Читать книгу Handbuch Ius Publicum Europaeum - Martin Loughlin - Страница 66

a) Gewaltenteilung

Оглавление

117

In Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG sind mit Gesetzgebung, vollziehender Gewalt und Rechtsprechung bestimmte Funktionen benannt und zugleich „besonderen“ Organen zugeordnet.[395] Besonders meint hier nicht exzeptionell, sondern gesondert, voneinander getrennt. Aus der Funktionentrennung folgt die Organtrennung. Im Grundsatz heißt das: Parlamente sollen nicht über Einzelfälle entscheiden, Richter keine Gesetze erlassen, Verwaltungsbeamte keine Urteile fällen.

118

Weitgehend ausgehebelt wäre die vom Bundesverfassungsgericht als „tragendes Organisationsprinzip des Grundgesetzes“[396] apostrophierte Gewaltenteilung,[397] wenn verschiedene Organe mit den gleichen Personen (Amtswaltern) besetzt werden könnten. Dem beugen die so genannten Inkompatibilitäten vor.[398] Besonders strikt fällt insofern die Trennung der Judikative von den beiden anderen Gewalten aus, weniger konsequent hingegen im Verhältnis zwischen Legislative und Exekutive, wie etwa die fehlende Inkompatibilität zwischen der Mitgliedschaft in Bundesregierung und Bundestag zeigt. Auch der Erlass von Verordnungen durch die Ministerien gemäß Art. 80 GG (vgl. oben, Rn. 21) stellt eine Durchbrechung dar. Ohnehin ist das Gewaltenteilungsprinzip „nirgends rein verwirklicht“[399].

119

Der unverlierbare Sinn der Gewaltenteilung besteht im Schutz vor jeder Form totaler Machtkonzentration[400] durch Errichtung eines Systems von „checks and balances“, von Gegengewalten und Kontrollmöglichkeiten, wie es namentlich von den amerikanischen Verfassungsvätern realisiert wurde.[401] Auch in Montesquieus Satz „Le pouvoir arrête le pouvoir“ gewinnt diese Idee plastischen Ausdruck.[402] Freilich erwuchs bei ihm der Gedanke einer wirklichen Teilung der Gewalten noch aus ihrer Zuordnung zu verschiedenen sozialen Kräften und eigenständigen politischen Größen.[403] Dieser Bezugspunkt ist heute entfallen, da die gesamte Staatsgewalt einheitlich auf dem Willen des Volkes beruht.[404] Auch darf man angesichts der – Gleichrangigkeit insinuierenden – Rede von der Gewaltenteilung nicht die „Präponderanz des Bundestages“[405] als legislativer Leitgewalt und steuernder Größe gegenüber Exekutive und Judikative verkennen.

120

Ein zweiter Punkt tritt hinzu. Mit der Gewaltenteilung wird in hochkomplexen modernen Gesellschaften nicht eine ursprünglich effizientere und wirkungsmächtigere Staatsorganisation gleichsam künstlich gebrochen und in ihrer Wirksamkeit abgeschwächt. Vielmehr hat die Gliederung der Gewalten einen Handlungsfähigkeit erst verleihenden, effizienzsteigernden, den universalen Gedanken der Arbeitsteilung auf die Staatsapparatur übertragenden Effekt. Es geht also nicht nur um kunstvolle Verhinderung eines univoken Machtapparats, sondern um eine sinnvolle Zuordnung der staatlichen Funktionen auf bestimmte Organe.[406] Dieser gleichsam positive Aspekt bezeichnet den wesentlichen Sinngehalt der Gewaltenteilung im demokratischen Verfassungsstaat. Auf ihn lassen sich auch Konzepte einer funktional differenzierten Zuordnung von Kompetenzen[407] auf bestimmte Träger zurückführen.

Handbuch Ius Publicum Europaeum

Подняться наверх