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a) Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz
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Der Gewaltenteilungsgrundsatz ist als Element des Rechtsstaatsprinzips eine fundamentale Entscheidung über die Staatsstruktur und die innerstaatliche Zuständigkeitsordnung. Nach Art. 20 II 2 GG besteht die Gewaltenteilung in der Aufteilung staatlicher Macht in gesetzgebende, vollziehende und rechtsprechende Gewalt. Darunter ist allerdings nicht nur die strikte Trennung der Gewalten zu verstehen, sondern auch die gegenseitige Kontrolle staatlicher Organe zur Verhinderung von Machtmissbrauch.[11] Die Verknüpfung und Überschneidung der Gewalten ist ein im Grundgesetz verankerter Bestandteil der Gewaltenteilung.[12] Somit ist das Prinzip der Gewaltenteilung nicht rein verwirklicht, sondern von zahlreichen Gewaltenverschränkungen geprägt. Beispielhaft seien hierfür die Instrumente der parlamentarischen Kontrolle der Bundesregierung nach Art. 43 ff. GG, die Regelungen zur Gesetzesinitiative gem. Art. 76 I, II GG, das Erfordernis einer von der Legislative erlassenen Ermächtigungsgrundlage für die Rechtsetzung durch die Exekutive nach Art. 80 GG sowie die Möglichkeit der Anrufung des BVerfG durch die Exekutive zur abstrakten Überprüfung von Gesetzen nach Art. 93 I Nr. 2 GG angeführt. Daher dient die Gewaltenteilung gleichermaßen der Entscheidungsfindung durch die Organe, die nach Funktion, Zusammensetzung und Verfahrensweise die beste Eignung aufweisen.[13]
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Fraglich ist somit, ob das InvestG gegen das Gewaltenteilungsprinzip verstößt, indem die Planung vom Gesetzgeber übernommen wurde. Der Bundestag ist als Legislativorgan verfassungsrechtlich zur Gesetzgebung ermächtigt und demokratisch legitimiert.[14] Aufgrund der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz konnte der Bund die Planungsentscheidung treffen. Allerdings könnte der Regelungsinhalt problematisch sein. Die Exekutive als ausführendes Organ ist für die Regierung und Verwaltung zuständig.[15] Da es sich vorliegend um eine planungsrechtliche Materie handelt, wäre zu klären, welchem der beiden Organe die staatliche Planung zuzuordnen ist. Im Grundgesetz sind Überschneidungen der Kompetenzen angedeutet. Dabei ist es jedoch entscheidend, dass keine Gewalt über die andere hinauswächst und die Zuständigkeit einer anderen an sich reißt.[16] Der Kernbereich der Organkompetenzen muss erhalten bleiben.[17]
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Ausnahmen hinsichtlich eines Übergriffs in andere Gewalten gelten bei konkret-einzelfallbezogenen Entscheidungen[18] und bei Planungsentscheidungen. Eine genaue Zuordnung kann im Planungsbereich nicht getroffen werden.[19] Im Grundgesetz lässt sich keine originäre und eindeutige Zuständigkeit der Exekutive im Bereich staatlicher Planung feststellen. Jedenfalls die Planvorbereitung soll Angelegenheit der Exekutive sein. Beim Bund verbleiben in diesem Fall die Kontroll- und Informationsrechte.[20] Ist aber eine Materie ihrer Natur nach geeignet, gesetzlich geregelt zu werden, so ist es der Legislative nicht prinzipiell verwehrt, einen Plan durch Gesetz zu beschließen.[21] Daher begründet der Erlass des Gesetzes zur Planung der ICE-Strecke grundsätzlich keinen Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz. Allerdings ist der Übergriff oder die Beeinträchtigung eines anderen Gewaltbereiches nicht ohne weiteres zulässig.
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Als Maßstab für einen Übergriff in andere Gewalten gilt die bundesstaatliche Kompetenzordnung.[22] Dem Bund steht hier hinsichtlich der Bundeseisenbahnen und des Baus von Schienennetzen die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit zu (s.o.). Da es sich bei der Planungsentscheidung um einen komplexen Prozess handelt, steht allein mit einer solchen Entscheidung durch den Gesetzgeber nicht fest, dass er in originäre Funktionen der Exekutive eingreift. Der Bund beabsichtigt hier, mit dem Bau der ICE-Strecke die Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse zwischen Osten und Westen zu fördern. Weiterhin könnte durch die gesetzliche Planung das ICE-Projekt schneller durchgeführt werden. Ein Planfeststellungsverfahren und etwaige verwaltungsgerichtliche Streitigkeiten bringen Verzögerungen mit sich. Die Eilbedürftigkeit und Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse sind geeignete Gründe, eine Planfeststellung per Gesetz zu rechtfertigen. Darüber hinaus ist dieses Gesetz eine Einzelfallregelung, so dass ein dauerhafter Verlust der Exekutivgewalt ausgeschlossen ist. Ausgehend von Art. 87e GG liegt zudem verwaltungstechnisch eine bundeseigene Verwaltung des Eisenbahnverkehrs vor. Somit ist auch die bundesrechtliche Kompetenzordnung gewahrt. Der Gewaltenteilungsgrundsatz ist folglich nicht verletzt.