Читать книгу Die Fahrt zur Unsterblichkeit - Max Geißler - Страница 8
ОглавлениеAuch der Pastor verstand ihn nicht, der fast zwanzig Jahre später an ihm die Neigung zum Studium entdeckte.
Daraufhin schickten sie ihn — mit der Unterstützung fremden Geldes — nach Antwerpen. Damit er sich bereite zur Vorprüfung für die Akademie. Er lernte das Griechische und das Latein in wenigen Monaten. Aber die Stimmen der Sehnsucht in ihm wurden darüber nicht stille.
Auf einmal — es fiel ihm ein: ich werde diesem Rufe meiner Sehnsucht nachlaufen!
Zwar wusste er nicht, von wannen der kam. Aber das wusste er: aus den Hörsälen der hohen Schule kam er nicht! Denn wer will sich dort selbst gehören?
Es war spät in der Nacht. Er hatte sich an einem Bande Dickens das Herz heiss gelesen. Von Arbeitern in Bergwerken. Und wie sie wühlen und hacken unter Tag und unter Glück . . . was die Menschen so Glück nennen. Turmtief darunter. — Eine Welt, die er bis dahin nicht kannte.
Mit all seinen Gedanken stürzte er sich auf diese Entdeckung. Und grübelte sich von der verlöschenden Lampe fort; ging hinunter in die erwachenden Gassen der grossen Stadt.
Es lag da die Nüchternheit aus der Stunde der ersten Hahnenkrähe. Die Strassenkehrer hantierten darin. Vor den Druckereien die Frauen mit vergangenheitlichen Kinderwagen, in denen sie Ballen frischgedruckter Zeitungen verstauten. Jungen, mit Packen unter dem Arm, trotteten morgenkarg davon.
Eines dieser Blätter erstand er. Und las im halben Lichte, dass man einen Prediger suche für die Grubenfelder, die sie die Borinage heissen. Einen Prediger. Nicht einen Geistlichen. Nur einen, der klug und gut mit den Leuten aus den Kohlengruben reden konnte: über ihre Sehnsucht nach der Welt der Menschen oder nach einem Lichte des Geistes; oder auch über ihre Sehnsucht nach dem Evangelium.
Zu diesen Menschen liess er sich schicken.
Nicht lange danach bekamen seine Eltern einen Brief von ihm. Sie wunderten sich, dass dieser Brief den Stempel der Borinage trug und nicht den Antwerpens. Davon waren sie sehr betroffen. —
Sehet, so weit kann der Weg sein, der da liegt zwischen der Sehnsucht und der Erkenntnis, was Gott mit einem vorhat!