschland › II. Die Entwicklung des Grundgesetzes von 1949 bis heute › 4. Faktoren der Verfassungsentwicklung