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a) Vorrang gegenüber der Gesetzgebung
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Die hohe Bedeutung der Verfassung kommt sowohl in ihren inhaltlichen Normierungen zum Ausdruck wie auch darin, dass sie gleichsam die Spitze der innerstaatlichen Normenpyramide markiert. Das Verfassungsrecht unterscheidet sich nicht nur durch seine Aufgaben und seinen Gegenstand von anderen Rechtsgebieten, sondern auch durch seinen Rang. Und dieser Rang zeichnet sich neben der erschwerten Abänderbarkeit (dazu oben, Rn. 43ff.) vor allem durch seinen Vorrang gegenüber anderen Staatsgewalten aus.[307] So spricht Art. 1 Abs. 3 GG klar aus, dass die Grundrechte „Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht“ binden. In Art. 20 Abs. 3 GG wird diese Bindung über die Grundrechte hinaus verallgemeinert und zugleich gewaltenspezifisch differenziert, indem es dort heißt: „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.“
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Verfassungshistorisch wie verfassungsdogmatisch ist von größter, den Vorrang der Verfassung gleichsam komplettierender Bedeutung, dass auch der förmliche Gesetzgeber, also das Parlament, der Verfassungsbindung unterworfen ist. Diese unzweifelhafte, in Art. 1 Abs. 3 wie in Art. 20 Abs. 3 GG ausgesprochene Bindung des förmlichen (Bundes- wie Landes-)Gesetzgebers[308] markiert einen weiteren Unterschied zu Weimar und stellt auch in älteren europäischen Verfassungsstaaten bis heute keine Selbstverständlichkeit dar. Das wertet die Verfassung in einem entscheidenden Punkt auf. Vorrang der Verfassung bedeutet Nachrang des Gesetzgebers.[309]
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Dieser Nachrang wird daran deutlich, dass ein mit der Verfassungsordnung nicht in Übereinstimmung stehendes Bundes- oder Landesgesetz verfassungswidrig und (in aller Regel) nichtig ist. An solchen Nichtigkeitserklärungen formeller Gesetze wegen Verstoßes gegen Grundrechte, staatsorganisatorische Bestimmungen oder Verfassungsprinzipien durch das Bundesverfassungsgericht herrscht kein Mangel. Beispielsweise seien genannt die Verfassungswidrigkeit des Volkszählungsgesetzes,[310] der Parteienfinanzierung,[311] der strafrechtlichen Bestimmungen zum Schwangerschaftsabbruch,[312] des Namensrechts,[313] des kommunalen Ausländerwahlrechts,[314] des Zuwanderungsgesetzes[315] oder jüngst des Luftsicherheitsgesetzes.[316] Bereits diese kurze und leicht durch eine Vielzahl weiterer Fälle zu ergänzende Aufzählung[317] dürfte erkennen lassen, dass die Normen des Grundgesetzes nicht letztlich eine Art folgenlosen Appell an die Politik oder einen bloßen Orientierungspunkt für sie bilden, sondern als anwendungs- und vollzugsfähige Normen verstanden und gehandhabt werden. Freilich besagen allgemeine Aussagen dieser Art noch nichts Konkretes darüber, wie sich das Verhältnis von Politik und Recht, von Gesetzgebung und verfassungsgerichtlicher Kontrolle im Einzelnen gestaltet. Hier häufig zu hörende Großformeln wie jene von der Verfassung als (bloßer) Rahmenordnung oder (weiter gehend) als Grundordnung tragen letztlich wenig aus: es handelt sich in der Regel eher um Duftmarken als um analytische Instrumente, die zumeist nur zur Verwirrung beitragen.[318] Andererseits hat auf einer konkreteren Ebene das nicht selten als „Ersatzgesetzgeber“ kritisierte Bundesverfassungsgericht selbst immer wieder mit Begrenzungsformeln seiner eigenen Tätigkeit im Verhältnis zum Gesetzgeber gearbeitet: Gestaltungsfreiheit, Einschätzungsprärogative und Prognosespielraum des Gesetzgebers, gesetzgeberisches Ermessen etc. waren und sind gebräuchliche Wendungen.[319] Diese haben allerdings weder zu großer Konsistenz der eigenen Judikatur noch zu ihrer besseren Prognostizierbarkeit geführt. So verwundert es nicht, dass die Literatur zum Verhältnis von Verfassungsgerichtsbarkeit und Politik letztlich uferlos ist.[320] Festhalten lassen sich zwei Aussagen eher allgemeiner Art: zum einen, dass die Verfassung kraft ihres Vorrangs auch den parlamentarischen Gesetzgeber bindet; zum anderen, dass bei der entsprechenden verfassungsgerichtlichen Kontrolle etwaig vorhandene Ermessens- und Einschätzungsspielräume der Politik in Rechnung zu stellen sind und das Bundesverfassungsgericht keine aktive Gestaltungs-, sondern eine Kontrollaufgabe wahrzunehmen hat, auch wenn es durchaus Beispiele für eine den Gesetzgeber dirigierende Praxis gibt.[321] Doch unabhängig davon gilt: dass es Gericht ist, stellt die wesentliche Limitation dar.