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Als das Hospiz noch ein Gelage war

Woher wir überhaupt etwas über die alte Studentensprache wissen

Salmasius’ kleine Sammlung ist keineswegs das älteste Zeugnis, das wir von der Existenz einer Jugendsprache unter den deutschen Studenten haben. Fleißige Forscher trugen schon im späten 19. Jahrhundert etliche Belege zusammen, mit denen sich die Existenz des Burschenjargons mindestens bis in die Zeit um 1600 zurückverfolgen lässt. Es handelt sich um drei verschiedene Arten von Quellen: literarische Texte, die das Studentenleben nachzeichneten; Komments, die Umgangsregeln zwischen den Studenten fixierten, und biografische Aufzeichnungen wie vor allem Stammbücher oder Freundschaftsalben, in die man sich gegenseitig Sprüche hineinschrieb.

Das älteste literarische Zeugnis ist Johann Georg Schochs »Comoedia vom Studentenleben« aus dem Jahr 1658. Auch der schon genannte »Renommist« von Zachariä bietet einige, jedoch vergleichsweise wenige Belege für studentischen Wortschatz. Der älteste gedruckte Komment ist das 1616 in Leipzig veröffentlichte »Jus Potandi, Oder ZechRecht«. Hierbei handelt es sich um eine deutsche Übersetzung des im gleichen Jahr in London herausgegebenen Buchs von Richard Brathwaite, dessen Titel die barock ausufernden akademischen Disputationsnamen der Zeit parodiert: »Disputatio inauguralis theoretico-practica jus potandi, cum omnibus solennitatibus & controversiis occurrentibus secundum jus civile discussis, breviter adumbrans […].« Das Werk erschien unter dem Pseudonym Blasius Multibibus. Die deutsche Version wurde allein im 18. Jahrhundert acht Mal aufgelegt und noch im 19. Jahrhundert nachgedruckt. Möglicherweise ebenfalls eine Übersetzung von Brathwaites kleinem Werk ist die 1633 in Wien unter dem nun etwas eingedeutschten Autorennamen Blasius Vielsauf verlegte »Disputation über das Zech und Saufrecht«.

Eine ergiebige Quelle für die Sprache der Musensöhne ist dann »Das Hospitium oder Richtiger Beweis aller bey dem Hospitio üblichen Rechte und Gewohnheiten«. In diesem 1747 gedruckten Werk wird genauestens ausgeführt, wie eine Hospiz genannte Veranstaltung mit Alkohol, Tabak und Tanz in der Privatwohnung eines Studenten abzulaufen hatte. Darstellungen solcher Hospize, auf denen den Teilnehmern in der Art von Sprechblasen Sprüche in den Mund gelegt werden, sind aus dem frühen 18. Jahrhundert unter anderem in zahlreichen Stammbüchern überliefert. Diese Zitate sind meistens auf Deutsch, denn seit 1700 verbreitete sich unter dem Einfluss von Wissenschaftlern wie Christian Thomasius und Christian Wolff allmählich die deutsche Sprache in der universitären Lehre. Und so schrieben Studenten nun immer häufiger burschikose Sprüche auf Deutsch in die Freundschaftsalben ihrer Kommilitonen.

Doch erst von der Mitte des 18. Jahrhunderts an wurde die Studentensprache als Phänomen richtig wahrgenommen. Davon zeugen nach Salmasius’ Pionierleistung nicht nur die nun in immer kürzeren Abständen erschienenen Wörterbücher, sondern auch literarische Werke, die die Burschensprache ganz gezielt als Stilmittel und Verkaufsargument einsetzten – so wie in den 1970er- und 1980er-Jahren zahlreiche humoristische Werke mit dem zeitgenössischen Sponti- und Hippiedeutsch spielten. Zu den Autoren mit einem Gespür für die neuesten Trends gehörte W. G. Fischer mit seinem Epos »Komische Burschiade« von 1781, in dem erstmals das Wort mogeln auftaucht und mit »beim Spiel betrugen« erklärt wird. Einschlägige Ausdrücke finden sich ebenso bei Kasimir Renatus Denarrée alias Karl Friedrich Bahrdt in seiner vulgäraufklärerischen Satire »Leben und Thaten des weiland hochwürdigen Pastor Rindvigius« von 1790. Der wichtigste war allerdings Friedrich Christian Laukhard, ein Zeitgenosse Goethes, dem als Musterbeispiel eines burschikosen Schriftstellers in diesem Buch später noch ein eigenes Kapitel gewidmet sein wird.

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