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b) Rechtliche Grundlagen

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§ 143 StPO legt fest, dass die Bestellung des Pflichtverteidigers zurückzunehmen ist, wenn sich ein Wahlverteidiger meldet. Die Regelung ist zwingend, was diese Konstellation anbelangt, es sei denn, es besteht ein unabweisbares Bedürfnis dafür, den Pflichtverteidiger neben dem Wahlverteidiger weiterhin tätig bleiben zu lassen.[70]

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Über die Regelung des § 143 StPO hinaus wird der Widerruf der Pflichtverteidigerbestellung aus wichtigem Grund allgemein für zulässig gehalten.[71] Zu bejahen ist ein wichtiger Grund in diesem Sinne dann, wenn Umstände vorliegen, die den Zweck der Pflichtverteidigung, dem Beschuldigten einen geeigneten Beistand zu sichern und einen ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, ernsthaft gefährden.[72]

Schon aus dieser Definition ergibt sich, dass insoweit ein strenger Maßstab anzulegen ist; der BGH hat mit Recht darauf hingewiesen, dass der Widerruf der Bestellung eines Pflichtverteidigers, der das Vertrauen des Beschuldigten besitzt, die Verteidigungsbelange auf das stärkste berührt.[73]

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Bejaht worden ist ein wichtiger Grund etwa, wenn der Pflichtverteidiger sich weigert, den Schlussvortrag zu halten,[74] für den Angeklagten eine Revisionsbegründung zu fertigen,[75] an einigen Tagen einer länger terminierten Strafsache zu erscheinen,[76] oder wenn der Pflichtverteidiger gegen den Mandanten Strafanzeige erstattet, nachdem dieser sich in einem an das Gericht gerichteten Schreiben in ehrverletzender Weise über ihn geäußert hat.[77]

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Verneint wurde ein wichtiger Grund beispielsweise bei Weigerung des Pflichtverteidigers, „gem. der Kleiderordnung aufzutreten und zu zeigen, ob er einen weißen Langbinder trage“[78] oder bei behebbaren Terminschwierigkeiten des Pflichtverteidigers (siehe auch Rn 61 ff.)[79] Auch führt nicht jedes unzweckmäßige, prozessordnungswidrige oder sonst den Verfahrensablauf störende Verhalten des Pflichtverteidigers zum Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Abberufung,[80] vielmehr muss es sich um ein Fehlverhalten von besonderem Gewicht handeln.[81]

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Einen Sonderfall der Entpflichtung aus wichtigem Grund stellt die Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Angeklagten und dem Pflichtverteidiger dar. Sie rechtfertigt die Entpflichtung, wenn sie beachtlich ist, was nur bei einer endgültigen, nachhaltigen und nicht zu beseitigenden Erschütterung des Vertrauensverhältnisses angenommen wird, die besorgen lässt, dass die Verteidigung objektiv nicht (mehr) sachgerecht geführt werden kann.[82] Maßstab hierfür ist die Sicht eines verständigen Angeklagten.[83]

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Eine beachtliche Störung des Vertrauensverhältnisses wurde etwa angenommen bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Pflichtverteidiger und Angeklagtem über das grundlegende Verteidigungskonzept.[84] Die Störung des Vertrauensverhältnisses kommt ferner in Betracht, wenn der Pflichtverteidiger den Angeklagten ungeachtet dessen erklärter Ablehnung wiederholt bedrängt, eine schriftliche Vereinbarung über ein Honorar abzuschließen, das die gesetzlichen Gebühren um ein Mehrfaches übersteigen würde und hierbei zum Ausdruck bringt, ohne den Abschluss dieser Vereinbarung sei seine Motivation, für den Angeklagten tätig zu sein, eingeschränkt.[85] Auch das Vorliegen schwerwiegender Verteidigungsdefizite (fehlende Einsichtnahme in die Ermittlungsakte, Unterbleiben einer Besprechung mit dem Mandanten trotz bevorstehendem Verhandlungstermin,[86] Verweigerung der Einlegung von Rechtsbehelfen mit dem Ziel der Haftentlassung)[87] kann zur Annahme einer beachtlichen Störung führen.

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Als unbeachtlich erachtet wurden etwa ein sich durch die Flucht des Angeklagten während der Hauptverhandlung ergebender Kontaktabbruch mit dem Verteidiger,[88] Beleidigungen des Verteidigers durch den Beschuldigten,[89] sogar ein tätlicher Angriff auf den Verteidiger,[90] ferner pauschale, nicht näher belegte Angriffe auf die Fähigkeiten und die Integrität des Verteidigers in einem Schreiben an das Gericht.[91]

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Die Beachtlichkeit der Störung des Vertrauensverhältnisses ist nach h.M.[92] vom Angeklagten bzw. vom Verteidiger grundsätzlich substantiiert darzulegen. Richtiger erscheint es, vom Einzelfall abhängig zu machen, welche Anforderungen an die Substantiierungslast zu stellen sind.[93] Dem Pflichtverteidiger darf insbesondere keine Verletzung seiner anwaltlichen Schweigepflicht zugemutet werden.[94]

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