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Ich sah ihm nach, als er das Vorzimmer verließ. Das Fehlen eines Schattens zeigte mir, dass er gegangen war und nicht noch vor der Glastür irgendwo meine Reaktion abwartete.

Ich war sehr stolz auf mein Vorzimmer und hatte mir große Mühe damit gegeben. Wenn ich nicht im Büro war, schloss ich die massive Verbindungstür zwischen meinem Büro und dem Vorzimmer ab, ließ aber die Glastür zum Etagenflur unabgeschlossen, damit Besucher im Vorzimmer auf meine Rückkehr warten konnten. Den Besuchersessel hatte ich nach Bequemlichkeit ausgesucht, damit die darin Wartenden angenehm saßen. Außer dem Besuchersessel war in dem Vorzimmer noch der unbesetzte Arbeitsplatz für die Sekretärin mit einem Schreibtisch und einem Schreibtischsessel und ein abgeschlossenes Sideboard, in dem ich Abrechnungen, Arbeitsmittel und ähnliches aufbewahrte. Auf dem Sideboard standen eine Kaffeemaschine – so eine moderne samt passenden Kapseln –, ein Karton mit Zuckerwürfeln und Pappbecher. Neben der Maschine stand ein Schild mit der Aufschrift ‚Bitte bedienen Sie sich selbst‘. In die Ecke neben der Tür hatte ich einen runden Kleiderständer gestellt, auf dem mein Mantel und mein Hut aufgehängt waren und den natürlich auch Besucher benutzen konnten. Ich wusste wirklich nicht, warum er das Vorzimmer nicht einladend gefunden hatte, um dort zu warten, sondern es vorgezogen hatte, mich draußen abzupassen, um mir dann in mein Büro zu folgen.

Nachdenklich stand ich auf, ging in das Vorzimmer und begann mit der Prozedur, einen Espresso mit der Kapselmaschine zuzubereiten. Als ich fertig war und es aus dem Pappbecher heiß dampfte, ging ich wieder zu meinem Schreibtisch, setzte mich und starrte aus dem Fenster oder durch die beiden Räume auf die Glastür zum Flurbereich. Die Glastür blieb weiterhin schattenlos und geschlossen.

Während ich den PC hochfuhr, knetete ich an meinem Bleistift und versuchte mit den Fingernägeln den Lack abzublättern. Dann überprüfte ich den Posteingang, aber es waren keine E-Mails eingegangen, außer der Werbung eines Onlineshops für Angelbedarf, für den ich mal gearbeitet hatte. Der Eigentümer hatte mich seinerzeit beauftragt zu überprüfen, ob ihn einer seiner Angestellten betrog. Seit dieser Zeit schickte mir der Shop aus Dankbarkeit regelmäßig seine Informationen über Top-Angebote.

Mir ging durch den Kopf, ich sollte vielleicht nicht so wählerisch sein und den Auftrag annehmen: Ich hatte schon ganz anderes gemacht. Mir gefiel der Gedanke aber nicht besser, als hier einfach so ziellos zu sitzen.

Aus meiner Unschlüssigkeit erlöste mich das Klingeln des Telefons: „Hallo, Dietrich hier, hast Du die Nacht überstanden, ohne Dir eine Erkältung einzufangen?“

Ich würde abwarten, was er wollte, öffnete die oberste Schreibtischschublade, holte ein Lineal heraus und schob den Umschlag damit in die Schublade, damit er dort bei den unbezahlten Rechnungen die Hoffnung auf baldige Bezahlung aufrecht erhielt.

„Ja, keine Nachwirkungen. Und bei Dir? Hat Dir der Schirm geholfen?“

„Ja, Danke dafür. Ich wollte Dir nur sagen, dass in dem Rucksack getragene Kleidung ist, die offenbar daher rührt, dass der Tote von einer Reise zurückgekommen ist. Er war in Rom“, fuhr er zu meiner Überraschung fort.

Da Dietrich Dörner selten kooperativ war, musste es einen Grund geben, mir mehr Informationen zu dem Toten mitzuteilen. Es war sicher nicht Dankbarkeit wegen des Schirmes.

Mit bedauernder Stimme fuhr er fort: „Und der Arzt hatte recht, dass etwas nicht stimmt. In dem Becher und der Cola-Flasche, die im Fahrzeug lag, haben wir Rückstände von KO-Tropfen gefunden. Sieht tatsächlich so aus, als sei die Überdosis selbstverpasster Drogen nur vorgetäuscht. Wenn die Autopsie abgeschlossen ist, wissen wir es ganz genau.“

Ich dachte an die geschlossenen Augen des Toten und ganz vorsichtig legte ich das Lineal auf den Schreibtisch. Dazu fragte ich: „War er mit dem Krankenwagen in Rom?“

„Nein, mit dem Flugzeug, er war gerade erst vor ein paar Stunden gelandet. Warum er dann schon im Rettungswagen saß, weiß ich nicht. Arbeiten musste er jedenfalls erst wieder in der nächsten Woche, das haben wir schon überprüft. Vielleicht ist er vom Flughafen direkt zum Stellplatz des Wagens gefahren, um ihn zu holen. Zeit hätte er dafür gehabt. Wir prüfen gerade, ob er vielleicht mit einem Taxi vom Flughafen gefahren ist. Ist aber auch nicht mehr mein Problem, das LKA hat die Ermittlungen an sich gezogen“, hörte ich große Erleichterung und einen kleinen Triumph in seiner Stimme. „Ich bin aber der von denen gebildeten Mordkommission zugeteilt, sozusagen als Verbindungsbeamter zu den lokalen Stellen und mit regionalem Wissen. Naja, die brauchen sicher auch jemanden mit praktischer Ermittlungskompetenz, damit das was wird“, ergänzte er mit der Selbstgewissheit, die ihm eigen war.

Das war es also, warum er mir alles so bereitwillig erzählte. „Was hat er denn in Rom gemacht, weißt Du das?“, bohrte ich.

„Wissen wir nicht. Derzeit konzentriert sich alles auf das Naheliegende: Drogen als Mordwaffe gleich Drogenstory. Vielleicht hat er als Drogenkurier gearbeitet. In seiner Tasche war jedenfalls eine Taxiquittung und eine Kopie einer Seite aus einem Stadtplan, auf dem der ‚Piazza dei Cavalieri di Malta‘, übersetzt der ‚Platz der Ritter von Malta‘ markiert ist. Die italienischen Kollegen sind schon angefragt und wir werden bald wissen, ob das ein Hotspot des Drogenhandels ist. Aber Jupp, lass die Finger davon, das LKA hat klar gesagt, dass es Vertraulichkeit wünscht. Ich darf Dir das alles gar nicht sagen.“ Mit den Worten: „Mach‘s gut“, beendete Kriminalhauptkommissar Dietrich Dörner dann das Gespräch.

Ein Paket mit Drogen war eine einfache und klare Sache und passte. Ein Paket mit einem Kelch passte nicht. Ich fühlte mich aber stark genug, es mit jedem Ärger aufzunehmen.

Der Kelch der Wiederkehr

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