Читать книгу Weiberroman - Matthias Politycki - Страница 34

Aber irgendwie wollte’s Max noch nicht fassen,

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oder wieso blieb er stehen und stehen und stehen, statt sich in die Altstadt zu verziehen, Richtung Aldruper Damm, statt sich in seinem Kellerloch zu vergraben, um das ihn Gregor so beneidete?

Unterm Lichtkegel einer Straßenlaterne waren ein paar Mädchen sehr damit beschäftigt, ihre Gummitwistfiguren rechtzeitig der Reihe nach runterzuhüpfen; ein Knirps lehnte, kaum den Sicherheitsabstand wahrend und beide Hände tief in den Hosentaschen, lehnte am Schaufenster vom Salon Inge[33] und tat desinteressiert.

Aus dem Torbogen des Römers schlingerte Herr Kohnhorst, die Turmuhr schlug, die Mädchen kreischten auf, der Knirps flüchtete Richtung Rathaus, blieb stehen, ließ sich vergnügt beschimpfen.

Bloß am Brunnen kam man nicht von der Stelle, Max nicht und Gregor erst recht nicht, Gregor nicht und Max erst recht nicht – seitdem sich Erps verabschiedet hatte, gab’s eigentlich keinerlei Vorwand mehr, noch zu bleiben: Bloß am Brunnen trat man auf der Stelle. Rauchte, warf die Kippen ins Wasser, zu all den schwarz schimmernden Flaschen am Grunde des Beckens.

Zu all den schwarz schimmernden Bonbonpapieren, Sunkist-Tüten, Brotresten, zerknüllten Zeitungsseiten.

Von irgendwoher trillerte sich ein Sopran durch die Nacht, der Knirps verdrückte sich in den Schatten des Ahornbaums, der Rest der Welt war mit Bausparen beschäftigt oder mit Gummitwist oder mit der Erzeugung eines ganz leisen, ganz zarten Rauschens – der Brunnen, die Blätter, der gestirnte Himmel und ab & zu ein Auto –, da klackerte, strammen Schritts, Frau Rethemeier in die Stille samt schnaufendem, schlabberndem Bernhardiner: Als ob er nur darauf gewartet hätte, verschluckte sich Gregor. Als ob er nur darauf gewartet hätte, beklopfte ihm den Rücken: Max.

Max Schmedt auf der Günne.

Über was er sich denn am Freitag, im »Blauen Bengel«, die ganze Zeit betuschelt hätte? nützte Gregor die Gelegenheit, sobald er den Bernhardiner vorsichtig fertiggestreichelt hatte, der Sopran sang sich deutlich näher, der Knirps stand reglos im Schatten, Max schlenkerte sich:

Och, über nichts Bestimmtes. Eigentlich. Über die Neue, zum Beispiel.

Und wieso er das mit jedem getan habe außer mit ihm, mit – nunja: seinem Freund?

Weil der so was noch nicht wirklich kapiere. Der sei eben ein Jahr jünger als er, als Max, und das merke man.

Wie denn, woran denn? wollte Gregor aufbegehren, vom Römer aber kam Frau Lutterbeck, und Max zuckte seine schrägen Schultern.

Kam Herr Huckriede.

Kam eine fremde Person, in fremden Koloraturen schimpfend, wahrscheinlich die Frau eines dieser W&H-Türken, und die kleinen Mädchen deuteten, schrill durcheinanderschnatternd, auf den Schatten des Ahornbaums. Augenblicklich wurde’s dort lebendig, Gregor schnippte die Kippe gegen die Armeejacke seines, nunja: seines Freundes, von wo sie runterfiel auf den Gehsteig und liegenblieb als roter Punkt, den keiner schwarzzutreten wagte:

»Sag mal, Max, bist du eigentlich noch zu retten?«

»Nein«, sagte Max nach einer ordentlichen Weile, und dann sagte er nichts mehr.

Weiberroman

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