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3. Einfluss der Medien

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Unter dem Eindruck der Amokläufe von Schülern (Erfurt am 26.4.2002, Emsdetten 20.11.2006, Winnenden 11.3.2009)[28] und der Berichte über Vorbereitungen zu entsprechenden Taten in anderen Städten ist die Diskussion über den Einfluss der Medien durch Gewaltdarstellungen in Film, Fernsehen, Videos und Computerspielen wieder entbrannt. Die Täter hatten jedenfalls auch zu gewaltverherrlichenden Computerspielen Kontakt, so dass sich die Frage stellt, ob vor dem Hintergrund der Fehlverarbeitung des eigenen Versagens und erlittener Kränkungen der Konsum solcher Videos zu Einflüssen oder Abhängigkeiten führt, die extreme Gewaltbereitschaft bewirken. Diese Frage ist bisher nicht schlüssig beantwortet worden. Es wird auch die Auffassung vertreten, dass Gewaltdarstellungen in Medien die tatsächliche gesellschaftliche Gewalt nicht prägt, sondern angesichts der alltäglichen Berichterstattung über (Bürger-)Kriege, Terroranschläge und blutige Taten nur spiegelt.[29] Zwar ist ein direkter Kausalzusammenhang zwischen dem Konsum von Gewaltvideos und eigenem gewalttätigen Verhalten bisher nicht nachgewiesen, wohl aber die signifikant zunehmende Akzeptanz „männlicher“ Gewalt durch Jungen, die am Computer Kampfspiele austragen.[30]

Horror- oder Gewaltvideos können aber im Einzelfall, insbesondere bei einer vernachlässigten oder gestörten Persönlichkeit, das Verhalten und die Schuldfähigkeit beeinflussen. So hat ein erst 14 Jahre alter Täter Horrorszenen eines Videos, in dem der „Held“ seinen Feinden den Kopf zertrümmert, nachgespielt und seine Verwandten damit zu erschrecken versucht. Als er befürchtete, sich sonst lächerlich zu machen, verletzte er u.a. seine Cousine mit dem Beil am Kopf. Ihm wurde eine zur Anwendung der §§ 20, 21 StGB führende Sucht anerkannt, Horror-Videos zu sehen, sich in die dort gezeigten Rollen hineinzuversetzen und den Bezug zur Realität derart zu verlieren, dass er die Anerkennung der angenommenen Rolle aus der Horror-Phantasiewelt mit Gewalt durchsetzte. Dieser Ansatz ist allerdings fraglich. Insbesondere bei sehr jungen Tätern wird man viel eher an fehlende Verantwortungsreife, § 3 Satz 1 JGG, denken müssen. Ein junger Beschuldigter, der sich so sehr selbst überlassen ist, dass er regelmäßig Horror-Videos konsumiert und das Gesehene spielend nacherlebt, dürfte kaum eine seinem Entwicklungsstadium angemessene elterliche Beaufsichtigung und Erziehung genießen. Wer seine Umwelt notfalls mit Gewalt dazu bringen will, die Schreckensrolle, die er spielen will, anzuerkennen, dürfte Zweifel an seiner Verantwortungsreife wecken.[31]

Ob man den wiederholten exzessiven Konsum von Gewaltvideos überhaupt als „Sucht“ ansehen kann, ist fraglich.[32] Dies wird aber von Suchtforschungsstellen neuerdings bejaht. Suchtgefahr besteht, wenn der Jugendliche keine Freunde mehr trifft, kein anderes Hobbys kennt, über dem Computerspiel Verabredungen und Pflichten im Haushalt vergisst, die Hausaufgaben vernachlässigt, der Videokonsum sich immer mehr steigert, er sich an Absprachen mit seinen Eltern über die Computernutzung nicht mehr hält und verbal oder sogar körperlich aggressiv reagiert, wenn er weniger Computer spielen soll.[33]

Teil 1 Jugenddelinquenz und JugendstrafrechtIII. Problemgruppen, Problemkonstellationen › 4. Junge Ausländer, Aussiedler und Flüchtlinge

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