Читать книгу Examens-Repetitorium Staatsrecht - Max-Emanuel Geis - Страница 114
ОглавлениеFall 4 Das ICE-Gesetz
Themenschwerpunkte: Rechtsstaatsprinzip, Gewaltenteilung, Einzelfallgesetz, Bestimmtheitsgebot, Rechtssicherheit, abstrakte Normenkontrolle
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Zur Verbesserung der Ost-West-Verbindung soll eine ICE-Strecke der Deutschen Bahn AG zwischen Freiburg und Frankfurt a.d. Oder gebaut werden. Ziel dieser Planung ist es, eine Hochgeschwindigkeitsverbindung zu ermöglichen, um auch die Bundeshauptstadt schneller erreichen zu können. Jedoch kam es schon bald zu einem Stillstand der Planungsarbeiten, da die Erörterungstermine, insbesondere im Bundesland X, eine rasche Beendigung des Planfeststellungsverfahrens unmöglich machten. Eine Vielzahl von Naturschützern und Lokalpolitikern wehrten sich gegen dieses Projekt, da es einer Umweltverträglichkeitsprüfung möglicherweise nicht standhalten könnte. Daher beschloss die Koalitionsfraktion in Abstimmung mit der Deutschen Bahn AG, deren alleiniger Aktionär die Bundesrepublik Deutschland ist, in einem Investitionsmaßnahmengesetz zum „Zukunftsprojekt Ost-West-Achse“ die Planung durch ein formelles Gesetz festzulegen, das einen Planfeststellungsbeschluss entbehrlich mache und die Planung selbst in detaillierter Form vornehme. Das Investitionsmaßnahmengesetz (InvestG) trat am 1.1.2021 in Kraft. Darin sind u.a. folgende Bestimmungen enthalten:
§ 1 Zulassung des Baus
(1) Zur Herstellung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und zur Überwindung der Folgen der Teilung Deutschlands [...]. Der Bau erfolgt durch die Deutsche Bahn AG und nach dem Plan, der diesem Gesetz als Anlagen 1 bis 24 beigefügt ist.
(2) Durch dieses Gesetz ist die Zulässigkeit des Vorhabens einschließlich der notwendigen Folgemaßnahmen an anderen Anlagen im Hinblick auf alle von ihm berührten öffentlichen Belange festgestellt. Weitere behördliche Entscheidungen, insbesondere öffentlich-rechtliche Genehmigungen, Verleihungen, Erlaubnisse, Bewilligungen, Zustimmungen und Planfeststellungen sind nicht erforderlich.
§ 2 Enteignungs- und Entschädigungsverfahren
(...)
§ 22 Baubehinderung
(1) Bauwerke, welche den Belangen des Vorhabens entgegenstehen, können ohne weitere behördliche Entscheidungen entfernt werden.
(2) Das Enteignungsverfahren und die Enteignungsentschädigung richten sich nach § 2.
Die Landesregierung von X befürchtet aufgrund dieses Gesetzes massive Probleme für ihren Wahlkampf für die Landtagswahl 2021. Die geplante „Enteignung“ der Bürger sei rechtlich sehr problematisch. Das Gesetz drücke sich nur unklar aus, wer denn von dieser Enteignung betroffen sein könnte. Ein Rechtsschutz gegen dieses Bauvorhaben sei den Bürgern auch nicht möglich, da ihnen Einwände gegen den Planfeststellungsbeschluss durch die Gesetzesform genommen würden. Weiterhin fragt sich die Landesregierung, ob der Bundestag nicht hierbei seine Kompetenzen überschritten hatte, da es sehr ungewöhnlich sei, ein Gesetz für eine einzelne Baumaßnahme zu erlassen. Da die Landesregierung das Gesetz aus den oben genannten Gründen für verfassungswidrig hält, ruft sie das BVerfG an, das die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes feststellen soll.
Bearbeitervermerk:
Bereiten Sie in einem Gutachten die Entscheidung des BVerfG vor. Auf Grundrechte ist bis auf Art. 14 III 1 GG nicht einzugehen.[1]