Читать книгу Weiberroman - Matthias Politycki - Страница 21

Wenn wir wenigstens über Fußball geredet hätten,

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schließlich sollte unsre Saison demnächst beginnen, und so wie der Wind meist runterpfiff vom Teutoburger Wald, würde am Freitag sicher alles wieder weggetaut sein: Viel hatte sich Gregor vorgenommen für dieses Jahr, viel – mußte er sich doch nicht mehr mit Ecki im Tor abwechseln, seit Rick, der Tiger, einfach mal so und ohne daß er sonst irgendwas mit irgendeiner AG zu tun hatte, am Spielfeldrand aufgetaucht war und gleich die passenden Handschuhe vorweisen konnte. Immerhin war Gregor vor dem Anpfiff nie verhauen worden: im Gegensatz zu Ecki, der jedesmal, bloß ein bißchen und bloß zum Aufwärmen, herhalten mußte – Ecki spielte ja auch noch heimlich Autoquartett, schleppte am Weltspartag ja auch noch seine prall gefüllte Büchse zur Spardaka (wofür er stets auf dieselbe geodreieckige, radiergummimäßige Weise belohnt wurde), konnte ja auch, wenn er verprügelt wurde, so herrlich rumfluchen, weil sein Vater ein Originalbazi war aus dem Voralpenland,[23] Ecki war ja auch erst vierzehn.

Nach dem Spiel, da durfte er zeigen, daß er doch schon ein ganzer Kerl war: Wenn wir nämlich alle außer Vogler in den Rewe-Laden reinstürmten und wie wild die Micky Maus-Hefte durcheinanderwühlten und die Wundertüten, als wären wir gerade erst eingeschult worden, und uns über den Geschmack der Luftschokolade stritten und den der rosa und der weißen Schokolinsen, so daß es dem Dieckmann an der Kasse eng und enger wurde, bis ihm die Stirn schillerte, während Kötte durch ein rückwärtiges Fenster die Fanta-Flaschen warf. Zwar wunderte sich der Dieckmann immer, wieso wir nur ein paar Päckchen Brausepulver kauften oder eine Tüte Treets, und irgendwann kam er uns auch auf die Schliche und vernagelte das Fenster, aber bis dahin hatte’s noch einige Ostverträge Zeit, sagen wir, bis ’73.[24]

Ostverträge, über die der Religions-, der Geschichts-, der Deutsch-, der Sozialkundelehrer ständig mit uns diskutieren wollten, ständig.

Zum Freitag zwingend dazu gehörte das anschließende Wettrülpsen – mannschaftsweise lagerten wir um unsre Flaschen, die Photo AG (Borussia Mönchengladbach), die Schach AG (Borussia Dortmund), dazwischen diejenigen, die nirgendwo richtig dazugehörten, und: gaben erneut alles, was wir hatten. Denn der Freitag, der gehörte uns, zumindest der Freitag, und einmal, Gregor glaubte, daß es gestern erst gewesen, so frisch brüllte ihm der Ton durchs Blut, einmal hatte Kötte einen Schrei abgelassen, von ganz unten, durch zwei, drei halbverdaute Koteletts hindurch und – praaah! – an die frische Luft, daß es ein Echo gegeben hatte von wer-weiß-wo, und danach war’s dermaßen still gewesen hinter all den frischbeschnippelten Vorgartenhecken, hinter all den geraffelten, gerüschelten Gardinen mit all den frischbetüterten Geldbäumen, Kakteen, Azaleen: dermaßen still, daß sogar die aus der Schach AG klatschen mußten.

Seither übte sich Gregor bei jeder Gelegenheit in der Erzeugung eines glaubwürdigen Tons; aber er mußte sich’s immer aufs neue eingestehen, daß er bereits an den Ausgangsbedingungen scheiterte, an der Literflasche Fanta. Davon schaffte er in einem Zuge bestenfalls zwei Drittel.

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