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aa) Ausstrahlungswirkung

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Den Gedanken der Ausstrahlungswirkung hat das Bundesverfassungsgericht im Lüth-Urteil[472] in großer Grundsätzlichkeit und Allgemeinheit dahingehend formuliert, dass das Wertsystem des Grundgesetzes „als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gelten [muss]; Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung empfangen von ihnen Richtlinien und Impulse. So beeinflußt es selbstverständlich auch das bürgerliche Recht; keine bürgerlich-rechtliche Vorschrift darf in Widerspruch zu ihm stehen, jede muß in seinem Geiste ausgelegt werden“[473]. Danach wirken die Grundrechte also auf die gesamte einfache Rechtsordnung prägend und interpretationsleitend ein.[474] Die grundrechtskonforme und die grundrechtsorientierte Auslegung als Konkretisierungsformen der verfassungskonformen und verfassungsorientierten Auslegung (dazu oben, Rn. 89f.) bilden die unmittelbare Konsequenz dieses Ansatzes. Die Wirkungskraft der Grundrechte geht somit über das Verhältnis Staat-Bürger hinaus und erfasst tendenziell auch die privatrechtlichen Verhältnisse und deren gerichtliche Behandlung. Der Lehre von der mittelbaren Drittwirkung gemäß sollen die Grundrechte im Privatrecht insbesondere über die Generalklauseln und sonstigen wertungsoffenen Zentralbegriffe zur Geltung kommen.[475] Die Etablierung der Verfassung als „oberste Bezugsebene der Teilrechtsgebiete“[476] bereitet der vermeintlichen Autonomie von Fachrechtsordnungen mit ihren festgefügten dogmatischen Traditionsbeständen ebenso ein Ende wie der verfassungsabstinenten Judikatur der Fachgerichte. Das kann zu Friktionen und Rezeptionsschwierigkeiten führen. So hat die Spruchpraxis des Bundesverfassungsgerichts etwa im Bereich des Mietrechts oder des Bürgschaftsrechts harsche, wenn auch letztlich folgenlose Reaktionen nicht nur aus dem Kreis der Privatrechtler provoziert.[477] Zentrales Charakteristikum der Ausstrahlungswirkung ist also die umfassende Grundrechtsprägung der Rechtsordnung.[478]

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